Essen. Das Geschäft mit Fernbussen boomt. In den kommenden zehn Jahren soll sich die Zahl der Passagiere verdreifachen. Die Deutsche Bahn leidet schon jetzt.
Der Fernbus mischt die Reise-Gewohnheiten der Deutschen auf. Seit der Liberalisierung des Marktes bieten die Unternehmen auf 240 Bus-Strecken wöchentlich 7000 Fahrten an – aktuell immer öfter auch nachts und ins Ausland. Die Chancen, ab einem Euro (!) Fahrpreis weiter entfernte Ziele zu erreichen, werden heftig genutzt: In den nächsten zehn Jahren dürfte sich die Zahl der Passagiere auf jährlich 25 Millionen verdreifachen, ergibt eine Untersuchung des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG).
Wer ist im Bus unterwegs?
Besonders bus-affin: Preisbewusste Frauen unter 35, die alleine und privat fahren und die über soziale Medien und Netzwerke Informationen einholen und buchen. „Neben einem hohen Anteil von Studenten zeigt sich aber auch ein zunehmender Anteil älterer Nutzer“, ergänzen die Experten, die ihren Bericht im Auftrag von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erarbeitet haben. Ein großer Teil der Fahrgäste hätte vor dem Bus-Boom auch „auf eine Reise im nationalen Fernverkehr verzichtet“.
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Was zahlen sie dafür?
Zum Beispiel auf der Route Köln-Hamburg im Schnitt zwischen 16 und 30 Euro, bei einigen Anbietern aber auch bis zu 57 Euro. Mitfahrzentralen nehmen für die gleiche Strecke zwischen 20 und 29 Euro, die Bahn zwischen 87 und 97 Euro, als Sparpreis ab 29 Euro. (Preisstand als Basis der Untersuchung Herbst 2014).
Welches sind die Renn-Strecken?
Vier der sieben beliebtesten Routen berühren das Ruhrgebiet. Es sind die nach Berlin, Hamburg und München über Würzburg oder auch über Stuttgart. Zu den Favoriten zählen zudem Berlin-Dresden und Berlin-München.
Wer profitiert von dem „extremen“ Wettbewerb, wie ihn der Report bezeichnet?
Zunächst tatsächlich nur die Fahrgäste wegen der niedrigen Tarife. Denn auch für viele Busbetreiber sei der Betrieb heute eher ein Zuschuss-Unternehmen, stellt die Untersuchung fest. Die Auslastung liege oft bei 40 bis 70 Prozent, sehr hohe Auslastungen von 100 Prozent werden nur an Wochenenden zwischen deutschen Großstädten erreicht.
Bei einem Bus mit 50 Sitzplätzen müsse für ein wirtschaftliches Ergebnis aber mindestens die Hälfte der Plätze besetzt sein. So geht der BAG-Bericht davon aus, dass sich bald die Zahl der Anbieter von sieben bis acht auf zwei bis vier verringert. Die ersten haben schon aufgegeben.
Wer hat das Nachsehen bei diesem Boom?
Vor allem die bisher von jungen Leuten bevorzugten Mitfahrzentralen (etwa jeder fünfte Bus-Fahrer hat sie bisher genutzt) und der Schienenverkehr. 30 bis 44 Prozent der Bus-Passagiere sind vorher Bahn gefahren. „Dem System Schiene wird dauerhaft Substanz entzogen“, zitiert der Report Schienenverkehrsunternehmen.
Der Siegeszug des Busses sei von diesen unterschätzt worden. Das Wachstum des Fernbus-Marktes hat die Bahn AG im letzten Jahr 120 Millionen Euro Einnahmen weniger beschert.
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Wie reagiert die Bahn?
Einerseits sauer. Bahnchef Rüdiger Grube mahnt: „Mautgebühren kennt die Fernbus-Branche bisher nicht. Kein Fernbus-Betreiber zahlt auch nur einen Cent für die Nutzung der öffentlichen Infrastruktur“. Gleichzeitig rüstet das Staatsunternehmen jetzt aber schnellstmöglich ihre Fernzüge und Bahnhöfe mit WLAN aus, um den Bussen auf diesem Gebiet Konkurrenz zu machen. Sie will bald auch ein eigenes Buskonzept vorlegen.
Gibt es Nachteile beim Busfahren?
Der BAG-Bericht sagt aus, dass Ärger über Lage und Zustand der Haltestellen ein Hemmschuh für das Wachstum der Bus-Märkte sein könnte. Viele liegen außerhalb der eigentlichen Stadtzentren. Überraschend: Der Bericht stellt fest, auch die Bahn wolle künftig in unmittelbarer Nähe ihrer Bahnhöfe Fernbusbahnhöfe auch für private Busanbieter betreiben und auch für deren Wartung und Reinigung sorgen.
Was ärgert die Bus-Fahrgäste sonst?
Tatsächlich sind Bus-Passagiere nicht sehr markentreu. Sie wechseln gerne häufig - und beschweren sich auch. Die Gründe liegen dann oft in einer nicht funktionierenden Ausstattung der Busse (WLAN, Steckdosen, Toiletten) und natürlich in Verspätungen. Busfahren ist stauanfällig. Es beschweren sich meist die, die an den Haltepunkten warten müssen, nicht die in den Bussen von Verspätungen betroffen sind.
Was belastet die Busfahrer besonders – und was verdienen sie?
Belastet sind sie vor allem durch den Stress an den Haltepunkten, wo sie eigentlich eine kleine Pause machen könnten, dann aber doch beim Einladen des Gepäcks oder für Auskünfte zur Verfügung stehen. Laut Angaben der Busunternehmen liegen die gezahlten Löhne bei 2000 bis 2200 Euro monatlich brutto, zuzüglich Nacht- und Wochenendzuschläge plus Spesen. „es lassen sich aber teils deutliche Gehaltsunterschiede feststellen“, heißt es in dem Bericht – von monatlich mehreren hundert Euro.