Werl/Gladbeck. . Der Geiselgangster von Gladbeck darf ausgehen, in Begleitung, aber ohne Handschellen. Frühestens in zwei Jahren könnte Dieter Degowski endgültig freikommen. 60 Jahre wäre er dann und gelernter Koch. Doch darüber haben die Gutachter zu entscheiden.

Es ist sicher nicht einfach, unerkannt eine Pommes essen zu gehen, wenn ein Justizvollzugsbeamter und ein Psychologe auf Schritt und Tritt folgen, wenn man vor 26 Jahren als Mörder im Gladbecker Geiseldrama bekannt wurde, wenn man Dieter Degowski ist. Er versucht es dennoch. Seit Februar hat der Häftling des Werler Gefängnisses „begleiteten Ausgang“ – einmal im Monat und ohne Handschellen. Degowski wird so auf die Freiheit vorbereitet.

„Der Gefangene darf weitgehend selbst entscheiden, was er unternimmt“, erklärt Detlef Feige, Sprecher des NRW-Justizministeriums. Pommes oder Café, Waldspaziergang oder Schlendern am See. Was Degowski genau unternimmt und wo, das wird natürlich nicht verraten. „Er ist eher ein zurückgezogener Typ, wie ich hörte.“

„Bitte beenden Sie das Gespräch“

Bisher scheint es Degowski gelungen zu sein, unauffällig zu bleiben. „Er sieht natürlich nicht mehr so aus wie auf den alten Bildern“, sagt Feige. Und sein Bewacher wie auch der Psychologe tragen selbstverständlich zivil. In der Regel halten sie sich einige Schritte hinter dem Gefangenen, und sollte der doch einmal erkannt werden, „entscheidet der Beamte, wie es weiterlaufen soll. Er kann sagen: Bitte beenden Sie das Gespräch. Er kann auch die Handfesseln anlegen.“

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Der Psychologe dagegen soll den Mörder beobachten, der 1988 eiskalt den 15-jährigen Italiener Emanuele de Giorgi erschoss, als der sich schützend vor seine neunjährige Schwester stellte. Darum sah das Gericht bei Degowski später eine „besondere Schwere der Schuld“, weswegen er mindestens 24 Jahre absitzen musste.

Wie ist seine „Art im Umgang“ heute? Bislang habe es keine Probleme mit Degowski gegeben. „Er weiß, was auf dem Spiel steht“, sagt Feige. Die Bewertung des Psychologen wird eine große Rolle spielen, wenn frühestens 2016 über die Freiheit von Degowski entschieden wird – „unter strengen Auflagen“.

Rund zweieinhalb Jahre dauert der Prozess der Entlassungsvorbereitung. Eingeleitet haben ihn die Justizbehörden nicht etwa aus freien Stücken. Als Degowski seine 24 Jahre abgesessen hatte, stellte seine Anwältin Lisa Grüter einen Haftprüfungsantrag. Das Landgericht Arnsberg entschied darauf im August vergangenen Jahres, dass auch Degowski das Recht hat, vorbereitet zu werden auf ein Leben in Freiheit.

Kurz darauf begannen erste kurze Ausführungen in Fesseln. Aktuell befindet er sich in Stufe zwei dieses Prozesses. Bald wird er auch in Freiheit übernachten dürfen – begleitet, versteht sich. Und danach? Rente, Arbeitslosenhilfe, Wohnungsfrage – all diese Dinge bespricht er mit einem Sozialarbeiter. Ein Standardprozedere.

Gelernter Koch von 60 Jahren mit Vorgeschichte sucht...

Auf dem Papier zumindest hat der 58-Jährige sich gut geführt. „Er hatte keine Disziplinarverfahren“, erklärte seine Anwältin nach dem Prozess. „Er hat bewiesen, dass er sich an Regeln halten kann.“ Der Werler Gefängnisdirektor Michael Skirl dagegen sagte schon zuvor, Degowski habe sämtliche Therapien „nur angekratzt“.

Er vegetiere in der Haft wehleidig vor sich hin und arbeite als Hofreiniger, weil er für andere Jobs nicht geeignet sei. Eine Kochlehre habe man ihn nur wegen des Erfolgserlebnisses bestehen lassen. „Degowski ist nun mal wenig intelligent, ein Mitläufer.“ Das Leben in Freiheit mache nur Sinn, wenn man ihn zum Beispiel in einem Heim unterbringe.

Degowskis in Rheinbach einsitzender Kumpan Hans-Jürgen Rösner zeigte sich allerdings deutlich unkooperativer. 2009 wurden in seiner Zelle sieben Gramm Heroin gefunden, was ihm sechs weitere Monate einbrachte. Und da bei ihm als „Hangtäter“ auch Sicherungsverwahrung verhängt wurde, stehen seine Chancen deutlich schlechter, zeitig herauszukommen. Was ihn nicht hindert, entsprechende Anträge zu stellen. (tom)