Neustrelitz. Für Vater und Tochter ist es ein herrlicher Kontrast zur Großstadt: Bei Neustrelitz können sie ein Wochenende lang Fische fangen und Ruhe genießen.
Sophie schaut etwas skeptisch in den Plastikeimer. Darin liegen ein Aal, ein Karpfen und ein paar Zander. "Papa, ich mag auch mal einen Fisch anfassen", sagt sie schließlich. Die Neugierde ist offenbar doch stärker als die Zweifel. Kein Problem, die meisten der Fische im Eimer sind ohnehin zu klein und müssen wieder zurück in den See. Also greift Sophie beherzt zu und packt einen kleinen Fisch. Der windet sich in ihren Händen und liegt - schwupp auf dem Steg. Mit einer weiteren Bewegung ist er im Wasser. "Cool, darf ich noch mal?" Die Fünfjährige ist begeistert.
Ein paar Stunden zuvor war sie doch sehr skeptisch, als es am frühen Sonntag mit Fischer Martin Bork in Wesenberg an der Mecklenburgischen Seenplatte auf den See hinaus geht. "Nein, ich mag die nicht anfassen", hatte sie abgelehnt, als Bork die ersten Fische aus den Reusen zog. Drei von ihnen fährt er mit seinem kleinen Boot heute an. "Manchmal ist auch gar nichts drin." Aber an diesem Tag sind die Netze voll. Hechte, Zander, Aal, ein paar Krebse - ein reicher Fang. Nach der rund einstündigen Tour werden die Fische an Land sortiert und in Becken umgesetzt, wo sie in ein paar Tagen weiter verarbeitet werden. Das fertige Produkt, lecker geräuchert oder eingelegt, gibt es direkt nebenan im kleinen Laden.
Gerade einmal anderthalb Stunden sind es mit dem Auto von Berlin bis Wesenberg oder Neustrelitz an der Mecklenburgischen Seenplatte: perfekt für ein herbstliches Vater-Tochter-Wochenende. Die im Gegensatz zur Müritz weniger bekannte Region bietet vor allem ganz viel Natur. Das war schon am Vortag nicht anders.
Mit der Seilfähre ans andere Ufer
Kanufahren hieß der erste Programmpunkt am Samstag. Vorne ein Erwachsener, hinten ein Erwachsener, in der Mitte das Kind. Tiefer grauer Nebel liegt über dem Wasser. Kormorane ziehen ihre Kreise, hier und da schwimmen ein paar Enten. Glasklar ist das Wasser, man kann bis zum Grund des Sees blicken, wo sich Fische tummeln.
Kalt ist es, und irgendwann wird das meditative Dahingleiten Sophie etwas langweilig. Jetzt will sie auch ans Paddel. Also: mit einer Hand oben anpacken, mit der anderen weiter unten und dann immer schön neben dem Boot einstechen. Schnell hat sie den Dreh raus. "Na, ich bin doch schon mal so was gefahren", sagt sie. "Weißt du nicht mehr, Papa, damals in dem Freizeitpark?" Nun ja, das dortige Boot war deutlich kleiner und das Wasser nur knöcheltief, selbst ohne Paddeln trieben die Boote durch einen kleinen Kanal. Aber gut, vielleicht war es ja doch eine ganz gute Übungsstunde damals.
Vom Kanu steigen wir auf ein anderes Boot um: Eine Seilfähre befördert die Fahrgäste bei Feldberg auf die andere Seite des Schmalen Luzin. Heute kann sich der Fährmann ausruhen. Die Kinder übernehmen die Arbeit. Kräftig wird am großen Rad gekurbelt. Langsam nähert sich die Fähre dem anderen Ufer.
Ein zutraulicher Seeadler
Dort wartet bereits Jochen Kurth. Der ist eigentlich Biochemiker. In seiner Freizeit widmet er sich aber seit rund 45 Jahren den Pilzen. Immer samstags bietet er Touren durch den Wald für Gäste an. Auch für junge Besucher ist das ein Erlebnis. Aufgeregt springt Sophie im Wald voraus. Immer wieder zeigt sie Kurth die verschiedensten Pilze, die sie findet. "Was ist das?", fragt sie außer Atem. "Das ist ein Lacktrichterling", erklärt Kurth. "Der da", sagt er, "das ist ein Igelstachelbart. Da brauchen Sie keine drei Wochen, und Ihr Reizdarm ist weg - sofern Sie einen haben." Ein besonderer Spaß für Sophie ist der Birnenstäubling. Berührt man ihn, entweicht eine braune Staubwolke durch ein Loch. "So etwas haben wir Berlin nicht", sagt Sophie fast etwas traurig.
Mecklenburgische Seenplatte
Nicht weniger spannend ist am späten Nachmittag eine Tour mit Fred Bollmann. Schnell wird das Elektroboot angeschmissen, und hinaus geht es auf den Breiten Luzin - auf die Jagd nach Aalfred. Natürlich nur auf Fotojagd. Denn Aalfred ist eine Besonderheit. Vor einigen Jahren siedelte sich der Seeadler hier an der Mecklenburgischen Seenplatte an. Dank Bollmann hat er es zu einiger Berühmtheit gebracht. Denn über die Jahre ist er so zutraulich geworden, dass er bis auf rund zehn Meter an sein Boot herankommt. "Das ist schon majestätisch, wenn der da so mit seinen zwei Metern Flügelspannweite auf einen zugeflogen kommt", erzählt Bollmann. Er wirft ihm dazu immer wieder mal Fische zu, so auch heute. So erklärt sich der etwas strenge Geruch beim Einsteigen ins Boot.
Maränen am Lagerfeuer
"Eigentlich frisst der alle Fische", sagt Bollmann. "Doch am allerliebsten mag er Aal. Daher auch der Name Aalfred." Doch heute hilft nicht einmal die Lieblingsspeise. Aalfred bleibt verschwunden. "Oh, da hinten", ruft Bollmann, schnappt sich ein Fernglas und reicht auch den Gästen eins. Über dem Wald zieht ein Seeadler seine Kreise und landet schließlich in einem Baum. Es ist wohl der Nachwuchs von Aalfred und seiner Gattin Aali, er traut sich nicht an die Boote heran. So bleibt nur der Blick durchs Fernglas, bis man fröstelt. Es dämmert schon, und ein kalter Wind zieht über den See.
Bollmann hat das beste Rezept dagegen: Lagerfeuer. An einer einsamen Hütte am See hat ein Freund von ihm schon das Holz zurechtgelegt, nach kurzer Zeit lodern die Flammen. Es gibt geräucherten Fisch. Auch Sophie greift ordentlich zu. Die Maränen schmecken. Nur das Abziehen der Haut überlässt sie noch Papa. Anfassen traut sie sich noch nicht. Aber auch das wird sich am nächsten Tag ja beim Ausflug mit Fischer Martin Bork legen. (dpa)