Enzklösterle. Während der Weihnachtszeit sind Holzkrippen immer sehr beliebt. Die größte Weihnachtskrippe der Welt steht in der Schnitzerstube von Theo Gütermann.
Es ist eine harte Zeit, in der Theo Gütermann aufwächst – im Nachkriegs-Deutschland der 1950er Jahre in Bad Bergzabern. Der damals Elfjährige führt das Leben vieler Nachkriegskinder. Doch etwas ist anders. Während seine Schulfreunde an den Pfälzer Winternachmittagen vor der Türe tollen, verbringt Theo seine Zeit in der Schnitzstube von Ernst Eickert. Das duftende frische Holz fasziniert den Jungen, genauso wie die Schnitzereien, die der Zimmermann in der kalten Jahreszeit in der heimischen Stube herstellt. „Irgendwann gab er mir dann eine Holzschwade und sagte: ‚So oft, wie du hier bist, kannst du auch ruhig selbst einmal versuchen, etwas zu Schnitzen.’“
Der Beginn einer Leidenschaft, die zunächst lange nur ein Hobby blieb. „Richtig lernen konnte ich das Schnitzen nach dem Krieg leider nicht. Und außerdem hätte mir auch niemand etwas abgekauft – es war ja kein Geld da“, erinnert sich Gütermann. 1958, mit 19, verlässt der mittlerweile gelernte Schuhmacher seine Pfälzer Heimat. Die Schweiz ist sein Ziel. Beim Schuhhersteller Bally wird er Verkaufsberater, macht hier die guten Zeiten des bekannten Unternehmens mit, und nach dem Rückzug der Eigentümerfamilie im Jahr 1977 auch einige schlechte Jahre. Zunächst. „Ich habe mich dann entschlossen, nach Deutschland zurückzukehren.“
Busse kommen in Scharen zur Krippenausstellung
Die junge Familie zieht nach Enzklösterle im Enztal. „Dort gab es Fremdenverkehr, und die Mieten für Geschäftsräume waren erschwinglich“, erklärt Gütermann, der mittlerweile in Bad Herrenalb und in der bekannten Tiroler Schnitzschule Moroder in Elbigenalp sein Hobby perfektioniert hat. „Eine Figur anlegen, das kann man sich nicht selbst beibringen.“
In Enzklösterle bezieht er einen Verkaufsraum und beginnt, Weihnachtskrippen zu schnitzen. Jedes Jahr im Advent organisiert er in der Gemeindehalle eine Krippenausstellung. Die Busse kommen in Scharen. In manchem Jahr verkauft Theo Gütermann bis zu 70 Weihnachtskrippen. Die Teuersten erlösen in den ersten Jahren bis zu 25 000 D-Mark. „Man kann sich heute nur noch schwer vorstellen, was damals hier los war“, erinnert sich Theo Gütermann.
Größte handgeschnitzte Krippe der Welt
Als ihn eine Anfrage zu einer Krippenausstellung in Stuttgart erreicht, kommt ihm die Idee, für eine eigene Ausstellung die größte handgeschnitzte Weihnachtskrippe der Welt herzustellen. Theo Gütermann erkundigt sich, wo der bisherige Rekordhalter steht. Ein Freund nennt ihm den Petersdom in Rom. „Als er sagte, die Figuren dort seien etwa 1,70 Meter groß, war mir klar, dass meine Figuren mindestens 1,75 Meter groß werden müssen.“
Er beginnt mit der Arbeit, fertigt in jedem Jahr eine Krippenfigur für seine neue Rekordkrippe an. 1998 kauft die Familie in Enzklösterle ein Hotel. Im neuen Haus entsteht neben der Werkstatt ein neuer Ausstellungsraum – eigens für die größte handgeschnitzte Krippe der Welt.
Kleinste Krippe der Welt passt in eine Nussschale
Nach einem Jahr ist alles viel zu klein. Das Hotelrestaurant muss weichen, damit die Krippenausstellung weiter wachsen kann. Theo Gütermann beginnt mit der Vermarktung von „Krippena 2000“ und seiner größten handgeschnitzten Weihnachtskrippe der Welt. Seit einigen Jahren ist sie vollendet – nach 21 Jahren Arbeit. 21 Figuren, in jedem Jahr eine. Der größte Engel ist 2,15 Meter hoch, das aus 14 Holzblöcken bestehende Kamel misst 1,95 Meter, der Ochse nebenan wiegt stattliche vier Zentner. Alles in allem hat Theo Gütermann für seine Krippe zehn Kubikmeter Lindenholz verbaut. Auf rund 300 000 Euro schätzt der Schnitzmeister den Wert des Werkes, das er auch mithilfe einiger Freunde erstellt hat.
Das Kontrastprogramm ist in Theo Gütermanns Ausstellung ebenfalls zu sehen: Die kleinste Krippe der Welt passt in eine Nussschale und ist kaum größer als ein Fünf-Cent-Stück. Genauso wie die Arche Noah und zahlreiche weitere Krippen aus Rumänien, Mallorca, Peru und Afrika. Alle aus unterschiedlichen Kulturkreisen, alle mit einer anderen Sichtweise: „Man kann nicht alles gleich machen, jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung von der Heiligen Nacht.“
Ein paar Restaurationen an guten Tagen
Mittlerweile hat Theo Gütermann seine Schnitzkunst jedoch aufgeben müssen. Eine schwere Erkrankung verhindert, dass der 74-Jährige seiner Profession noch weiter nachgehen kann. „Ein paar Restaurationen kann ich an guten Tagen noch machen, aber ansonsten geht leider nichts mehr“, bedauert Theo Gütermann.
Auf sein Meisterwerk, die größte handgeschnitzte Weihnachtskrippe der Welt, ist er noch immer besonders stolz. Aber ist sie denn auch heute noch unübertroffen? „Es wurde schon angezweifelt“, bekennt der Krippenbauer und beginnt zu schmunzeln: „Ich sage dann immer: ‚Wenn Sie mir sagen, dass es anderswo eine größere handgeschnitzte Weihnachtskrippe gibt, werde ich mich bei Ihnen entschuldigen und nie wieder behaupten, dass meine Krippe die größte ist.’“ Bis heute ist mit diesem Satz noch niemand an Theo Gütermann herangetreten.
Schnitzerstube Theo Gütermann, Tel.: 07085/74 55, www.krippena-2000.de