Werl. Er mahnt den Papst zur Eile im Fall Kardinal Woelki: Das Interview mit Bischof Georg Bätzing sorgt für Aufsehen. Hier ist es im Wortlaut.
Für Bischof Dr. Georg Bätzing ist die Wallfahrt Werl eine kleine Auszeit von den immer neuen Hiobsbotschaften und Konflikten in der katholischen Kirche. Im Interview mit unserer Redaktion berichtet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, welche Sorgen er jetzt bei seinem Besuch der Muttergottes in Werl mitgebracht hat und wie es mit dem Synodalen Weg weitergeht. Bätzing war Hauptzelebrant des Hochamtes am Fest Mariä Heimsuchung und weihte anschließend den neuen Sorgenweg im Klostergarten ein. Das Interview durften wir fernab des Wallfahrts-Trubels im Wohnzimmer der Ursulinen im Pilgerkloster führen. Es hat nach der Veröffentlichung für erhebliche Aufmerksamkeit in ganz Deutschland gesorgt.
Desaströse Zahlen
Jeder der rund 100.000 Pilger jährlich bringt sein Päckchen mit zur Muttergottes von Werl. Hatten Sie auch ein Päckchen dabei?
Bischof Bätzing: Ja. Es sind zunächst immer persönliche Anliegen, die man zur Muttergottes mitnimmt. Die Familie ist dabei, ich komme ja aus einer großen Familie, Geschwister, Neffen, Nichten, Großneffen, Großnichten. Da gibt’s immer Anliegen. Dann kranke Menschen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und dann die Kirche. Den Papst müssen wir wirklich stützen in seinem Synodalen Weg der Weltkirche, der so wichtig ist. Und die Kirche in unserem Land, angesichts der desaströsen Zahlen. Eine halbe Million Ausgetretener, die aber nach wie vor nach Glauben, nach Orientierung suchen. Große Bitte: Maria, zeig uns, was Kirche sein kann, wie wir mit den Menschen in Berührung kommen können.
„O lass im Hause dein uns all geborgen sein“, so heißt es in dem Lied „Ein Haus voll Glorie schauet“. Wie können sich denn alle von der Frohen Botschaft angesprochen fühlen?
Das ist mein Anliegen. Es müssen alle mit ihren Überzeugungen und ihren Zielbildern von Kirche zur Sprache kommen können. Das ist wie in der Familie. Das geht nicht immer ohne Streit, weil jeder einfach ringt um Zustimmung, um Verständigung und wo ist der richtige Weg. Wir sehen nicht wirklich, wie es denn weitergehen kann, wir sehen nur, was hinter uns abbricht, und zwar sehr, sehr viel. Ein altes Kirchenbild der Volkskirche ist zu Ende. Und wir sehen noch nicht: Wie kann es uns gelingen, die Menschen von heute mit dem Evangelium in Berührung zu bringen? Und da brauchen wir viele unterschiedliche Wege. Nur so wird es gelingen können.
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Konflikte unter den Bischöfen
Die deutschen Bischöfe sind uneins darüber, wie es mit dem Synodalen Weg weitergehen soll. Vier der 27 Diözesanbischöfe lehnen es jetzt trotz Mehrheitsbeschluss ab, den Synodalen Ausschuss zu finanzieren. Ist das Reformprojekt damit gescheitert?
Zunächst einmal: Es geht nicht wirklich um Geld, sondern die vier Bischöfe sagen, das ist der falsche Weg, das ist auch eine Gewissensentscheidung, die wollen nicht. Wir haben das einmal durchgerechnet. Für eins dieser Bistümer betrüge die Summe, um die es geht, 8000 Euro. Das sind kleine Beträge. Wir brauchen ja nicht viel Geld, wir brauchen Menschen, die mit ihrem Sachverstand uns begleiten und diese Arbeit unterstützen. Wir werden aber diesen Synodalen Ausschuss haben. Es geht ja jetzt um eine Phase von drei Jahren. In diesen drei Jahren wollen wir die Überlegungen des Synodalen Weges umsetzen, weiterführen, evaluieren und schauen, wie wir dauerhaft einen Synodalen Rat bekommen, in dem Laien, Kleriker, Bischöfe miteinander unterwegs sind. Es gibt nichts Vernünftigeres. Wie sollen wir denn anders als gemeinsam die großen Fragen angehen? Also, es wird den Synodalen Ausschuss geben, und er wird auch auskömmlich finanziert sein. Das haben ja schon 23 Diözesen zugesagt, und da bauen wir jetzt einfach eine Lösung, wie wir das machen.
Der Papst muss endlich entscheiden
Das kurkölnische Sauerland blickt besorgt auf die anhaltenden Konflikte um Kardinal Woelki in Köln. Wie sehen Sie die Situation als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz?
Viele Gläubige weit über die Grenzen des Erzbistums Köln hinaus sind durch die anhaltende Vertrauenskrise sehr beschwert. Es kehrt dort keine Ruhe ein, ganz im Gegenteil. Persönlich glaube ich zwar, ich kenne die Details nicht, dass der Kardinal sicher nicht wissentlich die Unwahrheit gesagt hat. Das eigentliche Problem liegt aber in der einsamen Spitzenentscheidung, die sich der Heilige Vater vorbehalten hat, ob er den Rücktritt annimmt oder nicht. Hier wie in vielen anderen Situationen zeigt einfach das System der hierarchischen Autoritätsausübung seine offensichtlichen Grenzen. Die Kirche im Erzbistum Köln und in unserem ganzen Land leidet durch die seit Jahren ungeklärte Situation, sie erleidet großen Schaden. Es braucht jetzt für die Zukunft der katholischen Kirche viel mehr transparente Verfahrenswege, wie man auch solche Krisen löst. Und für jetzt kann ich nur eindringlich wiederholen, was wir Bischöfe ja auch dem Papst beim Ad-limina-Besuch im November gesagt haben: Bitte entscheiden Sie bald. Das ist die Botschaft, die ich gerne auch jetzt noch einmal unterstreichen möchte.
Urlaub im Sauerland
Neulich wurden Sie im Schmallenberger Sauerland gesehen.
So ist es. Da war ich jetzt schon zweimal mit meiner Schwester, die ja weiterhin im Siegerland wohnt, da haben wir so zwei, drei Tage Urlaub gemacht, und dann suchen wir natürlich, wo eine Messe gefeiert wird.
Sie kommen aus Niederfischbach, direkt bei Freudenberg und nicht weit von Wenden. Darf man Sie als halben Sauerländer bezeichnen?
Bischof Bätzing: Das Schöne ist natürlich, dass ich hier in Werl Menschen getroffen habe, die mich mit meiner Heimat verbinden. Ich habe Warsteiner Pilgerinnen und Pilger verabschieden dürfen, von Olpe war eine Gruppe hier, aus Wenden, das ist ja direkt schon Nachbarschaft zu meiner Heimat Niederfischbach, und, tatsächlich, kommt ja der Vater von Pastor Mockenhaupt auch aus meiner Heimat. Die Sauerländer und die Siegerländer sind sehr verwandt. Das sind Menschen mit einer klaren Spur im Leben, die haben Überzeugungen, die äußern sie auch und denen folgen sie, den Menschen kann man vertrauen, weil sie echte Menschen sind.