Frankfurt/Main. Die Türkei-Krise hinterlässt tiefe Kratzer in der Tourismus-Bilanz. Auch der deutsche Reisemarkt schrumpft. Bringt das neue Jahr die Wende?

Urlaub bei Verwandten oder in Spanien statt in der Türkei: Anschläge in beliebten Tourismusregionen und die Krise am Bosporus haben das Reiseverhalten der Bundesbürger verändert.

Erstmals seit Jahren schrumpft der deutsche Reisemarkt. Weltweit hatte es einen massiven Rückgang zuletzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 gegeben. Die Buchungen für die schönsten Wochen des kommenden Jahres lassen die Branche aber Hoffnung schöpfen.

Gute Vorzeichen für das Sommergeschäft

Die Konsumforscher von der Nürnberger GfK sehen in den aktuellen Zahlen für das wichtige Sommergeschäft eine "vielversprechende Tendenz". Für verlässliche Prognosen sei es zwar noch zu früh, die Vorzeichen seien aber recht gut. Einschließlich November verzeichnen die Reisebüros ein Plus von 9 Prozent. Vor einem Jahr lagen die Buchungen für die Sommersaison noch 5 Prozent im Minus, wie aus der monatlichen Auswertung der GfK für die Fachzeitschrift "fvw" hervorgeht.

"Die Menschen werden immer noch in den Urlaub fahren, sie ändern nur die Urlaubsart und die Destinationen. Sie fahren an Orte, die sie als sicher wahrnehmen", sagt Paco Buerbaum, Chef des Forschungsinstituts IPK International, voraus.

Dazu zählten 2016 auch Besuche bei Verwandten und Freunden - ein Geschäft, das an den Urlaubsprofis vorbeigeht. Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) stieg die Zahl dieser Besuche um zwei Prozent, während die Tages- und Übernachtungstrips insgesamt leicht um 0,3 Prozent sanken. Reisende in Europa hätten die Sicherheit einer privaten Unterkunft einer gewerblichen Unterkunftsart vorgezogen, vermutet Buerbaum.

Anschläge und Krisen erschüttern die Touristik

Zwar boomten 2016 Spanien, Italien oder Deutschland. Doch die Bundesbürger mieden die Türkei, Ägypten und Tunesien - das hinterließ deutliche Spuren. Der Umsatz der Reiseveranstalter in Deutschland sank nach ersten Berechnungen des Branchenverbandes DRV um drei bis vier Prozent auf etwa 26,3 Milliarden Euro. Anschläge und Krisen hätten die Welt und die Touristik erschüttert, fasst DRV-Präsident Norbert Fiebig das Jahr zusammen. "Ein Jahr Wachstum hat der Reisevertrieb praktisch verloren", erläutern die GfK-Konsumforscher.

Deutliche Kratzer in der Bilanz hinterließ die Türkei-Krise bei Europas zweitgrößtem Reiseveranstalter Thomas Cook, der in Deutschland Marktführer für Reisen in das Land am Bosporus ist. Im abgelaufenen Geschäftsjahr verdiente Thomas Cook unterm Strich neun Millionen Pfund und damit nur knapp halb so viel wie ein Jahr zuvor.

Die Aussichten für Türkei-Reisen schienen auch für 2017 gedämpft - schon vor den jüngsten Anschlägen in dem Land, bei denen es erneut Tote gab. "Die kurzfristigen Buchungen liegen teils über dem Vorjahresniveau. Unser Problem sind die längerfristigen Buchungen", sagte die Deutschland-Chefin von Thomas Cook, Stefanie Berk, jüngst der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit Blick auf die Türkei.

Trendwende im Ägypten-Geschäft

Auch Europas Branchenprimus Tui bekam die Turbulenzen nach Anschlägen und dem gescheiterten Militärputsch in dem bei Bundesbürgern einst so beliebten Reiseland am Bosporus zu spüren. "Wir hatten insgesamt mehr Kunden als im Vorjahr, aber eine Million weniger in der Türkei", berichtete Tui-Chef Fritz Joussen bei der Vorlage der Bilanz.

Immerhin im Ägypten-Geschäft deutet sich eine Trendwende an. Viele Veranstalter haben dem DRV zufolge ihr Angebot für das Land am Nil wieder ausgebaut. Sie hoffen, dass die Nachfrage anzieht. "Erste Tendenzen in diese Richtung sind erkennbar", sagt Fiebig.

Eine sichere Bank scheint weiterhin Spanien zu sein. Die Buchungen für die Kanaren und Balearen ziehen dem DRV zufolge weiter an - besonders für die Osterferien. (dpa)