Spätestens im März steht in allen ordentlichen Haushalten der große Frühjahrsputz an, oder? Nicht unbedingt, behauptet Experte Gereon Broil.
Mitte März – früher war das die Zeit, in der man das Haus auf den Kopf stellte; schrubbte, fegte, wischte und polierte, bis es selbst in den hintersten Ecken glänzte. Höchste Zeit für den Frühjahrsputz also? Sinn und Unsinn des alljährlichen Großreinemachens erklärte der Ökotrophologe Dr. Gereon Broil von der Sektion für Haushaltstechnik an der Universität Bonn Ute Schwarzwald.
Den größten Ekelfaktor hat das dreckige Spültuch
Ist Frühjahrsputz noch angesagt oder hat er sich überlebt?
Broil: Regelmäßiges Saubermachen ist wichtig. Wenn man immer planvoll vorgeht, erübrigt sich der Kolossalschlag im Frühjahr. Früher war es sinnvoll – besonders in bäuerlich geprägten Haushalten – im Haus klar Schiff zu machen, bevor nach dem ruhigen Winter wieder die harte Arbeit losging, Heute ist der Frühjahrsputz eher Event als nötig.
Bedauern Sie das? Geht da eine gute, alte Kulturtechnik verloren?
Viele junge Menschen kennen nicht einmal mehr den typischen Wochenputz. In fremden Haushalten würde ichich meinen Salat lieber in der Kloschlüssel waschen als in der Spüle. Das Spültuch am besten täglich zu wechseln, tun die wenigsten – und das ist wirklich ein Unding. Das hatden größten Ekelfaktor. Und Putzen hat doch auch mit Optik zu tun. Es ist ein gutes Gefühl, wenn das Haus sauber aussieht und auch danach riecht.
Die beste Strategie: Von oben nach unten putzen
Also lieber regelmäßig flott statt einmal richtig gründlich putzen?
Kritische Stellen wie Küche und Bäder müssen regelmäßig geputzt werden. Auf dem Dachboden oder im Keller muss nicht jede Woche eine Grundreinigung durchgeführt werden. Das kann man sich ruhig für das Frühjahr aufheben.
Wenn es denn gründlich sein soll – wie fang ich das praktisch an?
Eher an einem freien Tag oder am Wochenende als abends nach der Arbeit. Und immer von oben nach unten – ist einfach die bessere Strategie. Sie räumen den Kühlschrank ab und tauen ihn ab, wischen ihn aus, inspizieren den Inhalt und sortieren wieder ein. Ähnlich verfahren Sie mit Schränken und Mülleimer. Dann saugen Sie verstaubte Sofas ab und machen sich anschließend an die Oberflächen, einschließlich der Computer-Tastaturen! Aber für diese besser keinen allzu scharfen Reiniger nehmen, sonst sehen Sie danach die Buchstaben nicht mehr.
Die Klobürste ist nicht zur Zierde da
Apropos: Welches „Werkzeug“ brauche ich für den Frühjahrsputz?
Wasser und ein Tensid, normale Spülmittellauge, für alles, was feucht zu reinigen ist. Für den Rest besser Mikrofaser- als Staubtücher, die nehmen mehr auf. Bücherregale kriegen Sie am einfachsten mit dem Pinsel des Staubsaugers sauber. Für Fenster noch was mit Alkohol.
Kein antibakterielles Mittel für die Küche, keine Chemiekeule fürs Bad?
Starke Verschmutzungen gehen nur durch abrasive Reiniger (mit feinen Sandpartikeln) weg. Aber Reinigungsmilch ist besser als Scheuerpulver. Ein sanfter Glaskeramikreiniger eignet sich auch für empfindliche Kunststoffe. Im Bad lösen säurehaltige Toilettenreiniger den Urinstein, am besten solche in pastöser oder Schaumform. Bitte nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Die Klobürste ist kein Ziergegenstand, die darf benutzt werden. Völlig verzichtbar sind Reiniger , die Mikroplastik enthalten.
Viele fürchten, das sanftere, umweltverträglichere Produkte gefährlichen Bakterien und Keimen nicht gerecht werden . . .
Antibakterielle Reinigungsmittel sind in einem normalen Haushalt unnötig. Man weiß ja gar nicht genau, wie die wirken. Wir empfehlen sie nur bei besonderen Situationen, während einer Schwangerschaft vielleicht. Das Immunsystem von Kindern muss lernen, mit dem Bakterien- und Schmutzpegel im Haus umzugehen. In der Hygienehysterie sehe ich einen Grund für die erhöhte Allergieanfälligkeit von Kindern.
Haushalt sollte Pflichtschulfach werden
Was ist von Mitteln zu halten, die höchste Sauberkeit bei geringstem Aufwand versprechen: Aufsprühen, abspülen, fertig! Klingt gut. . .
Ja, das wird immer wieder so beworben und ist womöglich ganz praktisch, funktioniert vielleicht auch auf robusten Oberflächen. Aber die sind auch herkömmlich gut zu reinigen. Und im Bad entstehen die lästigen Kalkrückstände gar nicht erst, wenn Dusche und Becken nach jedem Benutzen trocken gewischt werden.
Sie haben keine Kinder, oder?
Doch, eine Tochter und zwei Söhne. Aber eine Putzhilfe, einen Putzmann übrigens, hatten meine berufstätige Frau und ich nur, als die klein waren. Später mussten auch unsere Kinder die Dusche nach jeder Benutzung abtrocknen und das Becken auswischen. Das war ein ganz normaler Vorgang bei uns, ist aber wohl nicht überall üblich, stelle ich immer wieder fest.
Von wem sollen es die Kinder denn lernen, wenn viele Eltern heute selbst nicht mehr wissen, wie richtig geputzt wird. Früher wies die Mutter die Tochter ein . . .
Schon in der Grundschule kann man erste Kenntnisse vermitteln. Hausarbeit als Pflichtschulfach würde auch helfen, die klassische Rollenverteilung „Frau putzt, Mann nicht“ weiter aufzubrechen.
Hat sich in dem Bereich nicht schon viel getan?
Zu wenig. Was nicht allein an einer mangelnden Bereitschaft der Männer liegt. Frauen müssen Männern Aufgaben wie Waschen und Spülen auch zutrauen. Und akzeptieren, dass diese es vielleicht anders machen als sie selbst.
Reiniger-Mix kann wie Kampfstoff wirken
Im Haushalt passieren viele Unfälle. Ist der Frühjahrsputz ein Hochsicherheitsjob?
Wir registrieren 10.000 Haushalts-Unfälle jährlich. Da steckt oft Unwissenheit dahinter. Putzmittel haben es in sich. Basische und saure Reiniger etwa ergeben in Kombination eine gefährliche Mischung, eine Art Kampfstoff. Die beliebten Wasch-/Spülmaschinentabs bergen für Kinder hohes Vergiftungsrisiko.
Haben Sie Ihren Frühjahrsputz schon erledigt?
Wir machen keinen. Wir putzen regelmäßig.