Estancia. . Zum achten Mal rufen die Kindernothilfe und diese Redaktion gemeinsam auf zur Weihnachts-Spendenaktion - das Geld soll Notleidenden auf den Philippinen helfen. Denn auch vier Wochen nach dem Supersturm Haiyan sind viele Menschen auf den Philippinen darauf angewiesen, dass man ihnen Lebensmittel gibt.
Familie Bellena bewohnt jetzt eine blaurote Plane. Das Hausdach ist nämlich weg, das ganze Haus ist praktisch weg, und ab und zu zieht Viola Bellena los, um etwas ratlos den Müll zu wenden, der einmal ihre Straße war: Mag sein, es findet sich ja doch noch etwas Brauchbares in den windverquirlten Trümmerhaufen aus Wellblechresten, Altholzbruch, Plastik, Hausrat und entwurzelten Bäumen.
In den ersten beiden Tagen fand sie noch Bananen. Heute aber praktisch nichts mehr. Andere suchen ja auch.
Haiyan, der furchtbare Taifun, ging auf dem Gebiet der Großgemeinde Estancia gegen 12 Uhr mittags an Land. „Wir ahnten nicht, wie schlimm es wird“, erinnert sich Leticia Bellena; denn erst im Laufe der Nacht, in den letzten Stunden vor Haiyans Überfall waren die offiziellen Warnungen dramatischer und dramatischer geworden über die höchste Alarmstufe „4“ hinaus.
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Das Dach flog weg bei der Familie, „wir konnten nicht mehr stehen bei dem Wind“, erinnert sich die 70-Jährige; und so krochen sie irgendwann auf dem Boden herum, auf dem das Wasser 20 Zentimeter hoch stand: Leticia, die Großmutter, Viola, ihre Tochter, und deren kleine Kinder Jerome und Jiah.
Sie hofften, es möge aufhören. Es dauerte drei Stunden.
Tsunami-Bilder
Gut vier Wochen sind vergangen seit dem Desaster. „Haiyan“ wurde auf den Taifun erfahrenen Philippinen zunächst unterschätzt, da kam halt einer von rund 20 schweren Stürmen pro Jahr – pfff! Und nun, danach, ist er bereits verweht aus dem Gedächtnis der Welt. Nur die Schneise, die er nahm über die mittleren philippinischen Inseln Samar, Leyte, Cebu und Panay, die ist eine einzige Zone der Zerstörung. Zusammengeschlagene Städte, eingestürzte Kirchen, an Land geworfene Schiffe, Buchten voller toter Palmen: Tsunami-Bilder sind das, oder solche, als hätte der Katastrophenfilmer Roland Emmerich inspiriert den Weltuntergang der Philippinen verfilmt.
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Auf dem Berg steht eine große Marienfigur, früher sah man nur den Kopf, das war, als die Bäume noch standen.
Über 5700 Menschen starben, anderthalb Tausend werden noch vermisst – und nicht zu fassende vier Millionen sind obdachlos, darunter viele Kinder. Und die ganze Wahrheit ist: Noch nicht einmal die allererste Nothilfe ist zu Ende, Lebensmittel werden weiter verteilt, wie es die Kindernothilfe in Estancia und umliegenden Dörfern ermöglicht mithilfe einheimischer Partner-Organisationen. Auf Inseln sind sie vorgedrungen, von denen es keine Nachricht gab, und in Bergdörfer, die man nur mit dem Motorrad erreicht. Und dann mit Hubschraubern voller Hilfsgüter: Es flogen die „Canadian Forces / Forces canadiennes“ für Gotteslohn.
Heiß hier, aber man wird satt
Doch an diesem Morgen kommen die Menschen hierher, auf ein Basketball-Feld in Estancia, auf das die Sonne drückt mit aller Kraft. Beatrice Gonzalez de Suso, die resolute Spanierin, hat ein System ersonnen aus mehreren wohlgeordneten Warteschlangen, welches die Verteilung der Lebensmittel zügig und reibungslos ermöglicht.
WAZ-Spendenaktion 2013Über 800 Familien werden heute versorgt, Helfer wuchten große gelbe Säcke von der Ladefläche eines Lasters in die Arme der Überlebenden. Heiß hier, aber man wird satt.
Die Geschichten der Menschen sind alle ähnlich: Dach verloren, Haus verloren, erzählt das weitere Mädchen Josefine, und nun leben sie in einem Zelt, Eltern, elf Geschwister: „Wir haben ja keine andere Wahl.“ Und der Vater hat seine Arbeit verloren: „Er hat Kokosnüsse geerntet, aber alle Nüsse sind jetzt weg.“
Untersuchungen auf Unterernährung
Reis, Nudeln, Zucker, Salz, Sardinen erhalten die Menschen mit dem Sack, „einer reicht einer Familie mit Kindern für mindestens 15 Tage“, sagt de Suso. So gewinnen sie Zeit, in der sie sich nicht um Hunger kümmern müssen, sondern um Dach oder Haus oder Arbeit oder Familie. Zugleich ziehen andere Helfer über die Dörfer und verteilen äußerst kaloriensatte Kekse an Schwangere, Stillende und kleine Kinder: NRG-5 heißen die Kekse, ein sprechender Name. „Für Kinder ist die Gefahr der Unterernährung am größten“, sagt die Freiwillige Sheila Cabigas.
Und so wird sie gleich jedem Kind, das kommt an Mamas Hand, ein spezielles Maßband um den Oberarm schlingen. Es zeigt drohende Unterernährung an, wenn das grüne Maßband die gelbe, gar die rote Stelle erreicht.
Doch zurück nochmal nach Estancia, zur Speisung der 800. Leticia Bellena, die alte Frau aus dem Sturm, ist nun raus aus der Warteschlange; sie schützt sich mit einem krass geblümten Schirm gegen die sengende Sonne, hat Jiah auf dem Schoß, die dreijährige Enkelin, und sitzt ihrerseits auf dem Sack Essen. „Die Bananen, die nach dem Sturm auf der Straße lagen, waren nach zwei Tagen weg“, sagt sie nochmals: „Ohne das hier hätten wir gar nichts.“