Ruhrgebiet. . Am Samstag hat das Ruhrgebiet seine wichtigste Wasserstraße gefeiert: den Rhein-Herne-Kanal, den es jetzt 100 Jahre gibt. 20.000 Menschen feierten mit, auch wenn das „KanalLeben“ unter dem trüben Tag litt. Am Tag danach aber schlüpfte der “Rhein von Gelsenkirchen“ in seine alte Rolle zurück.
Dirk Cebula hat ja noch ein vergleichsweise warmes Plätzchen gefunden, und zwar im Hafenbecken von Recklinghausen. Wasser 19 Grad, Luft 15 Grad, was soll man da noch machen, außer zu springen? „Erfrischend“, sagt der 48-Jährige aus Herne, oder „angenehm“, und zieht sich nach zwei Runden frierend wieder an. Und warum genau ist er jetzt gesprungen? „Weil man mal die Möglichkeit hatte!“
Am Samstag sind am Rhein-Herne-Kanal nämlich alle Regeln außer Kraft. Es fahren keine Binnenschiffe, und es dürfen Menschen drauf. Und rein in den Kanal, denn er ist 100 Jahre alt geworden. 20.000 Menschen haben mitgefeiert bei dieser Aktion „KanalLeben“, so der „Regionalverband Ruhr“ am Sonntag: gefeiert 60 Kilometer lang zwischen Duisburg und Waltrop, in Essen, Herne, Castrop-Rauxel und sonstwo und an Stellen, wo die Straßen Namen tragen, die den Kanal bezeugen: „Am Hebewerk 2“, „Am Stadthafen 6 – 9“, „An den Schleusen 33a“ oder gleich „Am Rhein-Herne-Kanal 13“.
„Nur schade mit dem Wewtter, ne?“
Freilich bleibt der Rhein-HerneKanal beim „KanalLeben“ doch deutlich unter seinen Möglichkeiten, weil das wahre Kanalleben kaum passiert am Samstag: So trübsinnig, wie dieser Tag ist, nimmt sich niemand vor, zu schwimmen, zu picknicken oder zu grillen nahe der Spundwand. Meistgehörter Satz daher: „Nur schade mit dem Wetter, ne!“
Es regnet auf das Gelände des entschlossen feiernden „Kanu- und Ski-Clubs Herne“, also gehen wir mit dem Vorsitzenden Matthias Drenhaus jetzt mal ins Vereinsheim. Kanu- und Ski-Club? Ja, sagt Drenhaus, angefangen habe es mit Skifahren und mit Paddelbooten (auf dem Wasser, versteht sich, nicht im Schnee). Heute aber ist der 85-jährige Verein voll motorisiert. Und was ist ihm der Kanal? „Wassersport, der sofort verfügbar ist“, sagt der Recklinghäuser Drenhaus, „manchmal komme ich nach der Arbeit her und fahre noch eine Stunde raus.“ Man könne „jederzeit weg, ohne Urlaub zu nehmen“.
Das Fahrgastschiff zwischen den Schrottplätzen
„KanalLeben“ also: Sie waren unterwegs in Ruder- und in Drachenbooten. Staffelschwimmen gab es und einen „Arschbombenwettbewerb“ (der woanders auf der Welt etwas vornehmer „Splash Diving“ heißt); Schleusenführungen, Probetauchen, Wrackbergung und Musik auf dem Oberdeck.
Oder sie konnten das Passagierschiff „Pirat“ entdecken, dass in Gelsenkirchen an einer Stelle (nahe dem Zoo) abfährt, die den Fahrgästen einen erstklassigen Blick auf Schrottplätze und Schutthalden schenkt. Muss man mögen. Kann man aber auch von ganzem Herzen mögen, diese ungeschlachte Landschaft links und rechts des „Rheins von Gelsenkirchen“, wie eine Frau sagt.
„Betreten und benutzenstrompolizeilich verboten“
Und am Sonntag? Ist dieser Rhein wieder ein Kanal, sind die allgegenwärtigen Schilder „Betreten und benutzen strompolizeilich verboten“ wieder in Kraft. Die Schleuse Gelsenkirchen hebt gerade die „Neutraal“ in Fahrtrichtung Osten an, und da endlich wieder eine schüchterne Sonne scheint, hebt auch das Kanalleben wieder an, jetzt in der vertrauten Gestalt der vielen Fahrradfahrer.
Auf der Brücke bremst Klaus Rutkowski sein Fahrrad ab. „Ich hab’ hier eine tolle Kindheit gehabt“, erzählt der 60-Jährige Tischlermeister, der heute ein Gladbecker ist. „Da hinten“ (deutet Richtung Duisburg) „gehe ich noch heute manchmal nach der Arbeit schwimmen“. Und überhaupt, damals, nach dem überstandenen Herzinfarkt, als er erstmals wieder am Kanal radeln konnte, „da habe ich gesagt: Danke, lieber Gott!“