Karlsruhe. Manchmal wird es teuer, lange bevor es losgeht. Wie viel Reiseveranstalter bei der Buchung verlangen dürfen, ist nicht einfach zu berechnen.
Wer beim Bäcker einkauft, bekommt die Brötchentüte in dem Moment über die Theke gereicht, in dem er bezahlt. "Leistungsaustausch Zug-um-Zug" nennen Juristen diese gesetzliche Regel. Wer einen Flug bucht oder ein Bahnticket kauft, zahlt dagegen meist sofort, auch wenn er erst in ein paar Monaten verreist. Bei Pauschalreisen hatte sich eine Zwischenlösung eingebürgert: Urlauber mussten bei der Buchung eine Anzahlung leisten. Um die 20 Prozent des Reisepreises waren üblich. Bis der Veranstalter Tui für bestimmte Pauschalreisen 40 Prozent verlangte. Seit 2012 wird vor Gericht darüber gestritten, ob das zu viel ist. Am Dienstag entschied der Bundesgerichtshof (BGH) ein zweites Mal - für Urlauber ging es nicht gut aus. (Az.: X ZR 71/16)
Um was für Reisen geht es?
Es geht um die Marken X1-2-Fly und XTUI. Tui nennt diese Pauschalreisen "dynamisch", weil dabei Hotels mit den zum Zeitpunkt der Buchung günstigsten Flügen kombiniert werden. Nach Angaben des Unternehmens machen diese Reisen etwa zehn Prozent des Angebots aus.
Warum will Tui für diese Reisen eine Anzahlung von 40 Prozent?
Der Veranstalter begründet das damit, dass er für diese Angebote selbst in Vorleistung treten müsse, etwa gegenüber Fluglinien.
Warum ist das für Verbraucher ein Problem?
"Bei einer Reise geht es um hohe Summen. Außerdem bucht man das häufig lange im Voraus, unter Umständen ein Jahr vorher", sagt Rechtsexpertin Kerstin Hoppe vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, der Tui verklagt hat. "Da hat man das Geld vielleicht noch gar nicht zusammen."
Wenn Urlauber in Vorleistung gehen, tragen sie zudem das Risiko, dass der Veranstalter insolvent geht - die Reise also nicht stattfindet und sie ihr Geld nicht zurückbekommen. Allerdings müssen sich Reiseveranstalter versichern für den Fall, dass sie pleitegehen. Das schützt Urlauber.
Ist eine Anzahlung von 40 Prozent zu viel?
Aus Sicht von Verbraucherschützerin Hoppe ist das ein "Extremfall". Die Branche orientiere sich daran nach oben. Schon 20 Prozent seien eine ganze Menge gewesen. Der BGH hatte in seinem ersten Urteil zu dem Fall 2014 entschieden: Ein Anzahlung von mehr als 20 Prozent ist nur in Ordnung, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt. Dafür muss der Reiseveranstalter zumindest darlegen, dass für ihn bei Vertragsschluss Aufwendungen entstehen, die in der Regel so hoch sind, wie die verlangte Anzahlung. (Az.: X ZR 147/13)
Ist das bei den beiden Angeboten von Tui der Fall?
Wahrscheinlich ja, wobei eine endgültige Klärung noch aussteht. Nach dem Urteil dürfen Veranstalter einige Posten bei der Kalkulation der Anzahlungspauschale berücksichtigen - etwa Provisionen für Reisebüros. Das hatte die Vorinstanz noch anders gesehen. Auch Flugkosten dürfen pauschal berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob diese Kosten für jede einzelne Reise des Angebots tatsächlich vorfinanziert werden. Dasselbe gilt für Leistungen gegenüber Hotelbetreibern, es sei denn diese unterscheiden sich erheblich in ihrer Höhe etwa mit Blick auf verschiedene Reiseziele. Das muss nun das Oberlandesgericht Celle klären.
Was halten Verbraucherschützer von dem Urteil?
"Die Rechtslage ist damit eindeutig zulasten der Verbraucher verschlechtert worden", sagt Hoppe vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Provisionen für Reisebüros können bei der Berechnung der Höhe der Anzahlung durchaus zu Buche schlagen." (dpa)