Kürten. Pferde im Karneval - ein umstrittenes Thema. Evelyn Schmitz zeigt, wie man die Tiere auf das Getümmel am Rosenmontag vorbereitet.

Eine Reitschule ist kein Ponyhof. Schon im Normalbetrieb laufen und krähen da kleine Kinder rum, dann fährt ein Traktor durchs Bild, oder ein Hund kommt gerannt, der nicht angeleint ist. Direkt vor diesem Hof und seinen Pferdewiesen, auf der Bundesstraße nach Köln, fahren auch noch die größten Laster vorbei. Aber Zeus, der 800-Kilo-Wallach, braucht jetzt ein besonders dickes Fell: Denn Evelyn Schmitz nähert sich ihm entschlossen und mit einem blauen Rappelsack. Schüttel, schüttel (den Sack, nicht das Pferd). Die leeren Blechdosen im Sack scheppern. Zeus guckt freundlich-interessiert. Er hat in Gelassenheit eine 1.

Zeus hat im November 2023 die offizielle Gelassenheitsprüfung (GHP) beim Pferdesportverband bestanden. Sehr gut. Damit darf er Rosenmontag im Zug in Köln mitlaufen. Schmitz hat ihn und ihre routinierten Zug-Pferde Eclair (ebenfalls eine 1) und Lars (ebenfalls eine 1) aber auch besonders hart trainiert: Wenn sie morgens noch alleine ist mit den Pferden, fröhlich füttert und mistet, dann läuft gern auch „Kölsche Jungs“. Oder „Romeo und Julia“ von Brings. Oder Kasalla. Oder die Kölsch-Rocker von Cat Ballou: „Mir fiere et Levve.“ Wenn man so will, ist den Tieren vorgeschrieben, Karnevalslieder zu hören. Schließlich verlangt die Landesregierung seit zwei Jahren, dass Pferde vor dem Zug „an spezielle brauchtums- und veranstaltungsspezifische Reize zu gewöhnen“ seien. Denn wenn erst et Trömmelsche jeht, ist es zu spät.

„Wenn sie in Bewegung sind, können sie viel verpacken“

Nur nicht erschrecken: Evelyn Schmitz (links) trainiert Zeus für seinen ersten Rosenmontagszug in Köln. Helferinnen werfen den Gymnastikball über das Pferd oder rollen ihn zwischen dessen Beinen hindurch.
Nur nicht erschrecken: Evelyn Schmitz (links) trainiert Zeus für seinen ersten Rosenmontagszug in Köln. Helferinnen werfen den Gymnastikball über das Pferd oder rollen ihn zwischen dessen Beinen hindurch. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Evelyn Schmitz bringt in ihrer Reitschule Biesenbach in Kürten im Bergischen Land vor allem Kindern das Reiten bei. 31 Pferde stehen hier. Es ist aber auch einer von mehreren Reiterhöfen im Land, die Pferde auf den Rosenmontagszug vorbereiten: Allein der Kölner Zug braucht rund 230. Schon Schmitz‘ Vater hatte einen Pferdehof, 500 Meter von hier, und er fuhr im Zug Kutsche mit der Ehrengarde. Nachdem seine Tochter sich selbstständig gemacht hatte, „hat die Prinzengarde 2010 gefragt, ob ich das mache“. Ja, sie wollte. „Ich bilde alle Pferde selbst aus. Ausgeglichene Freizeitpferde. Sie müssen entspannt sein.“ Im Zug sieht man deshalb vor allem große, schwere Kaltblüter. Kommt wahrscheinlich von „kaltblütig“.

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Natürlich kennt die 47-Jährige die Kritik von Tierschützern. Der Karneval sei zu stressig für die Tiere, sie hätten Angst, die Unfallgefahr sei hoch. Der Karneval in Bonn hat sich deshalb ganz von Pferden verabschiedet. „Pferde sind Fluchttiere, da haben die Tierschützer Recht“, sagt Schmitz: „Aber wenn sie in Bewegung sind, können sie viel verpacken.“ Wenn sie an der Bundesstraße reite „und es kommt ein Lkw entgegen, ist das ein größerer Schreck, als sich in der engen Gasse eines Karnevalszuges zu bewegen“. Ruhig, Brauner.

Außerdem hat jedes Pferd im Zug einen persönlichen Begleiter, den es kennt. Evelyn Schmitz läuft sozusagen als vertrauensbildende Maßnahme mit Zeus mit. „Das sind meine besten Kollegen. Die würde ich doch nicht ruinieren“, sagt sie über ihre Pferde: „Ich würde ihnen nichts zumuten, wenn sie dann Dienstag schwer durch den Wind wären.“ Ihr ältestes Karnevalspferd, längst in Rente, habe alles mitgemacht mit einer Ausnahme: „Es konnte nie über Kanaldeckel gehen.“ Schmitz gestikuliert an dieser Stelle eine Kurve.

Sprühflasche, Rappelsack, Luftballons, Trompetenspiel: die Gelassenheitsprüfung

Evelyn Schmitz bringt Zeus bei, nicht zu erschrecken, wenn Menschen Schirme aufspannen.
Evelyn Schmitz bringt Zeus bei, nicht zu erschrecken, wenn Menschen Schirme aufspannen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Am Ende allen Trainings steht die Gelassenheitsprüfung, die auch längst nicht jeder . . . längst nicht jedes Pferd besteht. Wenn jemand ganz in ihrer Nähe Trompete spielt und Luftballons hinter einer Hecke steigen lässt. Wenn sie durch einen Bogen mit Flatterbändern gehen müssen. Oder über unterschiedliche Böden und Plastikplanen (das soll den Müll simulieren, der längs des Zuges entsteht). Sprühflaschen werden entleert, Rappelsäcke geschüttelt, versteht sich. „Ein Pferd gilt als gelassen“, so steht es bei der Pferdesportvereinigung, „wenn es während der gesamten Prüfung dem Pferdeführer aufmerksam, aber ruhig und gehorsam mit einer deutlich erkennbaren Bereitschaft zur Mitarbeit folgt“.

Bleibt noch der Regenschirm. Auch eine Pflicht-Aufgabe. Evelyn Schmitz will sie vorführen. Sie steht nun dicht vor Zeus in einer Koppel, fängt plötzlich an, einen Schirm auf- und zuzuspannen, auf und zu, auf und zu. Zeus guckt freundlich-interessiert. Er klappt sogar die Ohren nach vorn, ist aufmerksam und gut gelaunt. Dann schnappt er sich den Schirm mit dem Maul. „Alles musst du anfassen“, sagt Evelyn Schmitz mit freundlichem Tadel. Hoffentlich bleibt‘s Rosenmontag trocken.