Essen. Jeden Tag stellt Benjamin Grant ein Satellitenbild auf seine Internetseite. Sie machen deutlich, wieviel der Mensch von der Erde eingenommen hat.
Mehr als dreiviertel der Erdoberfläche sind bebaut oder sonstwie von Menschen nutzbar gemacht worden. Wissenschaftler sprechen vom Anthropozän, dem Erdzeitalter des Menschen. Die Auswüchse dessen zeigt Benjamin Grant: Über seine Internetseite Daily Overview stellt er täglich ein Satellitenbild ins Netz, welches fast immer den Eingriff des Menschen auf seinen Heimatplaneten zeigt. Wir sprachen mit ihm über die Lehren, die jeder von uns beim Blick auf die Satellitenbilder ziehen kann.
Der französische Autor Antoine de Saint-Exepury sagte einmal, dass man die Blickrichtung ändern müsse, um die Wahrheit zu sehen. Was bekommt der Betrachter dank Ihnen zu sehen?
Benjamin Grant: Ich denke, auf den ersten Blick wirken die Bilder vielleicht ein wenig wie abstrakte Kunst. Dabei sind es alles real existierende Orte, die man vielleicht schon mal besucht, aber in dieser Art noch nicht gesehen hat. Und sobald man in der Bildbeschreibung liest, was man da sieht, beginnt man nachzudenken. Ich denke, es ist eine sehr gesunde Übung für den Geist.
Satellitenbilder der Erde
Bei Daily Overview erscheinen sowohl Bilder unberührter Natur als auch die klaren und geometrischen Strukturen, die von Menschen geschaffen wurden. Welche mögen Sie mehr?
Grant: Mein Fokus liegt definitiv auf den von Menschenhand gemachten Formen und Strukturen. Sie zeigen besonders stark unseren Einfluss auf den Planeten. Der ist zwar nicht immer negativ – aber ich möchte, dass die Menschen darüber im Klaren sind und sich ein Gewissen über die Ergebnisse ihres Handelns bildet.
Was können wir aus den Bildern lernen?
Grant: Ich denke, dass das Wichtigste darin besteht, dass wir unseren Eingriff in die Natur aus erster Hand erfahren. Wer es sieht, versteht es auch. Und damit hat man auch eine wichtige Information, um sein Verhalten zu ändern und unsere Präsenz auf diesem Planeten ein wenig gesünder und nachhaltiger zu gestalten. Es gibt nun mal sieben Milliarden Menschen, und alle haben die gleichen Bedürfnisse: Sie müssen irgendwo und irgendwie leben, essen, zur Toilette gehen, usw. Das lässt sich nun mal nicht ändern. Aber wenn wir sehen, welchen Einfluss wir auf unseren Planeten haben, lernen wir vielleicht, nachhaltiger und besser mit ihm umzugehen.
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Braucht es denn für dieses Verhalten ein Projekt wie Daily Overview?
Grant: Ich denke, es kann hilfreich sein. Alles, was einen neuen Blickwinkel eröffnet, kann uns die Richtung weisen.
Die Tourismusindustrie verkauft gestressten Großstadtmenschen gerne Urlaub in der Natur. Wohin das führen kann, sieht man auf den Bildern: Palmenförmige Bungalows auf Bora-Bora, schachbrettartig angelegte und geordnete Strandabschnitte an der italienischen Küste. Gibt es so etwas wie Urlaub in unberührter Natur überhaupt oder ist das unrealistisch?
Grant: Ein interessanter Punkt. Was ist noch „natürlich“? Es gibt auf jeden Fall noch die Möglichkeit, die unberührte Natur zu finden. Auf begleiteten und geführten Reisen erlebt man aber eher die Natur, welche wir geschaffen haben, wie bei diesen Bungalows auf einer Südsee-Insel. Aber es geht ja auch anders. In den amerikanischen Nationalparks beispielsweise klappt das ziemlich gut – und nur, weil irgendwann einmal jemand verfügt hat, dass es in diesen Arealen weder Industrie noch Gebäude geben darf.
In anderen Ländern ist das leider nicht der Fall...
Grant: Ja, in der Tat. Deswegen sollten wir alle mit einem Beispiel vorangehen und zeigen, wie wertvoll und schützenswert die Natur und die Welt um uns herum sind. Indem wir die Schönheit der Natur zeigen, können wir vielleicht andere Nationen inspirieren, die Natur in ihren Ländern mehr zu schützen.
Wie lange kann denn die Menschheit noch so weitermachen, wenn nur einige wenige Länder die Umwelt schützen?
Grant: Meiner Meinung nach stehen wir an einem Scheitelpunkt, an dem in beide Richtungen viel passieren kann. Hoffentlich bewegen wir uns in eine positive Richtung und realisieren, wie verwundbar dieser Planet eigentlich ist. Realisieren wir das nicht, werden noch viel mehr Menschen von der Zerstörung betroffen sein.
Mittlerweile haben Sie Satellitenbilder von mehr als 500 Orten weltweit veröffentlicht. War da einer dabei, den Sie sich gerne mal näher ansehen würden?
Grant: Auf jeden Fall. Vor kurzem postete ich ein Bild von Venedig. Da war ich noch nie und möchte die Stadt gerne mal sehen. Tokio genauso.
Und was ist, wenn der Anblick aus der Bodenperspektive Ihren Erwartungen nicht stand hält?
Grant: Ha! Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird. Meine Begeisterung wird schnell geweckt.