Essen. Reedereien dürfen obligatorische Trinkgelder nicht mehr auf den Reisepreis aufschlagen. Das entschied nun der Bundesgerichtshof.

Klare Worte vom Bundesgerichtshof: Obligatorische Trinkgelder müssen in den Reisepreis eingerechnet werden und dürfen sich nicht in Fußnoten verstecken. Bis zum BGH durchgefochten hat diese Frage ausgerechnet die bereits in früheren Instanzen unterlegene Reederei MSC Kreuzfahrten, die diesen Prozess quasi mit Ansage verloren hat. Dennoch ist Deutschland-Geschäftsführer Michael Zengerle zufrieden: „Wir haben es deswegen durchgezogen, weil wir Klarheit und einheitliche Regeln haben wollten für alle, die sich in dieser Branche tummeln.“

Fairer Wettbewerb unter den Reedereien

Dieser Seitenhieb gilt vor allem dem Konkurrenten Costa. Die Italiener halten als letzte große Reederei an einer Regelung fest, bei der Trinkgelder von den Passagieren automatisch und obligatorisch kassiert werden, sofern keine schweren Service-Mängel vorliegen. Nicht immer sind diese Trinkgelder aber in den vom Veranstalter genannten Kreuzfahrt-Preisen enthalten. Auch MSC verlangte lange Zeit ein solches Zwangstrinkgeld. Noch während der Prozess durch die Instanzen ging, hatte MSC das System im April 2014 jedoch umgestellt, so dass Trinkgelder nun als freiwillig deklariert werden – wie bei nahezu allen anderen Reedereien auch.

Für den Kreuzfahrt-Passagier hat das BGH-Urteil (Aktenzeichen: I ZR 158/14) dennoch einen nicht unerheblichen Haken: Direkt profitiert er nämlich davon nicht. Denn in dem Prozess ging es um Wettbewerbsrecht – also die Frage, ob es wettbewerbswidrig ist, wenn eine Reederei oder ein Reiseveranstalter mit Preisen Werbung macht, die ein solches Zwangs-Trinkgeld nicht enthalten. Durchsetzen kann das nur ein Konkurrent oder eine Verbraucherschutzzentrale, wie im Falle des MSC-Urteils der Verband Sozialer Wettbewerb.

Preise nicht transparenter

Das Urteil hat zwar in gewisser Weise für einen faireren Wettbewerb unter den Reedereien und Reiseveranstaltern gesorgt. Für den Kunden sind die Kreuzfahrt-Preise dadurch aber nicht transparenter geworden. Denn nach wie vor verlangen die meisten Reedereien pro Passagier und Tag zwischen acht und zwölf Euro und belasten diesen Betrag auch gleich automatisch dem Bordkonto. Im Reisepreis sind diese Beträge nicht enthalten und bei einer einwöchigen Kreuzfahrt für zwei Personen machen sie immerhin rund 150 Euro aus. In so manchem Katalog oder Werbeanzeige findet der Kunde den Hinweis auf die Trinkgelder nur klein und versteckt. Und weil die Trinkgelder offiziell freiwillig sind, ist das juristisch wohl auch nicht zu beanstanden.

Ist der Passagier mit dem automatisch kassierten Trinkgeld nicht einverstanden, muss er selbst aktiv werden und den Betrag reduzieren oder zurückbuchen lassen. Tatsächlich bezahlen daher die meisten Passagiere die empfohlenen und abgebuchten Beträge – auch, weil die Gehälter der Service-Crew an Bord so bemessen sind, dass sie auf die Trinkgelder angewiesen sind.

Ausnahmen sind übrigens Aida, Tui Cruises, Norwegian Cruise Line, Hurtigruten sowie einige Luxus-Reedereien. Dort sind Trinkgelder im Reisepreis bereits enthalten.