Leipzig. Viele Strandbäder an Nord- und Ostsee verlangen von Tagesgästen Eintrittsgeld. Ein Grundsatzurteil kippt nun solche Gebühren in einer Gemeinde.
Das Meer direkt vor der Nase, aber ein Maschendrahtzaun versperrt den Zugang zum Strand. Diese Situation ist zwei Bewohnern der Nordseeküste ein Dorn im Auge. Sie haben gegen die ostfriesische Gemeinde Wangerland geklagt.
Die beiden Kläger haben nun in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum großen Teil Recht bekommen (Az 10 C 7.16). Die Touristik GmbH Wangerlands darf nicht mehr für fast den ganzen neun Kilometer langen Strand von Tagesgästen Eintritt verlangen. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben.
Was haben die Richter entschieden?
Die Gemeinde Wangerland darf nur noch für kleine Teile der Küste Eintritt verlangen: für solche, wo die Gemeinde besonderen Badegenuss schafft - beispielsweise durch Restaurants, Kioske und Umkleidekabinen. An langen Abschnitten der beiden Strände gebe es solche Einrichtungen nicht, argumentierten die Leipziger Richter. Dort müsse freier Zugang möglich sein.
Die bisherige Regelung widerspreche Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, der die allgemeine Handlungsfreiheit vorsieht. Außerdem eröffne das Bundesnaturschutzgesetz das Recht, freie Landschaften zu betreten. Die Strandabschnitte mit weniger Infrastruktur sehen die Richter als freie Landschaft.
Andere Gemeinden an der Küste müssen nun prüfen, ob die von ihnen erhobenen Gebühren rechtens sind - oder ob sie sie gegebenenfalls abschaffen müssen.
Welcher Streit steckt hinter dem Urteil?
Zwei Bürger aus Nachbargemeinden von Wangerland haben sich gegen die Eintrittspreise in zwei Strandbädern gewehrt. Dort müssen alle, die nicht direkt in Wangerland wohnen oder nicht länger dort Urlaub machen, für den Strandbesuch drei Euro zahlen - auch wenn es nur um einen Spaziergang geht.
Wie haben die Kläger argumentiert?
"Zu meiner Jugendzeit konnte man frei an den Strand", sagt Janto Just, einer der Kläger, der seit Jahren gegen die Gebühren kämpft. In den 70er Jahren sei es losgegangen mit dem Einzäunen. Der niedersächsische Gesetzgeber habe dagegen nichts getan. "Prompt haben die Kommunen die Strände nach und nach okkupiert." Vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg waren Just und seine Mitstreiterin zuvor gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht wies ihre Berufung zurück.
Was hält die Gemeinde dagegen?
Die Gemeinde argumentiert, sie brauche das Geld für den Betrieb der Strandbäder. Die beiden Strände seien künstlich angelegt, sagt Friedo Gerdes, Prokurist bei der Tourismus GmbH. "Daher zieht aus meiner Sicht auch die Argumentation mit dem Naturschutzgesetz nicht." Wenn das Gericht die Gebühr kippe, müssten Tagesgäste in anderer Form einen Kostenbeitrag leisten.
Wie ist die Situation an den Küsten Deutschlands?
"An der Nordseeküste wird generell von Tagesgästen mit wenigen Ausnahmen ein Strandeintritt verlangt", sagt Sonja Janßen, Geschäftsführerin des Tourismusverbands Nordsee - auch in Schleswig-Holstein. Die Kosten bewegten sich etwa im Rahmen von 1,50 Euro bis 3,50 Euro pro Person. "Das ist gängige Praxis." Daher schauten auch viele gespannt auf das Urteil. In Mecklenburg-Vorpommern gebe es keine umzäunten Strände, sagt Tobias Woitendorf, Sprecher des dortigen Tourismusverbands. In manchen Gemeinden müssten aber auch Tagesgäste Kurtaxe bezahlen, wenn sie ans Meer wollten. An der knapp 2000 Kilometer langen Küste gebe es jedoch viele kostenfreie Strände. (dpa)