Rom. Der Sommer lockt die meisten Touristen nach Italien. Dann aber steigt auch die Zahl der Flüchtlinge - und die Angst, dass sie das Geschäft vermiesen.

Flüchtlingsunterkünfte an der Strandpromenade, überladene Migrantenboote vor der Küste: Für viele italienische Hoteliers und Restaurantbesitzer ist das ein Horrorszenario. Sie fürchten Einbußen durch den beispiellosen Flüchtlingsansturm in Italien in diesem Jahr und die Unterbringung von Migranten in Urlaubsorten. "Damit riskiert man die Saison für diese Betriebe", schimpfte Venetiens Präsident Luca Zaia zuletzt. Die Sorgen in Italien sind groß, denn auch für die gebeutelte Wirtschaft des Landes, die sich gerade erst aus der Rezession herausgekämpft hat, ist der Tourismus eine wichtige Stütze.

Der Sommer ist das große Geschäft vor allem für die italienischen Küstenorte. Bei den Italienern fallen fast drei Viertel aller Übernachtungen eines gesamten Jahres auf die Sommermonate, besonders in den August. Mit diesem Anteil ist Italien in Europa Spitzenreiter. Und die meisten Menschen fahren in den Ferien ans Meer und flüchten aus den stickigen Städten. Dieses Geschäft wollen sich die Hoteliers und Restaurantbesitzer nicht von hässlichen Szenen aus Flüchtlingsunterkünften oder von sinkenden Booten verderben lassen.

Elend und Not kann Eindruck von "Bella Italia" trüben

Und auch die deutschen Urlauber lieben Sonne, Strand und Meer. Ein Blick auf Flüchtlingslager, Elend und Not kann da den Eindruck von "Bella Italia" schon trüben, fürchten Hoteliers. Aus Deutschland kommen die meisten Urlauber in Italien. Mit etwa zehn Millionen Besuchern pro Jahr stellen die Bundesbürger fast 30 Prozent der Touristen in dem Land insgesamt.

"Der erste Eindruck ist entscheidend. Im Bahnhof von Mailand sieht es aus wie in einem Flüchtlingslager", sagte Bernabò Bocca, Präsident des Hotelverbandes Federalberghi, der Zeitung "Il Giornale". "So bekommen die Touristen keinen guten Eindruck. Nehmen wir diejenigen auf, die ein Recht darauf haben, ohne den Tourismus zu bestrafen." Viele Regionen in Italien lebten vom Tourismus. "Es ist nicht hinnehmbar, dass sie sich in große Aufnahmezentren verwandeln."

Zahlen geben bislang keinen Anlass zur Sorge

Die Zahlen bestätigen diese Sorge bislang jedoch nicht. In den Sommermonaten 2015 sind laut Federalberghi im Vergleich zum Vorjahr 2,5 Prozent mehr ausländische Touristen nach Italien gekommen, bei den italienischen Urlaubern im eigenen Land gab es sogar ein Plus von 8,6 Prozent. Und auch die Italienische Zentrale für Tourismus in Frankfurt erklärte, es seien wegen des Flüchtlingsansturms noch keine Beschwerden oder Nachfragen von deutschen Touristen eingegangen.

Dennoch kocht die Stimmung in einigen Urlaubsorten hoch. Im Küstenort Eraclea demonstrierten Hunderte gegen die Unterbringung von Migranten. Auch Regionenpräsident Zaia und Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord, nahmen an den Protesten teil. "Wir brauchen Unterbringungen für Italiener in Schwierigkeiten und nicht für Ausländer, die dem Tourismus schaden", schimpfte er.

Dennoch nimmt die Angst zu

In Jesolo bei Venedig beschwerten sich Einheimische und Touristen über die Unterbringung von Migranten direkt am Strand, nur durch einen Zaun von den sonnenbadenden Urlaubern entfernt. "Es wäre besser, wenn sie die wieder nach Hause schicken würden. Nicht nur die Hotelbesitzer beschweren sich", sagte ein italienischer Urlauber der Zeitung "La Stampa". Bürgermeister Valerio Zoggia sagte: "Hoteliers klagen, dass Touristen ihren Urlaub bei uns abgesagt haben."

Und auch in Sizilien nimmt die Angst zu, hier kommen immerhin die meisten der geretteten Bootsflüchtlinge an. Die Insel Lampedusa ist ohnehin längst zum Synonym für Flüchtlingselend im Mittelmeer geworden. Die Insel beklagte nach dem verheerenden Flüchtlingsunglück 2013 im Jahr 2014 einen Einbruch von 60 Prozent im Tourismus. (dpa)