Hannover. Weltweit wächst die Mittelschicht. Von diesem Markt will der Tourismusriese Tui profitieren. Doch vor Gericht drohen zunächst Millionenzahlungen.

Steigende Urlauberzahlen, neue Wachstumspläne und der Abschied von 50 Marken: Der weltgrößte Reisekonzern Tui treibt trotz politischer Krisen seine Expansion voran. Künftig sollen auch Gäste aus klassischen Urlaubsländern am Mittelmeer und aus Asien die Hotels und Clubs des Konzerns bevölkern. "Im Jahr 2022 - in fünf Jahren - erwarten wir dadurch eine Million neue Kunden und eine Milliarde zusätzlichen Umsatz", kündigte Tui-Chef Fritz Joussen am Dienstag vor der Hauptversammlung in Hannover an. Derweil läuft das Sommergeschäft für 2017 für Tui gut an.

Die Tui-Aktie reagierte mit einem Kurssprung auf die Nachrichten. An der Londoner Börse gewann das Papier am Morgen mehr als vier Prozent an Wert und war damit Spitzenreiter im Leitindex FTSE 100.

Doch der Ärger um die massenhaften Flugausfälle bei der deutschen Tuifly vom Oktober liegt dem Vorstand noch im Magen. Dass sich Piloten und Flugbegleiter tagelang reihenweise krank meldeten, kostete Tui bisher mehr als 22 Millionen Euro. In Hannover verhandelte am Dienstag ein Gericht zudem über Entschädigungsklagen betroffener Fluggäste. Das Gericht will am Mittwoch eine Entscheidung verkünden. Sollte die Fluglinie in dem Streit unterliegen, drohen dem Konzern weitere Millionenlasten.

Bei Tui sieht es derzeit gut aus

Trotz der Belastung startete der Reisekonzern mit weniger Verlust ins Geschäftsjahr. Im ersten Quartal von Oktober bis Dezember stand unter dem Strich ein saisontypischer Verlust von knapp 118 Millionen Euro und damit ein Drittel weniger als ein Jahr zuvor. Der Umsatz zog auf vergleichbarer Basis um gut zwei Prozent auf 3,3 Milliarden Euro an. Reiseveranstalter schreiben im Winter in der Regel rote Zahlen. Ihre Gewinne fahren sie in der Hauptreisezeit im Sommer ein.

Dafür sieht es bei Tui derzeit gut aus. Sowohl in der laufenden Wintersaison als auch für den Sommer verzeichnet Tui derzeit vier Prozent mehr Gäste als ein Jahr zuvor.

Dabei wirkt sich auch der geplante Ausstieg Großbritanniens aus der EU aus. Wegen des Wertverlusts der britischen Währung seit dem Brexit-Referendum müsse Tui die Preise für Kunden aus dem Land anheben, wenn sie etwa in Euroländer reisten, gab Joussen zu verstehen. Die Briten hält das bisher nicht vom Reisen ab: "Trotz höherer Preise haben wir mehr Kunden aus Großbritannien." Ähnliches berichtete zuletzt der Rivale Thomas Cook.

Neue Kundengruppen in Asien gewinnen

In den kommenden Jahren will Tui neue Kundengruppen in Asien sowie in Ländern gewinnen, die selbst bisher vor allem als Urlaubsziele gelten. "Bis 2030 wird die globale Mittelschicht zwei Milliarden Menschen mehr zählen", sagte Joussen. Tui will davon profitieren. Zum Konzern gehören etwa die Schifffahrtslinien Tui Cruises und Hapag-Lloyd Kreuzfahrten sowie die Hotelketten Riu und Grupotel sowie die Robinson Clubs.

Um Geld für milliardenschwere Investitionen in neue Hotels und Schiffe zu bekommen, trennt sich Tui von Bereichen, die zu wenige Synergien mit dem restlichen Geschäft bieten. So gab der Konzern am Montag den Verkauf seiner Spezialreisesparte Travelopia mit mehr als 50 Veranstaltermarken bekannt. Der Bereich soll für 325 Millionen Britische Pfund (381 Mio Euro) an den Finanzinvestor KKR gehen.

Bei der Hauptversammlung sollten die Tui-Aktionäre unter anderem eine höhere Dividende für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr 2015/16 beschließen. Sie soll von 56 auf 63 Cent steigen. (dpa)