Marrakesch ist eine Herausforderung für Radfahrer. Cantal aus Holland hat sich trotzdem vorgenommen, die Marokkaner wieder aufs Rad zu bringen.
Angenehme 24 Grad, blauer Himmel über Palmen und in der Ferne die schneebedeckten Berge des Hohen Atlas. Ob die Politiker aus aller Herren Länder, die im November beim Weltklimagipfel in Marrakesch um die Zukunft unseres Planeten gerungen haben, wohl einen Blick für die Schönheiten übrig hatten? Längst schon ist die Karawane der Umwelt-Entscheider weitergezogen. Cantal bleibt. Die junge Holländerin hat in der Medina ein Fahrradprojekt für Jugendliche aufgezogen. Gerade sind 300 Räder auf dem Seeweg nach Marokko. Alte Fietsen, die ihre Landsleute in den fernen Niederlanden ausrangiert haben. Cantal und acht ebenfalls ehrenamtlich tätige Mitstreiter von „Pikala“ stellen die Räder Schulen kostenlos zur Verfügung. „Fahrräder sind umweltfreundlich. Und sie sind billig, jeder Marokkaner kann sich ein Rad leisten“, sagt die Holländerin aus Den Haag. Sie will, dass die Einheimischen das Rad wieder entdecken.
Mit den Kolonialherren verschwanden auch die Räder
Zur Kolonialzeit, als Marrakesch zu Französisch-Marokko gehörte, wurde hier schon mal geradelt. Mit dem Abzug der Kolonialherren 1956 verschwanden die meisten Räder gleich mit. Die Bevölkerung wollte sich von allem, was die Franzosen eingeführt hatten, distanzieren. Das Pikala-Team zeigt Jugendlichen, wie man Fahrräder repariert, bringt ihnen bei, worauf man beim Radeln im Straßenverkehr achten sollte. In Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule werden Räder gestylt, die Studenten haben hübsche Fahrradkörbe und witzige Klingeln entworfen. Cantal hofft nicht zuletzt, mit dem Projekt neue Jobs zu schaffen. Über die Webseite www.pikalabikes.com kann man für fünf Euro am Tag Räder mieten. Demnächst will Cantal Touren organisieren, auf denen Touristen zusammen mit Jugendlichen die Stadt entdecken können. „Vielleicht wird Marrakesch ja die erste Fahrradstadt Afrikas“, sagt sie lachend.
Das Gelände würde passen, denn das Stadtgebiet ist flach. Fahrradwege sind dagegen eine Seltenheit. Wer sich ins Verkehrs-Getümmel wagt, braucht starke Nerven. Man begegnet Einheimischen, die mit einem Affenzahn durch die engen Gassen der Souks radeln, manche gar mit zig Paletten von Eiern auf den Knien, die sie offenbar auf schnellstem Wege in einer der Garküchen abliefern müssen.
In den Souks von Marrakesch gibt es nichts, was es nicht gibt: Echte Hühner und gefälschte Louis-Vuitton-Täschchen, Tücher und Teppiche, Gewürze und Geschmeide – eine arge Geduldsprobe für so manchen Mann. Um überhaupt voranzukommen, hilft nur eins: So desinteressiert wie möglich ausschauen und allenfalls diskret nach den Waren schielen, ansonsten wird man in das nächste Verkaufsgespräch verwickelt.
Raus dem Großstadtgewusel, rein in die Gärten
Zentrum des ganzen Gewusels ist der zentrale Place Djemaa el Fna, eine große Bühne für Schlangenbeschwörer, Affenbändiger, Gaukler und Märchenerzähler, die von erstaunlich vielen Jugendlichen umringt sind. Ergänzt wird das Durcheinander von knatternden Mopeds, Eselskarren und fliegenden Händlern. Mohamed, unser Reiseführer in Marrakesch, rät übrigens dringend dazu, vorher nach dem Honorar zu fragen, falls man vorhat, einen Schlangenbeschwörer bei der Arbeit zu fotografieren. Andernfalls könnte der Mann mit der Natter im Nachhinein unverschämte Geldforderungen stellen.
Marrakesch ist neben Fès, Meknès und Rabat eine der vier Königsstädte Marokkos. Die jeweiligen Herrscher, die in diesen Städten residierten, gaben prachtvolle Gebäude und Gärten in Auftrag, in Marrakesch zum Beispiel den Baia-Palast, die Ben Yousef Moschee und die Menara-Gärten.
Ein ganz besonderer Garten wurde erst im vergangenen Jahr eröffnet. „Anima – le retour du paradis“ hat André Heller sein grünes Paradies im Ourika-Tal, 30 Kilometer außerhalb von Marrakesch, genannt. Am Fuß des Atlasgebirges schuf der österreichische Allround-Künstler auf dem Gelände einer Rosenplantage, die seit acht Jahren brach lag, einen wunderbaren Rückzugsort.
Ein grünes Paradies auf staubigem Acker
Zu seinem 60. Geburtstag hatte sich Marokko-Fan Heller dazu entschlossen. Als die Arbeiten 2007 begannen, war hier nichts als staubiger Acker, jetzt wachsen Palmen, Bananenstauden, Kakteen und Bougainvillea zwischen fantasievollen Skulpturen. Zwischen den geringelten Pyramiden, die aussehen wie die Gewürzkegel in den Souks, neben der Arche Noah, die an die Flüchtlingskatastrophe auf dem afrikanischen Kontinent erinnern soll, und zu Füßen der riesigen afrikanischen Maske aus Glasmosaiken, die beim Ausatmen einen feinen Sprühnebel verbreitet.
Gregor Weiss, Hellers Statthalter vor Ort, übrigens keineswegs studierter Gartenbau-Architekt, sondern Politologe, erzählt von abenteuerlichen Pflanzentransporten. Baumschulen gibt es in Marokko nämlich nicht, kaufen kann man allenfalls Bäumchen, etwa schultergroß, aber keine ausgewachsenen Exemplare. Also suchten er und seine Mitarbeiter alle Pflanzen mühsam zusammen. Hochhaushohe Palmen wurden mitten in der Nacht auf Tiefladern über Schleichwege von der Küste in den Park gekarrt. Einen gigantischen Kaktus rettete Weiss vor dem Abrissbagger im Innenhof eines Riads. Vor Ort mussten die Gärtner, 40 einheimische Männer, dann dafür sorgen, dass die Pflanzen tatsächlich Wurzeln schlugen.
„Wir haben viel gelernt“, sagt Gregor Weiss salomonisch. Dabei ist er sichtlich stolz auf die hohe Erfolgsrate. Die meisten Pflanzen sind übrigens durch Frostschäden eingegangen. „Immerhin sind wir hier auf 750 Metern, so hoch wie Kitzbühel.“ Da sinkt die Temperatur auch schon mal unter den Gefrierpunkt, was Bananenstauden überhaupt nicht mögen.
Frost in Marrakesch – nur schwer vorstellbar beim Frühstück unter Palmen.
>>>Info
■Anreise: Ab Weeze mit Ryanair (www.ryanair.com) oder ab Frankfurt mit Lufthansa (www.lufthansa.com) nach Marrakesch.
■Einreise: Mit Reisepass
■Veranstalter: FTI (www.fti.de) bietet eine Woche im Riad Les Jardin de la Medina (DZ/F) ab 571 Euro pro Person (inkl. Flüge ab/nach Düsseldorf) oder eine Woche im Mövenpick Hotel Mansour Eddahbi & Palais des Congres Marrakech (DZ/HP) ab 799 Euro pro Person (inkl. Flüge ab/nach Köln-Bonn).
■Kontakt: Marokkanisches Fremdenverkehrsamt www.visitmorocco.com