Nichts für Turnschlappen-Träger: Der Schluchtensteig richtet sich an ambitionierte Wanderer.

Es ist schwül, die Luft steht. Der Boden ist durch den Regen der vergangenen Tage aufgeweicht. Links recken sich steile Felswände empor, rechts rauscht friedlich die Wutach in ihrem Bett. Kaum zu glauben, dass sie sich bei Hochwasser in einen reißenden Fluss verwandelt.

Wir waten auf schmalen Pfaden durch Morast, an umgestürzten Bäumen, moosigen Felswänden, Farnen und üppig grünen Büschen vorbei. Feine Spinnweben kitzeln an den Armen. Ein Gefühl wie in einem tropischen Urwald. So ähnlich könnte es in Neuseeland auf dem Milford Track aussehen. Da muss man sich allerdings für eine viertägige Trekking-Tour Monate zuvor anmelden. Der Wanderer auf dem Schluchtensteig braucht dafür keine Anmeldung, von Wartezeiten ganz zu schweigen.

INFO

Schluchtensteig

Lage: Dieser „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland” führt von Stühlingen bis Wehr. Er ist ausgeschildert, die Karte „Schluchtensteig Schwarzwald” (ISBN 978-3-89920-447-6, 4,95 Euro) ist jedoch empfehlenswert. Er lässt sich problemlos auch in einzelnen Etappen mit öffentlichen Verkehrsmitteln erwandern. Die Tagesetappen sind zwischen 18 und 26 km lang.

Kontakt: Die Schwarzwald Tourismus GmbH bietet eine Pauschale „Wandern ohne Gepäck“ an: 07721/84 64 10www.schluchtensteig.de

Auf den 118 Kilometern von Stühlingen bis Wehr darf sich der Schwarzwald von seiner wilden Seite zeigen: Enge Pfade verlaufen entlang Felskanten in Schwindel erregender Höhe, Steigen und Leitern führen über Abgründe und Wildbäche, es geht zu Wasserfällen und durch Urwälder. Ambitionierte Wanderer mit Kondition und Schwindelfreiheit kommen auf sieben Etappen voll auf ihre Kosten: Der Schluchtensteig ist nichts für schwache Nerven und erst recht nichts für Sonntagsausflügler in Turnschlappen.

Auf Stegen und Leitern in eine wunderbare Welt

Wir sind schon auf unserer dritten Tagesetappe, da läuft der Steig zur Höchstform auf. Nach dem Frühstück in Bonndorf fahren wir mit dem Bus bis Schattenmühle zum Einstieg in die Lothenbachklamm. Stege und Leitern führen uns in eine wunderbare Welt: Die Klamm ist zwar nur 1,5 Kilometer lang, klotzt aber auf jedem Meter mit ihrer wilden Schönheit, bis der Wanderer bei der Schattenmühle wieder auf den Schluchtensteig trifft.

Steil geht es den Waldhang hinauf, wir lassen die Schlucht hinter uns, wandern durch Wiesen und Kornfelder, bis sich erneut der Wald auftut und uns zurück zur Schlucht führt. Als idealer Rastplatz bietet sich das Räuberschlössle an, eine ehemalige Burgfeste. Auf dem 80 Meter hohen Felsen über der Wutachschlucht wähnen wir uns in einem Adlerhorst.

Einst stand hier die Burg Neublumegg, die von den Herren von Blumegg im 14. Jahrhundert errichtet wurde. Während des Bauernkrieges wurde sie zerstört. Die Ruine diente fortan Schmugglern und Gesindel als Schlupfwinkel.

Weiter geht es, vorbei an den tosenden Staustufen des Flusskraftwerks Stallegg, einer der ältesten Anlagen in Baden. Apropos Tosen: Wenn der Steg über den Rötenbach erreicht ist, sollte man einen Abstecher in die Rötenbachklamm zum Wasserfall machen - es lohnt sich. Zuviel Kräfte darf man allerdings nicht verschwenden: In der Haslachklamm klettert der Schluchtensteig hinauf zum Rechenfelsen, dann weiter zum Hölllochfelsen. Wer ins Lenzberg nicht mehr kann, sollte einkehren.

Am Horizont die Alpen

Auf der vierten Etappe lassen wir die Schlucht hinter uns. Es geht zum höchsten Punkt: In 1134 Metern Höhe genießen wir den Ausblick vom Bildstein. Unter uns glitzert der Schluchsee, auf dem Feldberggipfel trotzen einige Schneereste der Sonne, am Horizont zeichnen sich die Alpen ab.

In Serpentinen geht es bergab. Entlang des Schluchsees sind wir in unseren Wanderstiefeln und Rucksäcken Exoten. Neben uns trotten Spaziergänger in Sandalen auf dem Weg ins nächste Gasthaus. Auf der anderen Seeseite steigt der Weg Richtung Muchenland an. Der Weg ist breit, die Sonne heiß, endlos geht es bergauf bis wir die Windbergschlucht und dann St. Blasien erreichen.

St. Blasien liegt im Tal. Der Lehenkopf auf 1039 Meter. Und da müssen wir hin. Es bleibt uns nicht erspart, zur Freude der Schnaken, die sich auf unserer salzigen Haut niederlassen. Landschaftlich zählt der fünfte Wandertag zu den schönsten Abschnitten, und das ganz ohne Schlucht. Schmale Waldpfade führen uns auf die Hochweiden von Ibach: Postkartenidylle mit grasenden Kühen und Kälbern vor Alpenpanorama. Aber Achtung: Mit den freilaufenden Bullen ist nicht zu spaßen.

Auf der Schlussetappe nach Wehr zeigt uns der Schluchtensteig noch einmal seine Zähne. Der Pfad hängt wie ein dünner Faden in der Felslandschaft des Wehratals. Aus dem Tal dröhnt dumpf das Aufheulen beschleunigender Motorräder zu uns herauf. Unser Weg ist steil und steinig. Und das ist auch gut so. Nach sechs Tagen der Entschleunigung haben wir es nicht eilig, nach Wehr zu kommen.