Schwerin. Schwerin ist die kleinste Landeshauptstadt in Deutschland. Doch als kulturelles Zentrum Mecklenburg-Vorpommerns lockt die Stadt zahlreiche Touristen.
„Schäm dich, Schwerin,
schäm dich, Schwerin,
dass du so tief gesunken.
Sonst Tümpel der Kultur,
nun in der Mitten,
ein nacktes Denkmal,
und die Unken unken,
dass Deine Sittlichkeit Schiffbruch erlitten.“
Ja, 1911 war man besorgt in Schwerin, besser: Witwe Mühlenbruch war besorgt. Gar entsetzt. Die Kommerzienrätin hatte der Stadt einen Brunnen gestiftet, der Name: „Rettung aus Seenot“. Zu sehen sind Wasser speiende Seelöwen, ein Fels, ein Bootswrack und ein Jüngling mit einem Mädchen im Arm. Gerettet aus den Fluten.
Stadt der kurzen Wege
Zu viel für diese Zeit – denn die beiden sind nackt. Tatsächlich: nackt. Überliefert wurde, dass die Witwe Mühlenbruch in Ohnmacht gefallen sei bei der Enthüllung des Denkmals ob der Sittenlosigkeit des Künstlers Hugo Berwald, die eine Zeitung zum Anlass nahm, dies Gedicht abzudrucken. Oh Zeiten, oh Sitten.
Seit 1927 steht der Brunnen „Rettung aus Seenot“ auf dem Bahnhofsvorplatz und sorgt schon seit geraumer Zeit nicht mehr für einen erhöhten Pulsschlag. Doch mögen sich die Zeiten auch ändern, bleibt dennoch festzuhalten, dass Schwerin mehr denn je kulturelles Zentrum Mecklenburg-Vorpommerns ist. Die Capitale von „MV“ ist die kleinste Landeshauptstadt in Deutschland, was ihr einen ganz wunderbaren Charme verleiht. Am Rande bemerkt bietet dies auch den Vorteil, die Sehenswürdigkeiten und das Leben zu Fuß genießen zu können. Es ist die Stadt der kurzen Wege, die immer abwechslungsreich sind. Faszinierend. Aufregend. Das i-Tüpfelchen: Auch der Weg raus in die Natur ist kurz, weil Schwerin sich gebettet hat in Wälder und an Seen, die zu Fahrradfahren, Wandern und Wassersport einladen. Lust auf einen kleinen Rundgang?
Neidische Blicke vom Märchenkönig
Der mag gerne mit dem Schweriner Schloss beginnen, märchenhaft gelegen auf dem Schweriner See. Der „Märchenkönig“ Ludwig II. aus dem fernen Bayern dürfte ganz neidisch herübergeschaut haben. Gemeinsam mit weiteren Residenzbauten der Herzöge wie Theater, Museum, Kollegiengebäude und Marstall bildet das Schloss ein imposantes Architektur-Ensemble, das seit 2014 als potenzielles Welterbe auf der deutschen Vorschlagsliste der Unesco steht. Und womit? Mit Recht!
In der Galerie Alte & Neue Meister gleich gegenüber vom Schloss trugen die mecklenburgischen Herzöge eine der hochrangigsten europäischen Sammlungen holländischer und flämischer Malerei des 17. bis 18. Jahrhunderts zusammen, mit Kunstwerken von Rubens und Rembrandt, Hals und Fabritius. Da kann einem schon mal der Mund offen stehen.
Bewegende Bilder sind klasse – wer größere Lust auf bewegte Bilder hat, ist im Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin bestens aufgehoben. Der prunkvolle Bau wurde vor über 125 Jahren eingeweiht und beeindruckt bei aller architektonischer Finesse vor allem auch mit einem gefeierten Ensemble und vielen hochgelobten Aufführungen.
Internationales Festival unter freiem Himmel
Umgeben von dieser traumhaft schönen und historisch einmaligen Kulisse, mit feinstem Fachwerk und erhabenen Bürgerhäusern, erleben Besucher das ganze Jahr über stimmungsvolle Events. Die Schlossfestspiele Schwerin beispielsweise, die sich zu einem international renommierten Festival unter freiem Himmel entwickelt haben, und 2015 vom 3. Juli bis 9. August „La Traviata“ von Giuseppe Verdi präsentieren. Zu den Höhepunkten des sommerlichen Veranstaltungsreigens zählt auch der Schweriner Kultur- und Gartensommer. Die Veranstaltungsreihe lockt von Mai bis September mit feiner Kultur und fabelhafter Unterhaltung in die Gärten rund um das Schloss. Stimmungsvoller Auftakt ist das „FrühjahrsErwachen“ vom 1. bis 3. Mai 2015 mit „Schwerin zeigt Kunst“ – einer großen Freiluft-Galerie, Frühlingsblumen und Einkaufserlebnissen in der ganzen Stadt.
Auch außerhalb des Sommers bietet Schwerin Kulturgenuss in vielen Facetten. Das Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern (5. bis 10. Mai) sei ans Herz gelegt, die Schweriner Literaturtage im Oktober und November oder der mittelalterliche Martensmarkt vom 6. bis 8. November 2015.
Es ist einfach so: Schwerin ist heute auch die „Kulturhauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns“. Witwe Mühlenbruch dürfte das freuen. Und auch der Anblick des Brunnens würde ihr heute vielleicht nicht mehr so nahe gehen.