Hannover. Besatzung meldete sich krank: Für Tausende Tuifly-Reisende fiel 2016 der Herbsturlaub aus. Jetzt ziehen die ersten Kunden vor Gericht.
Der Herbsturlaub ist für Tausende Kunden der Fluggesellschaft Tuifly vergangenes Jahr ausgefallen: Rund eine Woche lang kämpfte das Unternehmen mit massiven Flugausfällen, weil sich die Besatzungen reihenweise krankmeldeten. Für die entgangene Urlaubserholung will Tuifly den Kunden bisher keine Entschädigungen zahlen, lediglich der Reisepreis wurde erstattet. Nun werden die ersten Entscheidungen erwartet, ob das Unternehmen mit dieser Linie durchkommt.
Viele Betroffene reichten Klage ein, beim Amtsgericht Hannover sind bereits mehr als 600 Zivilverfahren anhängig. An diesem Dienstag (14. Februar) werden einige der ersten Klagen verhandelt. Unter anderem will eine fünfköpfige Familie 4000 Euro auf Basis der EU-Fluggastrechteverordnung, weil sie nach eigenen Angaben erst am Flughafen Düsseldorf erfuhr, dass der Flug nach Kos und auch der Rückflug storniert wurden. Eine Entscheidung in dem Verfahren könnte noch am selben Tag oder etwa drei Wochen später verkündet werden, sagte Richterin Catharina Erps.
Bevor es zu der ungewöhnlichen Häufung von Krankmeldungen kam, war bekanntgeworden, dass Tuifly zusammen mit der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki in eine neue Dachgesellschaft unter Führung der arabischen Fluglinie Etihad integriert werden soll. Arbeitnehmervertreter befürchteten daraufhin Job-Verluste.
Unklare Rechtslage
Das Unternehmen beruft sich nach Gerichtsangaben darauf, dass die hohe Zahl an Krankmeldungen ein wilder Streik war. Um welche Schadenssummen es für das Unternehmen geht, ist unklar, Tuifly will dazu keine Angaben machen. Die Gesellschaft argumentiert damit, dass die massenhaften Krankmeldungen ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von höherer Gewalt gewesen seien. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind Fluggesellschaften bei einem Streik zwar von Entschädigungszahlungen befreit. Ob die Krankmeldungen als Streik aufzufassen sind, ist rechtlich aber strittig.
Wie die Richter entscheiden, ist völlig offen. Reiserechtler glauben, dass Tui eher schlechte Karten hat, Ausgleichszahlungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu verweigern.
Bei einer mehr als dreistündigen Flugverspätung haben Reisende je nach Flugstrecke Anspruch auf eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro, wenn die Fluggesellschaft für die Verspätung verantwortlich ist. Wer gar nicht fliegen kann, obwohl er pünktlich am Abfertigungsschalter war, hat Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro pro Person.
Konzernchef sichert Entschädigungen zu
Bis es eine endgültige Entscheidung gibt, kann es aber dauern. Gegen die Entscheidungen eines Amtsgerichtes in erster Instanz kann die unterlegene Partei Berufung einlegen, wenn der Streitwert höher als 600 Euro ist.
Tuifly hatte im Streit um die Zukunft des Unternehmens schließlich eingelenkt und war den Forderungen der Arbeitnehmer mit einer mindestens dreijährigen Standort- und Tarifgarantie entgegengekommen.
Anfang Dezember hatte Tui-Sprecher Kuzey Esener mitgeteilt, eine vergleichbare Ausnahmesituation wie im Oktober habe es in Deutschland noch nie gegeben. "Es handelte sich um außergewöhnliche Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs unserer Fluggesellschaft lagen. Für eine solche unvorhersehbare Situation kann die Fluggesellschaft keine Vorsorge treffen." Tui-Konzernchef Fritz Joussen sagte zwar: "Natürlich werden die Passagiere gemäß den gesetzlichen Vorgaben entschädigt." Er ließ aber offen, was dies konkret bedeutet. (dpa)