Zagreb. Die Krawatte fand ihren Ursprung in der Militäruniform Kroatiens. Noch heute findet man im “Salon Croata“ in Zagreb mehr als 1000 Krawatten, viele davon limitierte Exemplare. Doch auch außerhalb der Mode hat die kroatische Hauptstadt viel Geschichte zu erzählen.

Schmachtende Blicke werfen sich Roman und Sanja zu, können voneinander nicht lassen. Er hält ihre Taille, sie bindet ihm liebevoll ein gemustertes rotes Tuch um den Hals, drapiert es mit akkuratem Knoten über dem Kragen seines mit gelben Troddeln besetzten schwarzen Uniformmantels. Roman ist gewandet wie ein kroatischer Söldner, die Pelzmütze schon auf dem Kopf – bereit, in den Krieg auszurücken. Doch Sanja, seine Liebste, lässt ihn erst ziehen, wenn er ihr „Vergißmeinnicht-Tuch“ trägt.

Wie es Tradition war, Mitte des 17. Jahrhunderts, so präsentieren es die Hobby-Darsteller Roman Grusic und Sanja Panduric heute noch in Zagreb. Allerdings nicht inmitten einer Kompanie von Landsknechten, sondern vor einer Brigade der Langbinder: Mehr als 1000 Krawatten hängen hier im „Salon Croata“, dem Spezialgeschäft der kroatischen Hauptstadt. „Fast alles limitierte Exemplare“, sagt Geschäftsführer Rijad Jakupovic und zeigt das eingenähte Etikett auf der Innenseite eines Schlipses: „1/7“ steht dort – eine von weltweit nur sieben Krawatten dieses Designs.

Des Geschäftsführers ganzer Stolz

Gleich daneben des Geschäftsführers ganzer Stolz: ein schwarzer Langbinder mit funkelnden Swarovski-Kristallen. „Obama trägt Croata, Schröder, Genscher und Kohl haben eine.“ Den Grund liefert Jakupovic augenzwinkernd nach: „Unsere Regierung verschenkt Croatas an Staatsgäste.“

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Vor der Tür beginnt Zagrebs facettenreiches Shopping-Areal: Aus der prunkvollen, achteckigen Einkaufspassage „Oktogon“ mit gläserner Jugendstil-Kuppel und Edeljuwelier-Boutiquen geht’s raus auf die Ilica, Zagrebs zentrale Ladenmeile: Viele West-Marken wie „Zara“ oder „Adidas“ haben hier längst Filialen, aber „Nama“ – zu deutsch: „Für uns“ – ist auch immer noch da. Mit seinen Blechregalen, kaltem Neonlicht und trutschiger Kleidung ist es für ausländische Besucher ein Vorwende-Museumsladen, für Zagreber bleibt es ihr preiswertes Traditions-Kaufhaus. Der Ban Jelacica-Platz nebenan wird beherrscht vom gleichnamigen Reiterstandbild. Tito ließ es 1947 erst mit blickdichten Planen verkleiden, dann dahinter heimlich demontieren – weg mit kroatischem Nationalstolz im jugoslawischen Einheitsstaat! 1990, gleich nach der Abspaltung Kroatiens von Belgrad, stellten die Zagreber den Reiter wieder auf, nur andersherum: Nun schwingt er – rein zufällig – seinen Säbel Richtung Serbien.

Unterwegs mit dem „Betrunkenen Tschechen“

Nur eine von vielen sympathisch-schlitzohrigen Geschichten, die Besucher hören, sobald sie in der gemütlichen, von Cafes und Kneipen gesäumten City mit den Zagrebern ins Gespräch kommen. Am besten klappt’s im Deutsch-Englisch-Hände-und-Füße-Mix, auch bei der Story über alte Straßenbahnen-Waggons. Die seien aus Prag importiert worden, leider mit unpassender Spurbreite für die Zagreber Schienen. Also mussten schmalere Achsen unter die Waggons montiert werden, wodurch diese vor allem in Kurven bedrohlich schaukelten und in der Bevölkerung sofort ihren Spitznamen weghatten: „Betrunkener Tscheche“.

Mit ihm lässt sich gemütlich das „grüne Hufeisen“ der 780.000-Einwohner-Stadt abfahren, ein U-förmiges Ensemble von Parks, eingerahmt von Palästen und Straßenzügen, die stuckverziert und kuppelgekrönt aus der Zeit vorm Ersten Weltkrieg stammen, als Kroatien Teil des Königreichs Österreich-Ungarn war. „Klein-Wien“ nennen die Leute diesen Stadtteil. In der etwas höher liegenden Altstadt erinnern kunstvoll auf Hauswände gepinselte Straßennamen wie „Herren-Gasse“ an die deutschsprachige Vergangenheit Kroatiens.

Kanonenfeuer seit über 100 Jahren 

Arglose Bummler, die hoch zum Lotrscak-Turm aus dem 13. Jahrhundert wandern, fahren täglich, Punkt zwölf, vor Schreck zusammen: Denn oben aus dem Turm feuert Kanonier Alen einen Schuss ab – mit reichlich Pulverdampf und Getöse. Seit über 100 Jahren geht das so. Als Erinnerung an in die Flucht geschlagene türkische Belagerer, sagen die einen. Damit die Zagreber ihre Uhr stellen können, meinen andere.

Zeitgleich, ein paar Hundert Meter die Straße hoch vor der Markus-Kirche: Soldaten beim Wachwechsel – die Zeremonie des „Krawatten-Regiments“ zieht sich fast zwei Stunden kreuz und quer durch die Altstadt. Alle tragen dieselbe Uniform wie Roman Grusic im Schlips-Laden. So gewandet unterstützten 6000 kroatische Söldner die französische Armee einst im „Dreißigjährigen Krieg“. Das modebewusste Paris soll die Nase gerümpft haben über deren rote, geknotete Halstücher. Dann aber übernahm Sonnenkönig Ludwig XIV. dieses Accessoire und machte es gesellschaftsfähig. Um 1650 trug man es „à la manière Croate“ – nach kroatischer Art, woraus sich das französische Wort „cravate“ entwickelte – so oder ähnlich bis heute in vielen Sprachen zu finden.

Auf zum Dolac-Platz, bevor der dortige Markt schließt!

Seit 45 Jahren auf dem Dolac-Platz

Obst und Gemüse, fast ausschließlich aus der Umgebung Zagrebs bieten die Händler dort unter einem Himmel aus roten Sonnenschirmen an. Nebenan, in der Markthalle, zwischen Fisch- und Brotständen, steht Nada, und zwar schon seit 45 Jahren. Die 73-Jährige verkauft ihr Sauerkraut aus dem Eimer, das Kilo für gut zwei Euro – und hält gerne ein Schwätzchen: Beim Thema Krawatten schüttelt sie energisch den Kopf: „Nein, langweilig, kein gutes Mitbringsel!“ Nada empfiehlt ein „Licitar“ – das Wahrzeichen Zagrebs: Ein rot-weißes Lebkuchenherz mit kleinem Spiegel mittendrin. Verschenkt wird es seit dem 16. Jahrhundert mit den Worten: „Schau hinein, dann weißt Du, wer stets in meinem Herzen wohnt.“