Rosnoën. Im ehemaligen Bauernhaus seine Großvaters empfängt der Bretone Joël Le Guirriec nun Gäste und führt diese alle zwei Wochen zum Fußfischen.

Nach einem harten Tag auf dem Feld konnte ich schon damals als Bauer noch an der ,Grève du Seillou‘ sehr gut entspannen“, seufzt Joël Le Guirriec und lächelt. Gesagt, getan. So knöpft sich der Bretone auch heute die Jacke zu, steigt in seine kniehohen Gummistiefel, greift Kratzer und Stichel und fährt los zu dem einsamen Strand an der Rade de Brest. Ganz in der Nähe seines Gästehauses in den sanften, grünen Hügeln von Rosnoën auf der Peninsula Crozon.

Typisch bretonisch: Fußfischen

Über der langgezogenen Bucht weht eine leichte Brise, ein paar Möwen ziehen ihre Runden über dem glatten Wasser. Alle zwölf Stunden kippen die Segelboote am Ufer zur Seite, das Wasser zieht sich zurück und gibt die Weite des Wattenmeeres frei. So werden der Schlick abgetragen und Krabben, Muscheln und Krustentiere genährt.

Ein gutes Vierteljahrhundert lang leitete der 62-jährige Joël einen Hof mit einer Menge Kühe. Dann renovierte er das steinerne Bauernhaus seines Großvaters – es entstand ein uriges „Maison d‘hôtes“. Seit zwölf Jahren können die Feriengäste mit ihm etwas typisch Bretonisches unternehmen: Alle zwei Wochen, bei sogenannten „Springtiden“, wenn sich das Meer weit zurückzieht, geht der frühere Milchbauer mit ihnen zum Fußfischen. Beim „Pêche à pied“ suchen sie gemeinsam, was die Flut zurückgelassen hat: Austern, Krustentiere, Messer- und Venusmuscheln, Strandschnecken. Später stehen sie dann an Joëls Gasherd, klönen bei einem Glas Chablis und bereiten den Fang frisch zu.

In der ruhigen Nebensaison wie jetzt geht der humorvolle Franzose jedoch allein ins Watt. Während er die ersten Steine langsam umdreht und nach Strandschnecken Ausschau hält, erzählt Joël: „Schon als kleiner Junge bin ich damals mit meinem Großvater los, da kamen in unsere Ecke noch viel weniger Urlauber.“ Am Strand vergäße er alle Sorgen des Alltags, gibt er zu und blickt lange auf die ruhige Bucht.

Nicht zu viele Austern mitnehmen

Vor der Halbinsel Crozon entspannen mittlerweile jährlich circa 1000 Amateure beim Strandfischen. Was nichtswissende „Fußfischer“ auf keinen Fall machen dürfen, zeigt der Profi später: den umgedrehten Stein nicht wieder in seine ursprüngliche Lage zu bringen – und so die Nahrungskette zu zerstören. „Die Mikroorganismen, von denen die nächst größeren Meerestiere leben, sterben dann ab. Das Ergebnis: ein Nahrungsmangel, der auch die Fische in der gesamten Bucht bedrohen kann.“ Ebenso darf Joël in seiner Region täglich nur sechs Kilo Austern, die „größer als fünf Zentimeter sind“, sammeln. Das gilt für jeden Strandfischer, auch wenn Gäste allein losziehen: nicht zu viele Austern mitnehmen – und vor allem kein Chaos am Strand hinterlassen.

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Zuerst sucht der erfahrene Fischer die länglichen Messermuscheln im Watt. Er weiß eine Methode, wie sie sich schnell zeigen: „Ich schütte Salz in ovale Löcher und warte, bis die Muschel an die Oberfläche kommt. Dann fasse ich sie und warte, bis sich der Muskel zusammenzieht, so kann man sie gut greifen.“

Süß- und Salzwasser fürs Wachstum

Eher handwerkliches Talent brauchen die Strandfischer jedoch bei Austern: Von den Felsen am Strand schlägt Joël die „Huîtres creuses“, die Hohlaustern, mit einem Hammer ab. „Neben dem Gezeitenunterschied benötigen sie auch Süß- und Salzwasser, damit sie ordentlich wachsen“, weiß Joël. Optimal in dieser Bucht an der Westküste der Region: Hier fließen mehrere Flüsse wie auch der größte der Bretagne, die Aulne, zusammen. Deshalb das große Vorkommen der edlen Delikatessen. Ihre extrem harte Schale schützt sie gegen Bakterien – Krebse, Garnelen und Muscheln besitzen diesen Vorteil leider nicht. „Das Wasser überprüft die Küstenwache hier deshalb ziemlich oft“, erklärt Joël.

Immer mehr Hohlaustern, Venus- und Messermuscheln sammeln sich in Joëls Korb. Damit sie auch so richtig schön salzig schmecken, reinigt er sie noch mit Meereswasser. Später in der kuscheligen Bauernküche setzt der Fischer ganz auf Simples: Die Austern richtet er nur mit einer Vinaigrette-Sauce an, verfeinert mit Schalotten, etwas Zitrone, natürlich knusprigem Baguette und typisch bretonisch-salziger Butter. So einfach und doch sehr lecker!