An Rhein und Ruhr. . Bald holen wir sie wieder als Weihnachtsbäume zu uns ins Haus: Tannen, Kiefern, Fichten. Zeit, diese Bäume mal etwas besser kennenzulernen.
Oh, Tannenbaum! Jedes Jahr im Dezember bringen Kinder und Erwachsene einem buntgeschmückten Baum ihr Ständchen – ganz gleich, ob sich unter Kugeln und Kerzen wirklich eine Tanne verbirgt oder vielleicht doch eine Fichte. Nicht nur in der Weihnachtssaison ist der Tannenbaum zum Synonym für allerlei Nadelgehölz geworden – dabei lohnt sich ein genauerer Blick auf alles, was da „nicht nur zur Sommerzeit grünt“.
Die „Zapfenfrage“ entlarvt den Laien
Einer, der diesen Blick lenken kann, auf Nadeln, Zapfen und besondere Borken, ist Prof. Thomas Stützel, der Leiter des Botanischen Gartens in Bochum und ein echter Koniferenexperte. Die Lateiner werden es wissen, alle anderen können es nachschlagen: Conus bedeutet Kegel, ferre heißt tragen.
Professor Stützel ist also Fachmann für „Kegelträger“. Und entlarvt den Laien sofort mit einer simplen Frage: „Haben Sie im Wald schon mal einen Tannenzapfen gefunden?“ Wer bejaht, ist ertappt. Denn Tannenzapfen zerfallen am Baum, wie der Experte erklärt – sie landen eben nicht im Ganzen auf dem Boden wie etwa Fichtenzapfen.
Riesen-Zapfen als „Witwenmacher“
Zu Letzteren eine, wenn auch makabere, Anekdote: Pinus coulteri, die Coulter-Kiefer, die in amerikanischen Waldgebieten wächst, trägt den Spitznamen widowmaker, Witwenmacher.
Ihre Zapfen fallen im Ganzen vom Baum – und sind mit bis zu 20 Zentimetern Durchmesser und bis zu 40 Zentimetern Länge ziemliche Brocken. Gefährliche Brocken.
Doch zurück in den Botanischen Garten: Dort präsentiert Professor Stützel stolz eine Art nach der anderen. Zu jedem Baum hat er nicht nur den botanisch korrekten Titel parat – er kennt auch Geschichten.
Trojanisches Pferd war wohl aus Tannenholz
Zum Beispiel die der Abies equi-trojani, auch Kleinasiatische, Westtürkische oder einfach Troja-Tanne genannt. Aus ihrem Holz soll laut Stützel das berühmte Trojanische Pferd gebaut worden sein. Das Exemplar im Botanischen Garten ist gerade mal 40 bis 50 Jahre alt und fällt in der Gesellschaft einiger anderer großer Bäume nicht unbedingt auf – im Lichte von Stützels Anekdote jedoch...
Etwas deutlicher macht die Schlangenhaut-Kiefer (Pinus heldreichii) auf sich aufmerksam. Rund um den Stamm bedecken Schuppen den Boden: Teile der namensgebenden Borke.
Bis zu 60 Zentimeter dicke Borke
Auch die Borke des Riesenmammutbaumes (Sequoiadendron giganteum) ist einen Blick oder vielmehr eine Berührung wert: Sie besteht aus feinen Lamellen, die in mehreren Schichten übereinanderliegen und wie ein Schwamm leicht nachgeben, wenn man sie anfasst.
Bei älteren Exemplaren kann die Borke 40, 50 oder 60 Zentimeter dick sein. „Das dient dem Feuerschutz“, erklärt Stützel. „Bei einem Brand wird der Baum außen zwar ganz schwarz, fängt aber nicht so schnell an zu brennen.“
Die nächste Konifere, die Stützel vorstellt, könnte „allein einen ganzen Wald bilden“, ist in deutschen Gärten dennoch eher als Heckengewächs beliebt. Die Äste des Lebensbaumes, Thuja, wachsen in Richtung Boden, wo sie Wurzeln bilden, so dass sich irgendwann kaum noch sagen lässt: Was war Stamm, was Ast? Doch der Baum ist offenbar bescheiden, nur freistehende Exemplare würden sich auf diese Weise ausbreiten, erklärt Stützel.
Klein und fein: die Koreatanne
Weniger in die Breite, dafür aber in die Höhe geht der Urweltmammutbaum, Metasequoia glyptostroboides, der jährlich um bis zu einen Meter wächst. „Das muss man schon wissen, bevor man sich so einen in den Garten pflanzt“, sagt Stützel trocken. „Der ist schnell im sechsten Stock angekommen.“
Dann doch besser eine Koreatanne: ist klein, bleibt auch klein – und ist deshalb bevorzugt in Vorgärten anzutreffen.
Der Spaziergang durch Stützels Reich geht weiter: von der Atlas- zur Libanon-Zeder, von der blaugrünen spanischen Tanne, deren Färbung von einer Wachsschicht herrührt, schließlich zur Spießtanne, die sie in Südbrasilien Pineiro Alemão nennen, was eigentlich Deutsche Kiefer heißt. Pineiro wiederum hat umgangssprachlich den Status unseres Tannenbaums.
Kompliziert? Ach was. Zeigt es doch nur, dass am Ende immer alles auf den guten alten Tannenbaum hinausläuft. Sogar international.
Woher kommt der eindringliche Duft?
Je mehr Harz ein Baum enthält und je wärmer es ist, desto intensiver der Geruch der ätherischen Öle. Die Douglasie beispielsweise duftet nach Zitrone. Doch welchen Zweck erfüllt das Baumharz? „Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Holzwurm und müssten da durch“, sagt Koniferenexperte Prof. Thomas Stützel, „das würde Ihnen aber die Atemwege verkleben“.
Weil wir zum Glück keine Holzwürmer sind, verklebt uns das Harz allenfalls die Finger. Dagegen helfen Salatöl oder Margarine. Hinterher nur noch mit Seife die Hände waschen und weg sind die klebrigen Rückstände.