Essen. Israel ist ein geschichtsträchtiges Land. Und obwohl es sich heute sehr modern zeigt, kann vielerorts die Vergangenheit hautnah erlebt werden.

Vor Jahren war Jakob, Sohn des Isaak, vor seinem Bruder Esau geflohen, den er – mit einem Teller Linsen – um Erstgeburtsrecht und -segen betrogen hatte. In der Hoffnung, sich versöhnen zu können, überrascht ihn auf dem Heimweg ein Mann. Jakob ringt mit ihm am Fluss Jabbok, erbittet am Ende seinen Segen, ahnend, dass der Mann nicht von dieser Welt ist. Und der Fremde sagt: „Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel. Denn du hast mit Gott gerungen.“

Israel. Es ist das erste Mal, dass dieser Name in der Bibel auftaucht, im 1. Buch Mose. Das von Gott erwählte Volk wird diesen Namen tragen: Gottesstreiter, so eine mögliche Übersetzung. Die Geschichte Israels dauert an – bis hinein in den heutigen Staat, der mittlerweile drei monotheistische Religionen beheimatet. Es wird gestritten – vielleicht für Gott, vielleicht mit Gott. Vor allem aber um Gott und die Frage, wer ihn besser verstanden hat: Judentum, Christentum oder der Islam.

Wo die Geschichten der Bibel lebendig werden

Israel ist eines der spannendsten Länder, die man bereisen kann. Natürlich ist das Land auf unterschiedliche Weise erlebbar. Israel ist bunt, lebt im Hier und Jetzt. Wer sich aber von der Geschichte einfangen lässt, kann erleben, wie die Vergangenheit in beispiellosem Maße Gegenwart und Zukunft beeinflusst.

Gerade in Jerusalem. Spiritueller Mittelpunkt für Milliarden von Menschen. Es ist die Stadt Davids und Zentrum des Landes, das Gott den Juden einst gegeben hat. Die Stadt, in der Jesus gekreuzigt und auferstanden und Mohammed auf seine Himmelsreise gegangen sein soll. Jerusalem ist Juden, Christen und Moslems heilig, und fordert viel Toleranz ein. Zu viel, wie es manchmal scheint.

Jerusalem lässt einen nicht kalt. Wer sich vom Toten Meer kommend der Stadt nähert, den Checkpoint passiert und dann in den Har HaTzofim Tunnel einfährt, muss sich auf etwas gefasst machen – und am Tunnelausgang nach links schauen. Dann liegt einem Jerusalem zu Füßen: Der erste Blick auf die Altstadt, auf die Grabeskirche, auf den Tempelberg mit der goldenen Kuppel des Felsendoms, wird sich tief einbrennen. Manch‘ einer ist dann am Ziel einer spirituellen Reise. Ihr Anfang lag vielleicht in Galiläa, wo man auf jüdisch-christliche Spuren einschwenkt. Grünes Land, Wirkungsgebiet von Jesus Christus: Am See Genezareth hat er seine ersten Jünger gefunden und Wunder vollbracht, so die Bibel. Es ist eine Region, die sich seit 2000 Jahren kaum verändert hat. Die Geschichten der Bibel werden lebendig, sagen Pilger.

Ruhe im Zeitalter von Smartphones und Selfies

Wilfried Schroth hilft, das alte Magdala freizulegen. Erst vor wenigen Jahren hat man einen Sensationsfund gemacht: Ein Hotel hatte man bauen wollen, nur läuft in Israel jedes Bauvorhaben Gefahr, von archäologischen Funden gestoppt zu werden. „Wenigstens war es am Ende etwas Wichtiges“, sagt Schroth und lacht: Eine Synagoge aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Für ihn ist es keine Frage, dass man in Magdala auf Jesus’ Spuren wandelt – er verweist auf die antike Handelsroute Via Maris, die einst Ägypten mit Mesopotamien verband und am See Genezareth vorbeiführte. Und: „Wo sonst sollte er Maria Magdalena kennengelernt haben?“ Eben.

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In den Hügeln am Nordwestufer des Sees hat Jesus, so das Neue Testament, die Bergpredigt gehalten und die 5000 gespeist – mit fünf Broten und zwei Fischen. Seine Füße dorthin zu setzen, wo auch Jesus stand, sei „Hilfestellung“ und „Geschenk“ für alle Gläubigen, sagt Pater Matthias, der sich mit seinen Benediktiner-Brüdern um die Pilger kümmert, die zur Brotvermehrungskirche strömen. Ein Stein unter dem Altar wird als die Stelle verehrt, auf die Jesus die Brote und Fische gelegt haben soll. Ihn zu berühren und zu verehren, das geht nur unter Aufsicht, „weil Gläubige gerne auch mit Hammer und Meißel anrücken, um zumindest eines Stückchens habhaft zu werden“, so Pater Matthias fast ein wenig verwundert.

Am „Berg der Seligpreisungen“, dem Ort der Bergpredigt, verrichtet ein Franziskaner-Orden den Dienst an Kirche und Menschen – und der ist manchmal schon fast banal. Es gilt auch für Ruhe zu sorgen im Zeitalter von Smartphones und Selfies, um der Andacht wenigstens eine kleine Chance zu geben. „Viele Menschen aber verlassen weinend diesen Ort, sagen, sie spüren eine Veränderung“, berichten die Franziskanerinnen. Diese Reaktionen der Menschen begegnen einem auch an der Taufstelle von Jesus im heutigen Westjordanland. Wie soll es da erst in Jerusalem werden?

Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung

Ergreifend. Der erste Blick auf Jerusalem hat sich eingebrannt, durch das Damaskus-Tor geht es in die Altstadt. Ein Gang durch das lebendige Treiben des muslimischen Viertels führt auf die Via Dolorosa, die den Kreuzweg nachzeichnet – hin zur Grabeskirche. Hier soll er sein, der Golgota-Felsen: Ort der Kreuzigung und Grablegung. Die Wissenschaft hält dies für möglich, sprechen dafür doch neben einer überlieferten Verehrungs-Tradition auch archäologische Hinweise. Hier stehen Touristen wie Pilger Schlange, um am Grab Jesu zu beten, den Golgota-Felsen zu berühren. Um niederzuknien, in Tränen auszubrechen. Oder um Selfies zu machen. Gefangen nimmt einen diese Atmosphäre trotzdem.

Christen sind am Ziel – und dem Konflikt im Land ganz nah. Wenige Schritte sind es bis auf den Tempelberg, der – obwohl seit 1967 auch Ostjerusalem von Israel kontrolliert wird – unter muslimischer Verwaltung der „Waqf“ steht. Hier hat, so glauben die Muslime, Mohammed seine Himmelsreise angetreten, hier stehen Felsendom und al-Aqsa-Moschee. Beeindruckende Bauwerke. Juden identifizieren den Tempelberg als den Ort, wo Abraham seinen Sohn Isaak Gott zu Ehren opfern wollte. Hier baute König Salomo den ersten Tempel und verwandelte Herodes den zweiten in einen Prachtbau. Geblieben ist den Juden nur eine Stützmauer, die einst dem zweiten Tempel Stabilität verliehen hatte. An der Klagemauer beten sie, feiern Bar Mitzvah. Zettel mit Gebeten und Wünschen verschwinden in den Mauerritzen. Ein wunderbares Erlebnis.

Israel. Tausende Jahre alt ist die Geschichte von Jakob und seinem Kampf am Fluss Jabbok mit Gott. Die Geschichten sind lebendig im Heiligen Land, wo die Menschen um Antworten ringen – und doch miteinander leben! In Jerusalem und am See Genezareth. In Haifa, wo man es vielleicht leichter hat, weil drei Touristen nie da gewesen seien, wie Zehava Koronyo vom Arabisch-Jüdischen Kulturzentrum erklärt: Moses, Jesus und Mohammed.