Greifswald.. Der ferne Osten Vorpommerns offenbart Erstaunliches in puncto Natur und Kultur – sogar abseits der großen Touristenströme.
Plötzlich geht Jürgen Henke in die Hocke. Zieht eine kleine Schaufel hervor, bohrt sie in den lockeren Boden und entnimmt eine Ladung Sand. Mit den Fingern siebt er ihn Krümel für Krümel durch – dann präsentiert er hocherfreut seinen Jagderfolg: „Was ihr hier seht, ist ein Ameisenlöwe“, erklärt der Ranger der staunenden Gruppe. Ein gefürchteter Kleintierjäger, der Trichter in den Sand wühlt und geduldig darauf wartet, dass Ameisen und Raupen hineinfallen, um sie sich einzuverleiben. Und – kein Witz: „Um diesen Rutschprozess zu befördern, wirft der Ameisenlöwe sogar mit Sandkörnchen nach seinen Opfern“, sagt Henke.
Unterwegs auf den Binnendünen von Altwarp am Stettiner Haff – nur einen Katzensprung entfernt und in Sichtweite von Polen. Ein Naturraum von ganz besonderer Güte und extremen Kontrasten, wie Henke betont. Für Mitteleuropa einzigartig etwa ist die gewaltige Population der vom Aussterben bedrohten Kerbameise mit 2500 Nestern – da bekommt der Fachmann glänzende Augen. Viele Käfer-, Spinnen- und über 400 Schmetterlingsarten finden auf Trockenrasen und Feuchtwiesen der Binnendünen erstklassige Biotope vor.
Ein schwimmendes Prachtstück
Auch für das Seebad Ueckermünde sollte man sich Zeit nehmen. Das Städtchen an der Mündung der Uecker ins Stettiner Haff punktet mit gut erhaltener Altstadt inklusive vieler Baudenkmäler, dem Stadthafen direkt am Zentrum mit hübscher Promenade und dem Residenz-schloss der pommerschen Herzöge mit sehenswertem Haffmuseum. Und wer mal richtig lecker essen will, geht zu Martin Wünscher in den „Roten Butt“ – der Rehrücken ist ein Gedicht.
Fast vor der Nase hat man dabei ein schwimmendes Prachtstück: die Pommernkogge „U-CRA“. Erbaut wurde das 26 Meter lange Schiff mit dem 240 Quadratmeter Großsegel im benachbarten Torgelow nach historischen Vorbildern – ein 15 Jahre langer Kraftakt für die kleine pommersche Stadt. Für Kapitän Werner Löwe steht das originale Erlebnis im Mittelpunkt aller Aktivitäten: „Wir wollen Geschichte vermitteln und uns möglichst authentisch auf die Spuren der Hanse begeben.“ Im Hafen klappt das schon ganz prächtig. An Projekttagen etwa üben Kinder- und Jugendgruppen an Bord maritime Handgriffe und erfahren allerlei Spannendes aus dem mittelalterlichen Seefahrerdasein. Aktuell warten Käpt’n, Crew und viele Gäste sehnsüchtig auf den finalen Behördenstartschuss, auf dass die „UCRA“ endlich auch in See stechen und auf See schippern darf.
Noch etwas Einmaliges gibt es ein Stück weiter nördlich in den Museen von Freest und Wolgast: Pommersche Fischerteppiche. Als „Perser von der Ostsee“ geadelte und extrem robuste Unikate, deren Markenzeichen es auf Teppichen nie zuvor gab: Wellen, Möwen, Kormorane, Koggen und Anker – Fische in unterschiedlichsten und originellen Kombinationen und Farben.
Teppiche für Liebhaber aus aller Welt
Ihre Geschichte beginnt 1928, als den Fischern der Region durch ein dreijähriges Fangverbot Arbeitslosigkeit und Armut drohen. Auf Initiative des Greifswalder Landrats unterweist der österreichische Textilexperte Rudolf Stundl die ersten 50 Fischer in Web- und Knüpftechniken, lässt spezielle Webstühle bauen, entwirft alle Teppichmotive und kurbelt den Verkauf der ersten Exemplare an. Fortan florieren Produktion und Geschäft – bis zur Wende. Heute knüpft mit Helga Grabow die letzte ihrer Zunft Fischerteppiche für Liebhaber aus aller Welt. Selbst in Amerika und Australien schmücken ihre Stücke Böden und Wände.
Bleibt zum Schluss noch das Haff selbst, und wie könnte man es zünftiger erleben als an Bord eines traditionellen Zeesenbootes. Vom Hafen Mönkebude läuft Käpt’n Alwin Harder täglich mit seiner schmucken „Ghost“ aus zu Törns auf diese ganz spezielle Lagune der Ostsee, die größer ist als der Bodensee und doch immer noch ein Geheimtipp. Harder erklärt, dass die vorgelagerten Inseln Usedom und Wollin das Gewässer fast völlig von der Ostsee trennen. Das macht es zum idealen Revier für Wassersportler, die sich nicht dem oft rauen Wetter auf dem offenen Meer aussetzen wollen. Und nicht zuletzt fasziniert hier die weitgehend unberührte Natur. Die breiten Schilfgürtel am Ufer, in denen sich viele Wasservögel wohlfühlen. Der kreisende Seeadler, die Möwen, die auf den Reusenpfählen der Fischer auf fette Beute lauern. Und die Abendsonne, die sich schlussendlich durch die düstere Wolkenfront bohrt und die Idylle vergoldet – viel friedlicher und schöner kann ein Abend kaum sein.
>>>INFO
Anreise: Mit dem Auto nach Greifswald, ca. 620 Kilometer. Oder mit der Bahn: www.bahn.de
Kontakt: Tourismusverband Vorpommern, 03834/891189,
www.vorpommern.de
Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern,
0381/4030500,
www.auf-nach-mv.de
www.urlaub-am-stettiner-haff.de www.stettinerhaff-tourismus.de