Essen/Berlin. Essen und Berlin trennen gute sechs Stunden mit dem Auto. Doch wie schaut es mit dem Fernbus aus? Unsere Journalistin wagt den Selbstversuch.
Ich gebe es zu: Ich bin eingefleischte Autofahrerin. Ich mag die Flexibilität, trete hin und wieder auch gerne mal aufs Gas. Mit der Bahn fahre ich eigentlich nur, wenn es gar nicht anders geht – und ärgere mich dabei: über Streiks und Verspätungen, rücksichtslose Mitfahrer, die den ganzen Waggon mit ihrer Musik beschallen, oder die Abstellfläche für die Koffer, die ich von meinem Platz nicht im Blick habe. Die Entscheidung, stattdessen einfach mal den Fernbus auszuprobieren, war damit schon längst überfällig: Essen – Berlin in sieben Stunden und fünf Minuten für 22 Euro.
Donnerstagmorgen, 7.35 Uhr
Beherztes Gähnen an der Bushaltestelle am Essener Hauptbahnhof. Der Busfahrer zündet sich erstmal eine Zigarette an. „Die rauche ich so oder so – auch wenn wir dann Verspätung haben“, sagt er lapidar, während ich noch mit dem Gestänge meines kleinen Rollkoffers kämpfe. Schöne Aussicht, denke ich, habe ich doch direkt nach der Ankunft eine Verabredung in Berlin.
7.41 Uhr
Der Bus rollt mit einer Minute Verspätung auf die Straße. Nur ein Viertel der Plätze ist besetzt, hauptsächlich mit jüngeren Leuten. Die einzige ältere Dame packt ihr Strickzeug aus, ein Student arbeitet am Laptop, ein Mädchen verlängert mit Kissen, Decke und Schlafbrille die zu kurze Nacht. Im Bus herrscht himmlische Ruhe: keine Musik, die grundsätzlich nicht dem eigenen Geschmack entspricht, kein nerviges Dauer-Handyklingeln, keine plärrenden Durchsagen.
8.15 Uhr
Beim Stopp in Bochum kommt dann doch noch eine Durchsage. Das Handgepäck muss in die Gepäckfächer, Anschnallen ist Pflicht und die Herren sollen doch bitte, bitte die Toilette im Sitzen benutzen. Die Reise nimmt jetzt ein wenig den Charakter einer Klassenfahrt an, der Ton des Busfahrers ist tatsächlich der eines strengen Lehrers: „Ich habe keine Lust, einen angefressenen Döner aus dem Netz hinter dem Sitz zu kramen – das ist eklig“, herrscht er uns schon mal vorsichtshalber über das Mikrofon an. Ach ja, und wer sich traut, kann für ein bis zwei Euro während der Fahrt Snacks und Getränke kaufen.
11 Uhr
Im stockenden Verkehr auf dem Ruhrschnellweg konnten wir einige Meter gutmachen, indem der Fahrer eine Raststätte als Beschleunigungsstreifen benutzte. Eine Praxis, über die ich mich als Autofahrerin natürlich immer furchtbar aufrege. Doch eins muss man dem Fahrer lassen: Wir rollen pünktlich um elf zur Mittagspause auf den Busstellplatz vor dem Hannoveraner Hauptbahnhof.
Internetportale
Tickets für Fernbusse werden hauptsächlich online angeboten. Einen Überblick über die Preise der verschiedenen Anbieter gibt es bei Vergleichsportalen wie Fernbus24 (www.fernbus24.de), Busliniensuche (www.busliniensuche.de) oder BusTicket.de (www.busticket.de). Bei einigen Anbietern kann das Ticket nach Verfügbarkeit auch direkt beim Busfahrer gekauft werden. Die Strecke Essen – Berlin gibt es zum Beispiel ab 22 Euro. Die Haltestellen sind meist an Bus- oder Hauptbahnhöfen.
14.40 Uhr
„In wenigen Minuten erreichen wir den Zentralen Omnibusbahnhof in Berlin. Ich würde mich freuen, euch bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen“, tönt es aus dem Lautsprecher. Das Duzen scheint Unternehmensphilosophie zu sein, auch wenn es nicht ganz zur ruppigen Art des Fahrers passen will. Erst als wir pünktlich auf die Minute vor der Schranke des Busbahnhofs stehen, lässt er sich zu einem Scherz mit dem Kollegen hinreißen. Der Abmeldesound zu meiner Bus-Premiere kommt von meinem Computer, dessen Akku brav durchgehalten hat. Die Busse sind zwar mit Gratis-WLAN und sogar Steckdosen ausgerüstet, das nützt aber auch nichts, wenn das Ladegerät im Koffer liegt. Ich jedenfalls bin zufrieden mit meinem Arbeitspensum, und meine Verabredung in Berlin, die schaffe ich locker.