Essen. Wo Norwegian Epic draufsteht, steckt ein amerikanisches Unterhaltungsschiff drin. Viele deutsche Urlauber schreckten bislang die hohen Preise ab.

Plötzlich sind die Pilzköpfe da. Die Überraschung beim mitgrölenden Publikum ist groß, als kurz nach Mitternacht hinter dem launig klimpernden Duo an den zwei Flügeln im Headliners Club auf hoher See Verstärkung auftaucht. „Willkommen Paul, willkommen John“, jubiliert Klavier-Einpeitscher Mike ins Mikro. „Ladies and Gentleman, ein Applaus für die Beatles.“

Die standen eben noch im Nachbau ihres legendären Liverpooler Cavern Clubs auf der Bühne. Und sollten sich jetzt eigentlich zum Feierabend in ihre Kabine auf dem Kreuzfahrt-Riesen Norwegian Epic verabschieden. Nichts da, eine spontane Extra-Einlage mit den ziemlich unterhaltsamen Flügel-Jungs von „Howl at the moon“ ist immer noch drin. Und die Gäste jubeln der spontanen Verlängerung auf hoher See zu. The Show must go on.

US-Amerikaner wollen was erleben – immer

Wo Norwegian Epic draufsteht, steckt ein amerikanisches Unterhaltungsschiff drin. Die über 4000 Passagiere auf dem Mittelmeer-Riesen, dem viertgrößten Kreuzfahrtschiff der Welt, sind vor allem US-Amerikaner. Und die wollen, so steckt es wohl in ihren Genen, immer was erleben. Egal, ob auf dem Schiff. Oder an Land. Irgendwo ist immer was los. So wollen, so mögen es die US-Amerikaner, die alles „Wonderful“ finden.

Wer den Zeremonien-Meister dieses durchorganisierten Dauerprogramms sucht, landet unweigerlich bei Pedro Serra. Denn der Cruise-Direktor aus Portugal ist immer überall und wäre beim Hase-und-Igel-Spiel ideale Besetzung für den stacheligen Dauersieger. Pedro Serra begrüßt morgens beim üppigen Büffet-Frühstück seine Gäste. Er wartet mittags an der längsten Wasserrutsche auf einem Kreuzfahrtschiff, flaniert nachmittags durch die schiffseigene Boutiquen-Meile samt Atelier für Kunstauktionen, lächelt abends am Eingang der Shows und wünscht, wenn es Nacht wird, noch den Glücksspielern im 1200 Quadratmeter großen Casino auf See alles Gute.

Dann? Ab in die Disco. Zwischendurch ist er bestimmt noch kurz im Schiff-im-Schiff-Suitenkomplex „The Haven“. Auf den zwei privaten Decks 16 und 17 gibt es einen exklusiven Bereich mit Suiten, Penthouses, Villen und Studios sowie exklusiven Bereichen zum Schwimmen, Genießen und Essen. Die erste Klasse des erst 2015 renovierten Kreuzfahrt-Riesen. Eine geschlossene Gesellschaft.

Spezielles All-Inclusive-Konzept für Deutsche

So viel Programm auf den zwölf bespielten Decks der 330 Meter langen Norwegian Epic hat allerdings, abseits des im Wesentlichen inkludierten Essens, seinen Preis. Die sechs Bowling-Bahnen werden nach Stunden abgerechnet. Bei der W-Lan-Nutzung werden aus Minuten schwungvoll Dollar. Saunieren im fast 3000 Quadratmeter großen Wellness-und-Fitness-Bereich auf Deck 14? 49 Dollar für eine Tageskarte, sagt die junge Beauty-Assistentin aus Jamaika. Wer abends hinter den Blickfang der sehenswerten Eis-Bar schauen will, muss den Mindestverzehr als Eintritt zahlen, für eine Flasche Bier wird das Bordkonto mit 8,32 Dollar belastet. Alles hat hier seinen Preis, was die US-Amerikaner wenig stört.

Die Deutschen aber, die immer häufiger zur See fahren, im Buchungsschwung erheblich bremst. Deshalb hat die Norwegian Cruise Line reagiert. „Urlaub, bei dem sie sich keinen Kopf machen müssen“, heißt das Motto des All-Inclusive-Konzepts. Mein Schiff und Aida lassen grüßen. „Wir haben im deutschsprachigen Markt eine entsprechende Nachfrage beobachtet, wir sind am Puls der Zeit“, erklärt Christian Böll, Managing Director des Unternehmens. Neben Bier und Wein sind verschiedene Cocktails und Kaffeespezialitäten sowie Softdrinks im Angebot enthalten. Und die Trinkgelder, die bei Amerikanern mit fast 20 Prozent plus Steuern großzügig veranschlagt werden und somit ein Kostenfaktor sind. Mit diesen reduzierten Nebenkosten lassen sich die Reise und das Programm an Bord spürbar angenehmer genießen.

Im Spiegelzelt ist Gänsehaut garantiert

Besonders sehenswert: Das frisch inszenierte Broadway-Transvestiten-Musical „Priscilla – Queen of Desert“, die „Burn the Floor“-Tanzshow und das zeitlos atemberaubende Variete-Dinner „Cirque Dreams“ im Spiegelzelt. Hier ist Gänsehaut garantiert.

Bei so viel Programm auf dem Schiff fragt sich mancher US-Amerikaner, wann er noch die Zeit für die Landgänge haben soll. Dabei lohnen die sich bei der siebentägigen Mittelmeer-Tour (es gibt auch andere Optionen) besonders. Nach dem Start in Civitavecchia, dem Seehafen von Rom, ist Livorno der erste Halt. Ein hässlicher Hafen, aber eine schöne überschaubare Altstadt mit vielen Cafes. Eine Stadt und ein Land weiter folgt Cannes. Flanieren an der herrlichen Cote d’Azur ist zu jeder Jahreszeit ein Genuss, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist.

Die haben die Passagiere dann auch beim Halt auf Mallorca. Für den Ballermann-Besuch reicht es nicht, aber für die sehenswerte Kathedrale der Inselhauptstadt Palma sowie einen Spaziergang durch die verkehrsberuhigten wie malerischen Gassen. Selbes Land, andere Stadt: Barcelona, der zweite Einschiffhafen nach Civitavecchia, als gar nicht mehr heimlicher Höhepunkt der Reise. Auf der Ramblas flanieren, und dann in Gaudis Sagrada-Familia-Kathedrale die täglich wachsende Architektur-Kunst genießen. Pause? Ab ins kleine Tapas-Restaurant an der Ecke, wo die einheimischen Katalanen über das letzte Spiel ihres großen FC Barcelona diskutieren. Was übrigens in jeder Stadt zählt und zahlt: Der Euro. Zurück auf der Norwegian Epic wird dann wieder in Dollars (um)gerechnet.

INFO: Norwegian Cruise Line bietet die siebentägige Kreuzfahrt „Westliches Mittelmeer“ ab/bis Civitavecchia (Premium All Inclusive) ab 1275 Euro pro Person in der Innenkabine. www.ncl.com