Bonndorf. Die Wutachschlucht gilt als “Grand Canyon des Schwarzwaldes“. Wutach-Ranger Martin Schwenninger führt dort Tourismus und Naturschutz zusammen.
Martin Schwenninger kennt in der weit verzweigten Schlucht im Schwarzwald fast jede Ecke und jeden Winkel. Dennoch entdeckt er immer wieder Neues. "Die Schlucht mit ihrer unbändigen Naturgewalt und ihrer einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt verändert sich ständig", sagt er. Der 58-Jährige Schwenninger ist Wutach-Ranger. In der Wutachschlucht, dem "Grand Canyon des Schwarzwaldes", soll er Tourismus und Naturschutz unter einen Hut bringen. "Mein Job ist schnell erklärt: Ich bin der Hüter der Wutachschlucht", sagt Schwenninger. 60.000 bis 80.000 Menschen kommen jedes Jahr in die Schlucht bei Bonndorf, die seit 1939 unter Naturschutz steht und ein beliebtes Ausflugsziel im Südwesten ist. Sie treffen auf eine einzigartige unberührte Natur, auf hochaufragende Felsen, rauschende Wasserfälle, auf seltene Blumen und mehr als 500 Schmetterlingsarten. Der Biber hat hier seine Heimat und sein Rückzugsgebiet, ebenso seltene Vögel, Käfer und andere Tiere.
Hinzu zu kommt - vor allem in den Sommermonaten und in der Wandersaison im Herbst - der Mensch. Schwenninger soll den Konflikt zwischen Naturschutz und Tourismus lösen. 2004 wurde die Stelle des staatlichen Rangers geschaffen, Schwenninger hat sie übernommen. Der Landwirtssohn und gelernte Förster kennt das Gebiet: Er stammt aus dem nahen Bonndorf im Schwarzwald, ist hier geboren und aufgewachsen. In der engen Schlucht war er schon als Kind. Sie diente ihm als Abenteuerspielplatz. Doch damals, sagt er, sei das Wasser eine dreckige Brühe gewesen. Das Abwasser einer Papierfabrik verschmutzte es, machte alles Leben darin zunichte. Baden streng verboten.
"Das Wasser ist die Lebensader der Schlucht", sagt der Ranger aus dem Schwarzwald. Heute ist es so sauber, das es wieder Bachforellen gibt: "Das habe ich mir damals nicht vorstellen können." An der Schlucht zeige sich, wie sich das Verhältnis der Menschen zur Natur verändert habe - und welchen Stellenwert Umweltschutz heute hat.
Natur wird zum Unterrichtsraum
Schon nach wenigen Minuten wird der Fußmarsch des Rangers gestoppt. Schwenninger, bekleidet mit grüner Försterjacke, wird von Urlaubern aus dem Rheinland erkannt. Sie haben ihn im Fernsehen gesehen und holen sich gleich Rat, welcher Weg am besten ist, wo sich eine Rast lohnt und wie das Wetter wird. Der Ranger versteht sich als Dienstleister. Und er wirbt darum, auf die Natur zu achten. "Es geht nicht darum, den Zeigefinger zu erheben, sondern aufzuklären und Verständnis zu wecken." Damit stoße er auf gute Resonanz: "Die Besucher hier verhalten sich überwiegend vorbildlich." Das Miteinander von Mensch und Umwelt funktioniere.
Die Wutachschlucht
Eigentlich heißt der Job staatlicher, hauptamtlicher Naturschutzbeauftragter. Doch alle nennen ihn Ranger. Schwenninger freut sich, dass Menschen in die Schlucht kommen, der allgemeine Trend zu Freizeitaktivitäten in der Natur ist spürbar. "Nur wenn Menschen die Natur direkt erleben, werden sie Natur auch schützen", sagt er: "Wer einen Bezug dazu hat, der erkennt den Wert."
Wer nie in der Natur sei, könne für den Schutz der Erde nicht gewonnen werden. Deshalb führt er Besuchergruppen durch die Schlucht und macht für Schulklassen die Natur zum Unterrichtsraum. Er entwickelt Konzepte zur Besucherlenkung und Touristenförderung. Und gibt über Twitter aktuelle Informationen für Besucher, zum Beispiel wie der Zustand der Wege ist und auf was sie achten müssen.
Gutes Schuhwerk und Kondition sind wichtig
Im Gegensatz zu Rangern in US-Nationalparks, die mit großer Autorität und weitreichenden Befugnissen auftreten, gibt sich Schwenninger bescheiden. Deutschlandweit gibt es den Angaben zufolge rund 100 solcher Ranger, die meisten Stellen wurden in den vergangenen Jahren geschaffen, von den Naturschutzgebieten im Osten bis in den Süden, von Westen nach Osten.
Das Amt habe sich bewährt, sagt Schwenningers Vorgesetzter, der Waldshuter Landrat Martin Kistler: "Es ist gelungen, Naturschutz und den Wunsch der Menschen, hier unterwegs zu sein, zu verbinden." Einfach ist das nicht immer, so besteht beim Wandern in der Schlucht Unfallgefahr, warnt Lothar Schmidt, Chef der Bergwacht Wutach. Gutes Schuhwerk und ausreichend Kondition seien wichtig.
Für den Ranger ist die Schlucht wie ein zweites Zuhause. Obwohl er einen Beruf für und mit der Natur hat, verbringt er viel Zeit daheim im Büro am Schreibtisch. Das muss er auch, wenn er in Kontakt bleiben will: In der Schlucht gibt es kein Handynetz. (dpa)