Essen. Hochhäuser und Bettenburgen sucht man auf Santorini vergebens. Wer Ruhe und Entspannung mag, kommt auf der griechischen Insel auf seine Kosten.

Am Himmel funkeln Sterne, doch sie sind zu fern, um die Dunkelheit auf Santorini zu erhellen. Es ist erst 23 Uhr, doch die Insel, die schon in der Vorsaison, im Mai, viele Urlauber anzieht, ist bereits in den Schlaf gefallen. Der Fahrer hält nahe dem Ort Akrotíri und der gleichnamigen Ausgrabungsstätte. Gegenüber, weit entfernt, 35 Kilometer auf dem Landweg, wie am anderen Ende einer Sichel, hoch oben am Kraterrand leuchten die Lichter von Firá, Imerovígli und Oía. Dazwischen die vom Meer gefüllte Caldera, von der Nacht verschluckt.

Nur ein einziges Kreuzfahrtschiff ist an seinen Lampen zu erkennen. Es liegt unterhalb von Firá, Hauptort der Insel, wo im Sommer täglich mehr als ein Dutzend Ozeanriesen vor Anker geht. Maultiertreiber führen die Passagiere auf dem Rücken der Tiere die steilen Stufen hinauf zur Altstadt. Zeit, die unvergleichliche Schönheit der Insel zu genießen, haben die Kreuzfahrer nicht. Sie sollten auf einem anderen Weg wiederkommen, um mindestens drei Tage, besser aber eine Woche oder noch länger zu bleiben.

Kein Hochhaus verschandelt die Insel

Denn Santorini ist Bilderbuchgriechenland. Die ersten Sonnenstrahlen lassen das spiegelglatte Meer silbern glitzern. Nebelschwaden hüllen die Orte an den bis zu 350 Meter aufragenden Steilwänden mit ihren rot-braunen Gesteinsformationen vulkanischen Ursprungs noch ein, verflüchtigen sich dann allmählich, und die Sonne lässt die kykladische Dorfarchitektur mit ihren weiß gekalkten, niedrigen Häusern und den blauen Kuppeln von Kirchen und Kapellen leuchten und in Kontrast treten zum hellblauen Himmel und dunkelblauen Meer. Zum Sonnenuntergang legt sich ein Farbfilm über diese Kulisse, der von Rosa in Orange und Rot übergeht.

Am Kraterrand der Caldera kleben Firá, Imerovígli und Oía nebeneinander wie verschachtelte Schwalbennester. Durch das Labyrinth führen schmale Wege mit steilen Stufen, von denen sich immer wieder Ausblicke auf die tiefblaue Caldera, dem Durchbruch zur offenen Ägäis, auf die übrigen Dörfer an den Steilwänden sowie die gegenüberliegende Südküste mit Akrotíri eröffnen.

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Viele Hotels am Kraterrand, wie das Iconic Santorini in Imerovígli, haben ihre Zimmer mit eigenen Terrassen wie Höhlen in den Fels getrieben. Die Suiten verfügen in der unteren Etage über eine Grotte, die früher als Trinkwasserreservoir diente. Der Hotelgast entspannt hier heute in einem warmen Salzwasserbecken mit Massagefunktion. Der Infinitypool neben der Restaurantterrasse erzeugt die Illusion, man schwimme in die Caldera hinaus.

Das sagenhafte Atlantis soll hier versunken sein

Santorini mit rund 14.000 Einwohnern ist die südlichste Insel des Kykladen-Archipels. Die Insel ist Teil eines vulkanischen Bogens, an ihm entlang schiebt sich die Nordafrikanische Platte alljährlich fünf bis sechs Zentimeter weiter unter die Ägäische Platte, wodurch es im gesamten Umfeld immer wieder zu Erdbeben kommt. Wenn dieser Umstand einen positiven Begleiteffekt für Santorini hat, dann ist es die niedrige Bauweise, die kykladische Architektur, die den Orten ihren Charakter verleiht. Kein einziges Hochhaus verschandelt die Insel. Und wegen der anhaltenden Erdbebengefahr wird auch in Zukunft keins gebaut werden.

Mehrere Vulkanausbrüche formten Santorini und ihre Schwesterinseln. Die größte Katastrophe ereignete sich 1645 vor Christus. Sie war von so gewaltigem Ausmaß, dass bis heute selbst seriöse Wissenschaftler hier das sagenhafte Atlantis vermuten. Tatsächlich war die Eruption des Feuerbergs eine der heftigsten aller Zeiten. Sie begrub Akrotíri, Hauptsiedlung der Theräer, die im frühen zweiten Jahrtausend vor Christus zu einer blühenden Stadt heranwuchs, unter einer bis zu 60 Meter dicken Bimssteinschicht. Erst 1967 begannen Ausgrabungen in der bronzezeitlichen Stadt. Heute bilden sie die bedeutendste archäologische Stätte der Insel. Ganz in der Nähe liegt der Red Beach, Santorinis berühmtester Strand, der sich 200 Meter lang unter einer in verschiedensten Rot- und Grautönen schimmernden Lava- und Schlackenwand entlangzieht.