Gelsenkirchen.. Immer mehr Feierabendmärkte gibt es im Ruhrgebiet. Kein Wunder, es deckt einen Bedarf nach Einkaufen ohne Hektik. Für die Händler hat das neue Angebot ebenfalls Charme. Das Publikum kauft ohne Hektik ein – und gibt auch mehr Geld aus.

Shoppen wird zum Event, Kommunikation und Konsum feiern fröhliche Feste auf den neuen Feierabendmärkten im Revier. Bochum hat seinen „Moltke-Markt“ auf dem Springerplatz bereits seit September 2013. Nun hat auch Gelsenkirchen-Buer seinen Feierabendmarkt, den „Markt am Dom“.

„Es gibt einen Markt für den neuen Markt“, sagt Siegbert Panteleit, bei Gelsendienste zuständig für die Wochenmärkte, nach der Premiere. „Es ist eine supertolle Idee“, freut sich Doris Walpulski (65). Die Wattenscheiderin ist zur Einweihung extra nach Buer gekommen, um mit ihrer Freundin Eva Boshuizem bei einem Glas Wein, einem italienischen Snack ihren Geburtstag nachzufeiern. „Hier kann man klönen und einkaufen, ohne auf die Uhr schauen zu müssen.“

Gegenveranstaltung zu Wochenmärkten

Eine trendige Gegenveranstaltung zu den traditionellen Wochenmärkten sollen die neuen Feierabendmärkte werden, die abseits des klassischen Marktplatzes mit einem neuen, oftmals auch hochpreisigeren Angeboten die Innenstädte beleben. Die Menschen ansprechen sollen, für die wegen der eigenen Arbeit ein Besuch auf dem morgendlichen Markt bisher illusorisch war.

„Markt-Kunden erwarten frische Ware in bestmöglicher Qualität“, sagt Herwig Niggemann, Chef des Bochumer Gastronomie-Großhandels und einer der „Erfinder“ des Feierabendmarktes. Im Auftrag der Stadt hat er seit einigen Jahren die Entwicklung der Bochumer Wochenmärkte beobachtet und den „Moltke-Markt“ im Schatten der Jahrhunderthalle mit organisiert. Am Vormittag zeige der Marktbesucher ein eher rationales Kaufverhalten, am Nachmittag oder Abend überwiege der „Spaßfaktor“. Mit den Händlern ins Gespräch zu kommen, Prosecco zu schlürfen und Häppchen zu probieren: Das spricht auch ein ganz anderes Publikum an. Es ist bereit, 54 Euro und mehr für ein Kilo Rindfleisch aus Kanada zu zahlen, und: Es plaudert und genießt gern.

Genau da fängt die Gratwanderung zwischen Wochenmarkt und Gourmet-Meile an. Herwig Niggemann: „Der Kern eines Marktes sind die Stände mit Obst, Gemüse, Fleisch und Fisch.“ Die Händler müssten eine reale und dauerhafte Vermarktungschance für ihre Waren erhalten, dürften nicht als Kulisse dienen für Freiluft-Gastronomen. Den richtigen Händler-Mix zu finden, um damit den Markt auch konzeptionell zu gestalten, könne ein Marktmeister, in der Regel ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes, nicht leisten. Niggemann: „Das muss ein Privater sein.“ Einer, der die Mentalität der selten mit einer Stimme sprechenden Markthändler kennt. Einer wie Siegbert Panteleit, der auch auf dem „Moltke-Markt“ auf die richtige Mischung achtet.

Ganz anders als der Frühmarkt

Trotz zurückgehender Umsatz-Zahlen können auf Wochenmärkten gute Geschäfte gemacht werden. „In Köln“, so Niggemann, „gibt es rund 900 Markthändler und alle Marktplätze laufen erfolgreich. In Hamburg muss man ein Jahr warten, um einen Standplatz zugewiesen zu bekommen.“

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In Gelsenkirchen-Resse könnte ein Händler seinen Stand von jetzt auf gleich aufbauen, denn auf dem Marktplatz herrscht weitestgehend Leere. Wären da nicht Petra und Walter Marciniak, Markthändler aus Herten, die dem Vorort-Markt in der Nachbarschaft seit Jahrzehnten die Treue halten. Bei einem Feierabendmarkt, zum Beispiel nebenan in Buer, mitzumachen, können sie sich – in der Theorie – vorstellen. Aber sie sagen: „Wir wollen unseren Kollegen dort keine Konkurrenz machen.“

Nett ausgedrückt. Denn die Realität sieht anders aus. Von den Frühmärkten wird kaum ein Händler zusätzlich auch noch den Abendmarkt beliefern können. Großmarktbesuch in der Nacht, Aufbau ab fünf Uhr morgens, Abbau am Mittag. Montag Herten, Dienstag Gladbeck, Mittwoch... Die Tage sind durchgeplant. Für den Abend, so Panteleit, wird zudem ein anderer Typ gesucht. Einer, der „Geschichten über Lebensmittel erzählt“, ein Entertainer, der Rezepte mitliefert, der die Besonderheit seiner Ware betont.

Herwig Niggemanns Feierabendmarkt-Idee zieht inzwischen Kreise: Buer baut donnerstags den „Markt am Dom“ auf, Herten bittet einmal im Monat zum Feierabendmarkt, Krefeld zeigt sich interessiert. Und Herne hartnäckig. Dort scheiterte vor Jahren der Versuch, den Eickeler Wochenmarkt von einer zweckdienlichen Asphaltfläche nach nebenan vor eine historische Kulisse zu verlegen, am Veto der Markthändler. Jetzt soll’s der Feierabend bringen. Vielleicht auf dem renovierten Buschmannshof in Wanne-Eickel.