Wernigerode. Alpengärten zeigen die Pflanzenwelt des Hochgebirges. Der Brockengarten auf dem Brocken im Nationalpark Harz ist der älteste Deutschlands.

Vor ihren Augen breitet sich ein Panorama aus, von dem jeder Alpinist nur träumen kann. Nein, keine schneebedeckten Berge. Sondern Edelweiß und Enzian, Teufelskralle und Pantoffelblume. Sie alle sind auf kleinstem Raum vereint.

Von den Rocky Mountains bis Patagonien

An diesem sonnigen Sommertag auf dem Brocken im Harz gilt der Blick der Besucher vor allem den zahllosen Arten im dortigen Alpengarten. Und während Bergsteiger für den Anblick dieser Kostbarkeiten auf mehrere tausend Meter Höhe klettern müssen, sind sie ganz gemütlich mit der Schmalspurbahn zur 1141 Meter hohen Kuppe gefahren. Nur ein paar Schritte sind es von den amerikanischen Rocky Mountains nach Patagonien. Der Kaukasus liegt wenige Meter von Südafrika entfernt. Zwei Mal am Tag geht es zu Fuß durch die Gebirge der Welt - auf einer Führung mit Brockengärtner Gunter Karste. Er ist der wissenschaftliche Leiter des 4600 Quadratmeter großen Brockengartens und zusammen mit zwei Kollegen für Aufzucht und Erhalt der Pflanzen zuständig.

Die kleine, zartblaue Teufelskralle wächst normalerweise nur in den Alpen in hochgelegenen Felsspalten.
Die kleine, zartblaue Teufelskralle wächst normalerweise nur in den Alpen in hochgelegenen Felsspalten. © dpa

Rund 1500 Arten aus aller Welt haben hier dank der besonderen klimatischen Bedingungen auf Norddeutschlands höchstem Berg Wurzeln geschlagen. Diese entsprechen dem Klima der Alpen auf 2000 Metern Höhe. Ganz konkret bedeutet das: Die kleine, zartblaue Teufelskralle, die hier zwischen hellgrauen Steinen wächst, ist in den Alpen nur in hochgelegenen Felsspalten zu finden. Schnell den Fotoapparat gezückt.

Recken und strecken für das beste Foto

Der Gletscher-Hahnenfuß blüht sogar noch auf 4000 Metern Höhe - er ist damit eine der am höchsten steigenden Blütenpflanzen der Alpen, verrät Natur- und Landschaftspfleger Holger Bührig beim Unkrautzupfen. Was in den Gebirgen der Welt wächst, ist ein Spezialist. Ein Überlebenskünstler. Bührig zeigt auf den Däumling unter den Bäumen, die Kraut-Weide. Sie gilt als der kleinste Baum der Welt, der Stamm ist nur wenige Zentimeter groß und steckt nicht sichtbar in der Erde. Recken und strecken für das beste Foto.

Beliebtes Fotomotiv: Viele Pflanzen im Brockengarten finden sich sonst nur in extremen Höhenlagen der Alpen.
Beliebtes Fotomotiv: Viele Pflanzen im Brockengarten finden sich sonst nur in extremen Höhenlagen der Alpen. © dpa

Die Saison beginnt spät - erst im Mai geht es los. Frühlingsbote ist die weißblühende Brockenanemone. "Meine Lieblingspflanze", sagt Karste. "Da sie deutschlandweit nur auf dem höchsten Harzberg vorkommt, hat der Brockengarten eine ganz besondere Verantwortung für den Erhalt dieser Art", betont er und deutet auf die verblühten Pflanzen, die wie eine kugelige Perücke aussehen. Sie erinnern an jene Reisigbesen, auf denen zu Walpurgis die Hexen zum Blocksberg reiten sollen.

Militärisches Sperrgebiet

Angelegt wurde der Garten Ende des 19. Jahrhundert durch den Direktor des Botanischen Gartens der Universität Göttingen, Prof. Albert Peter. Es war der erste Alpenpflanzengarten auf deutschem Boden. Eine dramatische Entwicklung nahm die Anlage in den Jahren der deutsch-deutschen Teilung. Als militärisches Sperrgebiet deklariert, wurde der Garten 20 Jahre nicht gepflegt. Nur gut 90 Arten überlebten diese Phase. Doch relativ schnell konnte der Brockengarten wieder zu neuem Leben erweckt werden. Heute kommen pro Jahr zwischen 5000 und 8000 Besucher.

In Deutschland gibt es nur zwei weitere Gärten in ähnlicher Lage. Ganz in der Nähe lockt der Rennsteiggarten in Oberhof die Hobby-Botaniker. Im Süden zieht der Alpengarten in Schachen bei Elmau Blumenfreunde in seinen Bann.

So Blühen die Berge

Beliebtes Fotomotiv: Viele Pflanzen im Brockengarten finden sich sonst nur in extremen Höhenlagen der Alpen.
Beliebtes Fotomotiv: Viele Pflanzen im Brockengarten finden sich sonst nur in extremen Höhenlagen der Alpen. © dpa
Der bequemste Weg auf den Brocken und zum Brockengarten führt mit der Harzer Schmalspurbahn.
Der bequemste Weg auf den Brocken und zum Brockengarten führt mit der Harzer Schmalspurbahn. © dpa
Nur im Rahmen einer Führung kommen Besucher in den Brockengarten.
Nur im Rahmen einer Führung kommen Besucher in den Brockengarten. © dpa
Rund 1500 Arten aus aller Welt wachsen im Brockengarten am Fuße des Brockenhauses.
Rund 1500 Arten aus aller Welt wachsen im Brockengarten am Fuße des Brockenhauses. © dpa
Die kleine, zartblaue Teufelskralle wächst normalerweise nur in den Alpen in hochgelegenen Felsspalten.
Die kleine, zartblaue Teufelskralle wächst normalerweise nur in den Alpen in hochgelegenen Felsspalten. © dpa
Die gelb-roten Blüten des Brocken-Enzians bilden einen guten Kontrast zum grau-weißen Brockenhaus.
Die gelb-roten Blüten des Brocken-Enzians bilden einen guten Kontrast zum grau-weißen Brockenhaus. © dpa
Die Brockenanemone kommt deutschlandweit nur auf dem höchsten Berg des Harzes vor.
Die Brockenanemone kommt deutschlandweit nur auf dem höchsten Berg des Harzes vor. © dpa
Wer nicht mit der Schmalspurbahn auf den Brocken fährt, wandert auf den höchsten Berg des Harzes.
Wer nicht mit der Schmalspurbahn auf den Brocken fährt, wandert auf den höchsten Berg des Harzes. © dpa
Gunter Karste ist wissenschaftlicher Leiter des Brockengartens.
Gunter Karste ist wissenschaftlicher Leiter des Brockengartens. © dpa
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