Abisko. Wer die Aurora Borealis, oder auch Polarlichter, sehen will, muss hoch in den Norden reisen. Die Abisko Aurora Station ist Anlaufstelle Nummer eins.
Von Dezember bis März spielt der Himmel über Schwedisch-Lappland Theater. Fotografen zieht es in die nordwestlichste Ecke des Landes auf die Abisko Aurora Station. Wegen seiner magischen Nähe zum Nordpol gilt die Bergstation weltweit als aussichtsreiche Loge für das Beobachten von Polarlichtern. Einheimische nennen die himmlischen Erscheinungen auch „The Tempera Lady“. Mal kommt sie, mal nicht. Einem Date darf man erwartungsfroh entgegen sehen, man sollte aber Zeit mitbringen, mit einem Korb rechnen und es der Diva nachsehen, wenn sie nach kurzem Erscheinen flugs wieder verschwindet.
Abisko (Meereswald) mit seinen 200 Einwohnern liegt in einer rauen Steppen- und Gebirgslandschaft, in der sich Vielfraß und Lemming gute Nacht sagen. Ein ursprüngliches Abenteuerland, in dem es schon mal bis zu 40 Grad Minus werden kann. An diesem Tag hat das Thermometer bei -10 Grad jedoch seinen Tiefpunkt erreicht. Am Sessellift unweit der Abisko Touristenstation haben sich ein Dutzend Nachtschwärmer zu einer Fotoexkursion auf den 1170 Meter hohen Nuolja eingefunden. Eingepackt in Thermo-Overalls und ausgerüstet mit Kameras warten sie dar-auf, mit etwas Glück Zeuge einer farbenprächtigen Begegnung von Erde und Weltall zu werden.
Ein kalter Wind tobt um die Holzhütte und stiebt Schnee vom Dach in die mit Tüchern geschützten Gesichter. Als der Lift 260 Meter den Nuolja hinauf surrt, sind kleine helle Lücken im zerfransten Wolkenknäuel die bisher einzigen Lichtquellen über dem dunklen Tal. Auf der Gipfelstation wartet bereits Peter Rosén. Es ist 19.15 Uhr. Mit einem skeptischen Blick zum Himmelsgrau führt er seine Gäste in die rustikale Panorama-Schänke. In Lappland seien Nordlichter im Durchschnitt alle zwei bis drei Nächte zu sehen. „Zuletzt waren sie gestern am Horizont“, fügt Peter kleinlaut, fast entschuldigend hinzu, macht seiner Gruppe dann aber Mut: „Mit größter Wahrscheinlichkeit zeigt sich das Polarlicht zwischen 21 Uhr und Mitternacht.“
Kollisionen und Karneval
Die bunten Wischer entstünden in kalten klaren Nächten in 100 bis 1000 Kilometern Höhe und seien am deutlichsten weit entfernt von anderen künstlichen Lichtquellen zu erkennen. Das Phänomen Aurora Borealis trete auf, wenn von der Sonne weggeschleuderte energiereiche Partikel in die Erdatmosphäre eindringen. Eine Kollision mit Stickstoff und Sauerstoff lässt dann die polaren Gemälde entstehen. Ihre Farben seien davon abhängig, in welcher Höhe das Rendezvous mit welchem Gasmolekül stattfinde. Meistens sei es Sauerstoff, der ein Grün oder in sehr großer Höhe ein Rot erzeuge. Ein Crash mit Stickstoffatomen lasse dagegen den Himmel blau leuchten.
Anreise und Kontakt
Anreise: Mit Scandinavian (www.flysas.com) ab Düsseldorf via Stockholm nach Kiruna.
Veranstalter: Dertour (www.dertour.de) bietet eine fünftägige Reise „Lapplands Wildnis unter dem Polarlicht“ mit Hundeschlitten-/Schneemobil-Safari ab 1278 Euro pro Person an (ohne Flüge). Unterkünfte und Ausrüstung sind bei der Abisko Touristenstation (www.abisko.nu) buchbar.
Kontakt: Schweden Tourismus, www.visitsweden.com
Eingemummelt in dicke Schals und Fellmütze stapfen die Fotoscouts auf eine Bergkuppe. Wer kein eigenes Fotoequipment hat, bekommt von Peter das robuste Stativ mit Profikamera und Weitwinkelobjektiv in den Schnee gestellt. Unten im Tal macht sich finstere Nacht breit. Über dem Bergplateau funkeln hinter einer aufgerissenen Wolkendecke die ersten Sterne. Peter gibt Tipps zu den Kameraeinstellungen – aber wo bleiben die Motive?
Es ist kurz nach Mitternacht. War da ein Flackern? Nö! Nach und nach gibt die Wolkenarmada aber den Blick auf das Firmament frei. Die Samen nennen das Licht auch „Guovssahas“. Sie sagen, es knistere und man könne es hören, berich-tet Peter. Kein Knistern, kein Laut. Doch urplötzlich kündigen bunte Blitze den Karneval am Himmel an. Flammende grüne Schleier, die sich in Wellen zu riesenhaften Wesen wandeln, schweben über die scheinbar endlose weiße Weite. Atemlos, wie hypnotisiert schauen alle dem ungezügelten Tanz zu. Als sich sprühende Kegel gelb und violett in das fantastische Spektakel mischen, scheint das Herz für einen Moment still zu stehen. Pause. Zeit, die Kamera in Position zu bringen. Wieder glimmt ein grünes Licht. Das Leuchten zerfällt in kleine Fackeln, formt sich dann aber zu einer mächtigen Lichtwand, die wie ein zerrissener Vorhang über dem Berg hängt. So schnell wie die Aurora Borealis gekommen ist, verschwindet das Feuerwerk wieder. Schließlich wabern nur noch blasse Farbfetzen im weiten Dunkel. „Aufgepasst!“, ruft Peter. „Gleich geht es wieder los!“