Essen. Im chinesischen Sichuan will man den Bestand der bedrohten Pandas vergrößern. Auch Jake Owens setzt sich für die Tiere ein. Wir haben ihn besucht.

Jake Owens ist misstrauisch. Gerade erst sind ihn französische Tierschützer hart angegangen. Dabei ist Owens dafür da, eine bedrohte Tierart zu retten. Der Umweltwissenschaftler arbeitet im „Panda Valley“ in der chinesischen Provinz Sichuan – und hier fangen die Probleme auch schon an.

Die Oper und das Essen, das sind die Dinge, mit denen man Sichuan hierzulande in Verbindung bringt – höchstens. Die Einheimischen freilich sehen das anders: Sichuan ist Panda-Land – unübersehbar. Durch die Straßen fahren Panda-Taxis, für die Polizeiwache werben uniformierte Panda-Comicfiguren und das Sortiment der Souvenirshops reicht von Panda-Westen und -Mützen bis hin zu Panda-Nagellack – hauptsächlich zur Freude chinesischer Touristen.

Im Südwesten des Riesenreichs, gleich an der Grenze zu Tibet, sind 80 Prozent aller Großen Pandas zu Hause – doch das sind nicht mehr allzu viele. „In den 70er und 80er Jahren hungerten die Pandas zu Tode“, weiß Owens. Nach Rodungen für die Landwirtschaft, dem periodisch wiederkehrenden Absterben der großen Bambuswälder, Wilderei und Pelzhandel gibt es heute nur noch etwa 2200 Große Pandas, obwohl die Tiere bereits 1939 unter Schutz gestellt wurden. Schnell etablierten sich Aufzuchtstationen – ein rotes Tuch für viele Tierschutzorganisationen. Nicht um den Artenschutz gehe es den Beteiligten, sondern vor allem darum, die eigenen Kassen zu füllen.

Panda-Leasing für eine Million Dollar

Schon das Eingangsportal der „Chengdu Research Base of Giant Panda Breeding“ ist in Form eines riesigen Pandas gestaltet, daneben flimmert der Trickfilm „Kung Fu Panda“ über eine beachtliche Leinwand. Kleine Panda-Busse kutschieren Familien durch das weitläufige Gelände, vor den Gehegen klicken die Kameras. Zwei Millionen Panda-Freunde besuchen die Aufzuchtstation nahe Sichuans Provinzhauptstadt Chengdu jedes Jahr, mit 152 Tieren die größte des Landes. „Pandas sind sehr scheue Tiere“, gibt Forscher Owens angesichts der Besuchermassen zu. „Auch ist es hier, zumindest im Sommer, mit Temperaturen über 30 Grad, eigentlich zu warm für die Pandas, die normalerweise in den Bergen leben.“ Trotzdem kann der Amerikaner die Aufregung der Tierschützer nicht verstehen. Für den Sommer gibt es klimatisierte Innengehege und wenn es arg voll wird, sperren die Mitarbeiter auch schon mal Gehege für die Besucher, insbesondere die der Jungtiere. Aber: „Pandas sind eher lethargisch“, erklärt Owens, der seit zwei Jahren in China arbeitet. „Wenn Menschen dabei sind, werden sie aktiver, der Kontakt ist also eher anregend.“

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Für weitere Anregung sorgen die Angestellten der Aufzuchtstationen mit eindeutigen Filmchen: Nach Hormonuntersuchungen und einem ersten Kennenlernen sollen Panda-Pornos den Fortbestand der Art sichern. Mit einigem Erfolg. Zwölf Geburten gab es im vergangenen Jahr allein in der „Chengdu Research Base“, wo man auf die Zucht spezialisiert ist – und das, obwohl Panda-Damen nur ein paar Tage im Jahr fruchtbar sind und die Art allgemein als sexfaul gilt. Die Hälfte der Tiere sei natürlich befruchtet worden, berichtet Tour-Guide Xia Qinyun und verkündet gleich: „Das Fortpflanzungsproblem ist gelöst.“

Tatsächlich bemüht sich die Regierung inzwischen um den erklärten Nationalschatz, der längst zum Aushängeschild geworden ist. Nach der jüngsten Zählung des chinesischen Forstamtes gibt es 1864 Pandas in freier Wildbahn, hunderte leben in nationalen Aufzuchtstationen und Tierparks, etwa 50 sind auf Zoos in aller Welt verteilt – und das ist ein einträgliches Geschäft. „Mindestens eine Million Dollar pro Jahr zahlen Zoos der chinesischen Regierung, wenn sie ein Panda-Pärchen beherbergen dürfen“, erklärt Xia Qinyun.

Das paarweise Panda-Leasing für bis zu zehn Jahre ist längst zu einem Politikum geworden. Bekam Kanzler Helmut Schmidt noch einen geschenkt, verleiht China die wertvollen Bären mittlerweile an andere Nationen als Belohnung für Geschäftsabschlüsse, Kooperationen und Freihandelsabkommen.

Die Auflagen der Panda-Diplomatie sind streng

Die Auflagen der Panda-Diplomatie sind streng: Klimatisierte Innen- und große Außengehege sind Pflicht. Dazu kommt, dass die drolligen Tiere den ganzen Tag nichts anderes tun, als gemütlich herumzusitzen und – wie ein angetrunkener Partygast Salzstangen – krachend frischen Bambus in sich hineinzuschieben. Von zehn bis 60 Kilogramm am Tag ist hier die Rede, die manch ein Zoo teuer einfliegen lassen muss. Stirbt ein Tier durch falsche Haltung, soll angeblich eine halbe Million Dollar Strafe gezahlt werden, der Nachwuchs muss zurück nach China geschickt werden.

China nutzt die Einnahmen, um Panda-Reservate und Züchtungsprogramme zu finanzieren. In den vergangenen knapp zehn Jahren ist die Population der wild lebenden Tiere laut chinesischer Behörden um rund 17 Prozent gewachsen. Von 67 Schutzgebieten befinden sich die meisten in Sichuan, wo es vor dichtbewachsenen, dunstigen Bergen nur so wimmelt. Die Areale sind unwirtlich – selbst für die Pandas. Seit Beginn der Panda-Politik wurden nur fünf Zuchttiere ausgewildert, zwei haben die neue Freiheit nicht überlebt. „Der Fokus lag bisher auf der Zucht, verlagert sich jetzt aber in Richtung Auswilderung“, sagt Jake Owens. Wie reagiert ein Panda auf unbekannte Geräusche? Ist er vorsichtig? Aggressiv? Gesund? „Nach diesen Aspekten werden die Tiere ausgewählt“, erklärt der Wissenschaftler. „Wir bringen sie für zwei bis drei Jahre in große, halb-wilde Gehege. Dort heißt es dann: learning by doing – ohne einen Pfleger, der das Futter bringt.“

Deutschland soll ein Panda-Paar bekommen

Die letzte, die dieses Überlebenstraining bravourös absolviert hat, ist Hua Jiao. Im vergangenen November wurde die zweijährige Panda-Dame in die Wälder von Sichuan entlassen. Weniger geeignete Artgenossen genießen in diesem Alter noch die letzten Tage im Mond- und Sonnenschein-Kindergarten der „Chengdu Research Base“, umsorgt und betüddelt von zehn Wissenschaftlern und zahlreichen freiwilligen Helfern. Doch auch die Kindergarten-Pandas tragen ihren Teil zur Erhaltung der Art bei: Wenn der Vorhang aufgeht, tapsen und robben die Neugeborenen als lebende Fellknäuel durch das Stubenbettchen, um die Besucher hinter der Glasscheibe in Verzückung zu versetzen. „Die Unterstützung der Öffentlichkeit ist wichtig, um Verständnis für die Einrichtung von Schutzgebieten zu wecken, wobei auch Menschen umgesiedelt werden müssen“, betont Owens.

Neue Sympathien dürften den schwarz-weißen Bären bald auch aus Deutschland entgegengebracht werden. Laut Berichten vom vergangenen Oktober soll der Berliner Zoo nach dem Tod von Bao Bao im Jahr 2012 wieder ein Pandabären-Paar bekommen – die Verhandlungen über den Leasing-Vertrag sollen bereits laufen.