Euskirchen/Hagen. Streit um neuen Nationalpark im Arnsberger Wald, Rothaargebirge oder Ebbegebirge spaltet die Region. Was man von der Eifel lernen kann.
Die Diskussion um einen zweiten Nationalpark in NRW polarisiert. Kritiker treibt die Angst vor dem Verlust der politischen und wirtschaftlichen Selbstbestimmung um. Auch das Naturschutz-Großprojekt „Medebacher Bucht“ im Hochsauerlandkreis ist vor einigen Tagen an den Bedenken von Landwirten und Waldbauern gescheitert. Markus Ramers (SPD) vom Kreis Euskirchen ist mit 37 Jahren der jüngste Landrat in NRW. Er hat den Nationalpark Eifel beim Amtsantritt sozusagen geerbt und damit die Herausforderung, zwei Nationalstaaten, drei Kreise und neun beteiligte Kommunen immer wieder unter einen Hut zu bringen. Im Interview beschreibt Ramers, warum die Lernprozesse nicht nur den Naturschutz betreffen.
Ein neuer Nationalpark im Arnsberger Wald, im Rothaargebirge oder im Ebbegebirge spaltet derzeit Politik, Naturschützer, Landwirte und Waldbesitzer. Wie stehen Sie zu einem zweiten Nationalpark in NRW?
Markus Ramers: Dass die Eifel heute eine hochattraktive Region zum Leben, Arbeiten und Besuchen ist, darauf zahlt der Nationalpark Eifel immens ein. Ich bin in Düsseldorf bei einer Diskussionsrunde gefragt worden, ob ich denn überhaupt einen zweiten Nationalpark haben möchte. Und da musste ich kurz überlegen und habe gesagt: Na ja, wir haben nichts dagegen, wenn wir der einzige Nationalpark in NRW bleiben. Aber ich könnte mir ein solches Projekt auch in anderen Regionen vorstellen. Was man uns nicht nehmen kann, ist, dass wir immer der erste Nationalpark bleiben werden, und das wollen wir natürlich mit einem gewissen Stolz für uns nutzen.
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Woher kommt dieser Stolz? Anfangs gab es in der Eifel doch dieselben Bedenken wie heute in Südwestfalen?
Die Akzeptanz ist über 20 Jahre gewachsen. Anfangs war auch in der Eifel in den Köpfen, dass der Wald aufgeräumt sein muss. Die Verankerung vor Ort in der örtlichen Basis, die finde ich extrem wichtig. Man muss sich immer wieder klarmachen, dass ein Nationalpark ein Projekt ist, das über viele Generationen hinweg angelegt ist. Wir sind ein sehr junger Nationalpark, der noch in der Entwicklung ist. Wichtig ist, das habe ich auch den Gruppen aus Südwestfalen gesagt, die uns besucht haben, dass wirklich die Verantwortungsträger vor Ort dahinterstehen müssen, Bürgermeister, Landräte, Naturschutzverbände, die örtliche Forstwirtschaft und Landwirtschaft. Dass man nicht in allen Punkten immer einer Meinung ist, dass das auch ein hartes Ringen ist, das hat der Nationalpark Eifel gezeigt.
Im Hochsauerlandkreis, in Siegen-Wittgenstein und im Märkischen Kreis gibt es rund um die angedachten Nationalparkflächen viele Industriearbeitsplätze. Sind die Regionen vergleichbar?
Es ist schwer, mir da ein Urteil anzumaßen. Wir haben in Herhahn wenige Meter Luftlinie zum Nationalpark ein kleines Gewerbegebiet. Das gilt sicherlich auch in anderen Bereichen, wenn man beispielsweise nach Düren schaut. Bis zur Grenze des Nationalparks kann ein Landwirt machen, was er will, und bis dahin kann auch eine Wohnbebauung existieren oder eben auch eine gewerbliche Ansiedlung.
Interkommunale Zusammenarbeit gilt als große Herausforderung. Wie haben die beteiligten Kommunen und Kreise das Kirchturmdenken überwunden?
Es gibt den kommunalen Nationalpark-Ausschuss, den man vor 20 Jahren ins Leben gerufen hat. Das ist das formelle Gremium. Aber die Absprachen laufen auch informell gut miteinander. Das ist einfach und unkompliziert, wie da miteinander gearbeitet wird. Es war sehr sinnvoll, dass die Kommunalpolitik im gesamten Gründungsprozess federführend mit dabei war. Da sind sicherlich auch die einen oder anderen Kämpfe ausgefochten worden, als es um Zugänglichkeit, Wanderwege, Wegenetz und andere Punkte ging. Das hat man gut miteinander diskutiert und austariert, so dass ich den Eindruck habe, es geht jetzt gar nicht mehr um irgendwelche Kirchtürme, sondern dass wir in der Tat vernünftige Strukturen haben, in denen die Dinge miteinander besprochen werden.
Hat die Kooperation Auswirkungen auf andere Bereiche, zum Beispiel den Öffentlichen Personennahverkehr?
Wir haben von Anfang an zentrale Shuttle-Anbindungen geschaffen. Aber dann hatten wir das Problem, dass einzelne Bereiche des Nationalparks völlig überlaufen waren, zum Beispiel der Parkplatz am Beginn des barrierefreien Wanderwegs im Wilden Kermeter. Das widerspricht dem Naturschutzgedanken. Wir haben daher mit dem Kreis Düren gemeinsam einen Ringbus-Verkehr entwickelt, so dass von Gemünd Shuttlebusse in den Kermeter hochfahren und man diesen einen Wanderparkplatz nicht anzufahren braucht. Wir haben durch den Nationalpark durchaus noch einmal ein Bewusstsein dafür gewonnen, dass wir auch den ÖPNV mehr aus Perspektive der Besucherinnen und Besucher denken müssen. Wo kommen die an, wo wollen die hin? Und dann spielt es keine Rolle, wo die kommunale Grenze oder die Kreisgrenze ist. Außerdem haben wir inzwischen noch weitere touristische Wander- und Rad-Linien, zum Beispiel gemeinsam mit dem Kreis Ahrweiler den Wanderbus Oberes Ahrtal, der Wanderer oder Fahrradfahrer wieder zurück zu ihrem Ausgangsort bringt. Da waren sicherlich die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit im Nationalpark hilfreich.
Die Eifel galt als demographisch problematische Region, Geisterdörfer, Abwanderung in die Stadt. Jetzt ziehen wieder junge Familien in die Orte. Wie haben Sie das erreicht, und hat der Nationalpark etwas damit zu tun?
Der Kreis Euskirchen hat Anfang der 2000er Jahre eine so genannte Demographie-Initiative gestartet, ein langer Prozess mit verschiedenen Projekten. Damals wurde prognostiziert, dass wir älter und weniger werden. Wir hatten zu der Zeit um die 194.000 Einwohner und liegen jetzt bei knapp 200.000 Einwohnern. Dieser Zuwachs hat auch mit Migration zu tun, aber nicht nur. Er hat vor allem damit zu tun, dass sich viele junge Familien wieder im Kreis ansiedeln. Auch das kann man differenziert betrachten. Entscheidend für das Wachstum sind einerseits die Arbeitsplätze, die es gibt, aber vor allem die Infrastruktur, die gute Erreichbarkeit von Köln, Bonn und weiteren Großstädten. Wir stellen fest, dass in den Ortschaften vor allem entlang der Bahn sowie entlang der Autobahn wirklich Wohnraum knapp wird, dass Neubaugebiete entstehen. Die positiven Effekte haben jetzt nicht allein nur mit dem Nationalpark zu tun, sondern es liegt sicherlich auch daran, dass in den großen Städten Wohnraum immens teuer geworden ist. Und es hat damit zu tun, dass wir eine Menge getan haben, um die Infrastruktur hier zu verbessern. Wir haben eine gute Glasfaser-Anbindung auch in vielen kleineren Orten geschaffen. Das heißt, man kann gut im Homeoffice arbeiten. Die Eifelstrecke wird jetzt elektrifiziert, das heißt, da können wir demnächst von einem 20-Minuten-Takt ausgehen. Wir haben ein gutes Busnetz, obwohl wir ländlicher Raum sind. Das kostet uns jedes Jahr ein Schweinegeld, es ist schwierig, das aufrechtzuerhalten, ein richtiges Zuschussgeschäft. Aber es ist uns auch wichtig. Wir werden inzwischen durchaus als ein attraktiver Raum zum Leben wahrgenommen. Und der Nationalpark, das würde ich sagen, schadet dabei nicht.
Wie würden Sie den Mehrwert des Nationalparks für die Region beschreiben?
Es ist eine Menge an Wertschöpfung entstanden. Der Nationalpark bedeutet ja nicht nur eine Million Besucher pro Jahr, die Umsatz vor Ort lassen, sondern auch die Ausstrahlung, die damit verbunden ist. Sehr wichtig sind die touristischen Projekte und Kooperationen, die im Umfeld des Nationalparks entstanden sind. Es sind Arbeitsplätze entstanden, laut Studien im hohen dreistelligen Bereich. Neben dem Beitrag zum Umweltschutz ist das ein wirtschaftlicher Beitrag, welcher der Region gutgetan hat. Und die dritte Säule ist das Image. Die Wahrnehmung der Eifel hat sich durch den Nationalpark enorm verbessert.
Was ist Ihr persönlich schönster Nationalpark-Mehrwert?
Die Verankerung in der Breite. Wir haben inzwischen Nationalpark-Kitas und Nationalparkschulen, die als Bildungseinrichtungen gerne mit diesem Label werben. Damit geben wir quasi unseren Kindern schon mit, dass dieser Nationalpark zur DNA der Region zählt. Mir als Landrat, der relativ jung im Amt ist, macht es Spaß, an einem solchen generationenübergreifenden Projekt mitzuarbeiten.