Oberhausen. Ein Oberhausener Spielzeuggeschäft überlässt abends dem Kind im Manne das Feld zwischen Puppen und Playmobil. Dann müssen die Väter und Nicht-Väter keine Kinder mehr vom Kicker verjagen. Sie messen ihre Kräfte beim Wettpuzzlen und Rennfahrten auf der Carrera-Bahn. So erfüllen sich Träume.
Das niedliche Kinderpuzzle mit dem Feuerwehrauto wird ja gerne völlig unterschätzt. Dabei ist es genau das Spiel, das eigentlich möglichst früh am Abend gespielt werden sollte: Denn auch überschaubare 35 Teile verwirren irgendwann später die Sinne, wenn man zwischendurch mit dem Bier weitergemacht hat. „Ich hab’ schon erlebt, dass der eine aus der Mannschaft das letzte Teil suchte und suchte, und der andere hatte es in der Hand und merkte es nicht“, sagt Sven Bartz. Er stoppt gerade die Zeit des ersten Zweier-Teams, das sich schlauerweise ganz früh abmüht mit den 35 Teilen. Drei Minuten, vier Sekunden: Nicht schlecht für zwei Mittvierziger.
Gegen Vierjährige hätten sie damit natürlich keinerlei Chance, aber hier sind die Herrschaften gottlob komplett unter sich. 18.30 Uhr war es an diesem Freitagabend im „Haus des Kindes Bartz“ in Oberhausen, ganz in der Nähe des Bahnhofs von Sterkrade, als die letzten Eltern ihre schreienden Kinder heraustrugen und die ersten freudig erregten Kerle hereindrängten. Es gibt doch jetzt: Männerabend im Spielzeuggeschäft.
Die Sieger bekommen einen Einkaufsgutschein
Ab 18 Jahren. Gegen die nicht unerhebliche Vorkasse von 30 Euro. Man ahnt es an dieser Stelle schon: Jeder Männerabend ist voll. Also, richtiggehend ausgebucht. Die Sieger bekommen je einen Einkaufsgutschein. Fürs Spielzeuggeschäft.
Bartz bietet den Männerabend seit einigen Jahren an, er dient der Werbung und der Kundenbindung und war eine Idee von Junior-Chef Sven Bartz. Eine logische Idee, wenn man wie er erlebt hat, dass es jene legendären Väter tatsächlich gibt, die eine Rennbahn kaufen wenige Tage nach der Kindsgeburt. Oder der von Männern gehört hat, dass sie davon träumten, ein einziges Mal, eine einzige Nacht – eingeschlossen zu sein im Spielzeugladen. „Wir haben den Männerabend auch schon als Weihnachtsfeier gemacht, das ging auch“, sagt Bartz. Sie haben ihn ebenso schon als Junggesellenabschied gemacht. Das ging nicht. Sagen wir so: Es ließ sich zuletzt nicht völlig ausschließen, dass einer der Junggesellen zu fortgeschrittenster Stunde einfach ganz gesellig ins Regal pinkeln würde.
Die wichtigsten Disziplinen
So ist das aber heute nicht, am normalen Männerabend „haben die am Ende ihre drei, fünf, sechs Bier, da ist noch nie was passiert“. In der Toreinfahrt des Ladens sieht man noch die Spuren, wie hoch erfreulich der Abend begann: Das Mineralwasser ist zwar unangetastet, eine erste Kiste Bier jedoch leer, und es kokeln noch ganze zweieinhalb Restwürstchen. Kurzum: Eigentlich haben sie schon eine der wichtigsten Disziplinen des gelingenden Männerabends als solchem hinter sich und eine weitere begonnen.
32 Männer sind reingeschlüpft in das Geschäft, es ist voll wie immer; und Sven Bartz (31) führt sie gerade erklärenderweise am Parcours entlang, den sie im Laufe des Abends auf zwei Stockwerken zu bewältigen haben. In Zweierteams und freier Einteilung, welche Mannschaft wann was macht. Und die Spiele, die da stehen? Kommen dem männlichen Geschmack im Allgemeinen sehr entgegen: eine Rennbahn und eine Dart-Scheibe sind darunter, ein Kicker und eine Torwand, eine Art Boccia und eine Art Kegeln und eine Art Tischhockey und eine echte Carrera-Bahn, wo später am Abend der eine Team-Kollege den anderen auffordern wird: „Jetzt gib Gas!“ Kollege gibt Gas. Rennauto macht, was es will. „Nein! Vorwärts!!!“
Später am Abend: „Welches war denn jetzt meins?“
Herr Bartz, was ist denn von all den Spielen am beliebtesten? „Wenn wir gegen Mitternacht die Auswertung machen, stehen die meisten ganz schnell an der Carrera-Bahn.“
Nicht alle sind Väter
Nach Augenschein sind sie alle zwischen Mitte 30 bis höchstens Ende 40, sind alle ganz normale Männer, durchaus nicht alles Väter, und hauen Sprüche raus, wie es Männer tun: „Unsere Namen dürfen Sie aber nicht schreiben, unsere Frauen denken doch, wir arbeiten.“ – „Fragen Sie mich jetzt was. Nachher kann ich Ihnen nicht mehr antworten.“ – „Ihr seid auch wieder da? Ihr habt doch letztes Mal gewonnen! Scheiße!“
Es zeigt sich nämlich dann, dass viele schon öfter hier waren zum Männerabend – dreimal dabei war zum Beispiel Tobias Gesell, er meldete sich an im Februar und kommt jetzt im Mai zum Zuge. Viermal hat Jens Westphal bereits mitgemacht: „Ich bin immer wieder hier, weil ich schon als Kind hier reingegangen bin. Tradition“, sagt der 41-jährige Maler und Lackierer: „Das ist hier wie so ein kleines ,Schlag den Raab’.“
An der Torwand, wo ein Mann aus wenigen Metern Entfernung jetzt zum zweiten Mal auf peinliche Weise daneben schießt und statt des Tores einen im weitesten Sinne daneben stehenden Kinderwagen trifft: „Den musst du jetzt kaufen!“, ruft sein Mitspieler. Beim Boccia, wo das Schweinchen irgendwie im Verkaufsregal gelandet ist und alle lustvoll mit Stoffbeuteln hinterherwerfen – man freut sich an Puppen unter Beschuss. Überhaupt, die Lautstärke schwillt an im Laufe des Abends; da trifft es sich außerordentlich, dass Omas Wohnung über dem Geschäft leer steht.
Jetzt macht der Männerabend Sommerpause
Am Ende des Abends kommen die zwei Einkaufsgutscheine. Väter haben es an dieser Stelle echt leichter. Nicht-Väter geben die Gutscheine gerne weiter. Oder holen sich erfahrungsgemäß: etwas mit Motor oder Fernsteuerung.
Männerabend macht jetzt Sommerpause. Anmeldungen für den Herbst werden bereits angenommen. Dann soll auch die Attraktion aller Attraktionen wieder dabei sein, die an diesem Abend leider fehlte: ein kleiner Lkw, den die Männer mit Fernsteuerungen beladen und wegfahren müssen. Kinderspiel!
Da sind die 35 Teile des Feuerwehrpuzzles viel schwieriger. Je später der Abend.