Essen. Trotz der Krisen im Nahe Osten erfreut sich Israel gerade bei Bibeltouristen größter Beliebtheit. Die Gastfreundschaft der Einheimischen ist groß.

Am Qaserel Yahud haben sich ein gutes Dutzend russische Bibeltouristen zur Taufe im brackigen Jordan-Wasser eingefunden. In ihren wallenden weißen Gewändern tauchen die orthodoxen Christen an der Stelle im knietiefen Flusslauf bis über den Kopf unter, an der Jesus von Johannes getauft worden sein soll. Drei israelische Soldaten mit Schnellfeuergewehren schauen amüsiert der Zeremonie der singenden Pilger zu. Auf der anderen Seite des hier gerade einmal fünf Meter breiten Jordan liegt Jordanien.

Wir sind vom See Genezareth, dem mit 209 Meter unter dem Meeresspiegel nach dem Toten Meer am tiefsten gelegenen See der Welt durch die von Israel annektierten Gebiete Galiläas und die Westbank an dieses liebliche, von Dattelpalmen und Eukalyptusbäumen überschattete Plätzchen unweit von Jericho gefahren. Die Küste des 21 Kilometer langen und an der weitesten Stelle 13 Kilometer breiten Sees eignet sich ebenso wie die umliegenden sanften Hügel ganzjährig als Ort der Ruhe und Entspannung. Hier finden wir Naturwanderwege und historische Stätten. Die gesamte Region, einschließlich der aus der Bibel bekannten Orte Nazareth, Kapernaum, Tabgha, dem Berg der Seligpreisung, ist mit der Biografie des charismatischen Wanderpredigers Jesus verbunden. In Galiläa hat er gelebt und gewirkt.

Wer nach Israel reist, wird von Vertrautheit erfüllt sein

Wer zum ersten Mal nach Israel reist, wird von einem Gefühl der Vertrautheit erfüllt sein– viele der religiösen oder archäologischen Stätten in Jerusalems Altstadt, am See Genezareth oder am Toten Meer sind uns aus frühester Kindheit bekannt. Und das macht es so aufregend, die Spuren von Abraham vor 4000, König David vor 3000, Jesus vor 2000 oder der Kreuzritter vor 1000 Jahren zu entdecken. Zugleich ist Israel ein modernes Land mit einer vorbildlichen touristischen Infrastruktur, mit pulsierenden Städten wie Tel Aviv oder Haifa, mit herrlichen Sandstränden am Mittelmeer, Naturreservaten, orientalischen Märkten oder Kolonien kreativer Künstler.

Wer die Wirkungsstätten des Religionsstifters Jesus auf dessen Weg nach Jerusalem erkunden möchte, sollte in seiner Geburtsstadt Nazareth beginnen. Sie ist mit über 60.000 Einwohnern die größte arabische Stadt Israels. Die lebhaften Basargassen und der Marktplatz mögen den Erwartungen der christlichen Pilger nicht so ganz entsprechen. Doch sie wandeln dort auf frühchristlichen Spuren. In der Verkündigungsgrotte soll Maria der Engel Gabriel erschienen sein und sie über die Geburt ihres Sohnes informiert haben. Die Josefs-Kirche ist der Ort, an dem der Überlieferung nach der Zimmermann Josef sein Haus und seine Werkstatt hatte. Ein ähnlich magisches Erlebnis am See Genezareth bietet Tabgha, der Ort der Speisung der 5000. Die ersten Christen bauten um den Fels, auf dem Jesus Brot und Fisch vermehrte, einen byzantinischen Sakralbau mit Mosaiken, die heutige Brotvermehrungskirche. In Kapernaum am Nordwestufer des Sees hat er gepredigt, seine ersten Jünger berufen, Kranke geheilt, nachdem er in Nazareth ohne Erfolg seine Lehre zu verbreiten suchte. Siedlungsreste aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. legen das vermutliche Haus des Petrus sowie eine Synagoge offen.

Auf nach Israel

Anreise: Mit Air Berlin ( 030/34343434, www.airberlin.com) ab Düsseldorf oder mit Lufthansa ( 069/86 799 799,
www.lufthansa.com) ab Frankfurt nach Tel Aviv.

Einreise: Mit Reisepass.

Veranstalter: Das Bayerische Pilgerbüro ( 089/54 58 110, www.pilgerreisen.de) bietet eine achttägige Reise „Auf den Spuren Jesu“ ab 1285 Euro.
Studiosus ( 00800/24 02 24 02, www.studiosus.com) bietet die achttägige Reise „Israel – Heiliges Land“ ab 1695 Euro.

Kontakt: Staatliches Israelisches Verkehrsbüro, 030/20 39 970, www.goisrael.com

Vom größten Süßwassersee Israels führt uns eine kurvige Straße durch anmutige Gärten und Felder hinauf auf den Gipfel des Bergs der Seligpreisung. Hier hielt Jesus die Bergpredigt mit ihren Seligpreisungen und dem „Vater unser“. Das achteckige Gotteshaus aus Basalt mit seiner hohen Kuppel enthält auf seinen Wänden in lateinischer Sprache die Worte der Bergpredigt. Am späten Nachmittag bezaubert uns eine der faszinierendsten Aussichten über den See Genezareth. Wir blicken hinüber auf die Golan-Höhen. Sie wurden von Israel 1967 im Sechs-Tage-Krieg erobert, weniger zur Untermauerung seines biblischen Anspruchs wie in Judäa und Samaria auf der Westbank. Sondern aus strategischen Gründen, um vor syrischer Artillerie sicher zu sein. Die militärische Pufferzone, von Blauhelmsoldaten überwacht, liegt da, als herrsche tiefer Frieden. Dabei tobt in 80 Kilometern Luftlinie Entfernung der syrische Bürgerkrieg mit seinem schrecklichen Blutzoll.

Geografische Distanzen sind so klein wie die politischen Kontraste

Die geografischen Distanzen hier sind ebenso klein wie die politischen Kontraste im konfliktgeplagten Nahen Osten. Wir haben im nahen Tiberias Rast gemacht und den St. Petersfisch genossen. Doch vom lebhaften Badeort mit seinen Thermalquellen führt uns der Weg durch das Yarmuch-Tal zurück in die politische Realität. Die Straße zum israelisch-jordanisch-syrischen Drei-Länder-Eck schlängelt sich bis nach Hamat Gader. Wir halten am elektronisch gesicherten Sperrzaun und blicken nach Jordanien hinunter. Nur ein paar Kilometer weiter passieren wir die Reste eines syrischen Bunkers auf den Golan-Höhen. Von Osten aus sehen wir den See Genezareth. Plötzlich sagt unsere Begleiterin Ruth: „Dort unten habe ich als 18-jährige Soldatin unter dem Feuer der Syrer bei der Ernte geholfen.“ Wir blicken hinüber ins Niemandsland der Pufferzone. Eine gespenstische Ruhe, mitten im kalten Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn.

Am augenfälligsten werden die Gegensätze in Jerusalem. Römische Bögen, Byzantinische Graben, Kreuzfahrermauern und Osmanische Festungswälle. Man betritt das Gassengewirr der Altstadt durch sieben Stadttore: Das muslimische Viertel umfasst neben dem Tempelberg mit dem Felsendom und der Via Dolorosa einen der quirligsten Souks des Nahen Ostens. Die Häuser des jüdischen Viertels wurden nach 1967 auf alten Ausgrabungen, zum großen Teil aber neu errichtet. Das Highlight im christlichen Viertel ist die von sechs Religionsgemeinschaften verwaltete Grabeskirche, dem Ort der Kreuzigung und Auferstehung Christi.

Israel mag in diesen Tagen voller Widersprüche erscheinen. Doch die Freundlichkeit seiner Menschen inmitten der unfriedlichen Welt macht dieses Ziel zu einem sicheren Reiseland.