Essen. Er durchkämmt das Internet, um zu sehen, ob bei Doktorarbeiten abgeschrieben wurde. Doch Uwe Kamenz, der Professor, der zuletzt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als vermeintlichen Plagiatoren zu outen versuchte, ist längst selbst ein Gejagter.

Sein Ruf könnte wahrlich ein besserer sein. Mit seinem Arbeitgeber, der Fachhochschule Dortmund, liegt er juristisch im Clinch, weil die seine Jagd auf Plagiate als Nebentätigkeit versteht. Seine Kritiker beschreiben ihn gern als geltungssüchtig, und der Essener Politikwissenschaftler Claus Leggewie brandmarkte ihn jüngst sogar als "Kopfgeldjäger". Uwe Kamenz, der Professor, der zuletzt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als vermeintlichen Plagiatoren zu outen versuchte, ist längst selbst ein Gejagter.

An jenem Tag, an dem die Universität Gießen die Vorwürfe gegen Steinmeier öffentlich zurückweist, sitzt Uwe Kamenz wie jeden Dienstag in seinem Büro an der Hochschule Dortmund und hält Sprechstunde ab. Durchaus gut gelaunt. Und genau so empfängt er einen Tag später den Besuch in seinem Münsteraner Institut für Internet-Marketing e.V. Selbstbewusst, als ob es die Entscheidung der Gießener gar nicht gäbe, spricht er über das "durchgängige Fehlverhalten" Steinmeiers in dessen Dissertation. Jedes zehnte Wort stamme nicht von Steinmeier, "vergleichbar mit der Arbeit von Frau Schavan".

Ein Ranking für Doktorarbeiten aller Abgeordneter

Scheinbar unbeeindruckt von dem, was über ihn gesagt, geschrieben wird. Das Institut, es ist ein Erdgeschoss-Zimmer in seinem Privathaus, ein Wintergarten mit Blick auf die gotische Martinikirche. Ein Schreibtisch, ein Computer. Von hier aus will Kamenz in den nächsten Wochen sein neuestes Projekt starten. Der 56-jährige BWL-Professor will ein Ranking für die Doktorarbeiten sämtlicher Bundestagsabgeordneten ins Internet setzen. Damit jeder dort lesen kann, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass deren Dissertation durch zu viel unzulässiges "copy and paste", durch kopieren und einfügen, entstanden ist.

Steinmeiers Arbeit etwa "ist bereits seit 2011 in meinem System gewesen". Anfangs unauffällig, doch je mehr vergleichbare Literatur er eingescannt habe, um so höher sei der Plagiatsverdacht gewesen. Kamenz’ Software sucht mit Hilfe der eingescannten Literatur nach identischen, nach nicht zitierten Textstellen. Dass das Münchener Magazin Focus diese Arbeit finanziert hat, darüber spricht Kamenz ganz ungeniert. Er habe dem Magazin angeboten, gegen entsprechende finanzielle Unterstützung die Doktorarbeiten sämtlicher Bundespolitiker zu durchleuchten. "Die wollten aber nur die Analysen von 20 Prominenten".

Magazin fürchtete "Manipulation der Wahl"

Wäre es nach ihm gegangen, hätte er den Vorwurf gegen Steinmeier schon im August, also noch während des Bundestagswahlkampfes, öffentlich gemacht. Aber der Focus habe "eine Manipulation der Wahl befürchtet" und deshalb bis Ende September gewartet.

Andere Versuche Kamenz’, Geld für seine Plagiatsjagd zu akquirieren, scheiterten auf ganzer Linie. Bundesbildungsministerin Schavan war nicht bereit, ihm die Einstellung zweier Mitarbeiter zu finanzieren. Auch zahlreiche Universitäten, darunter Dortmund und Münster, lehnten sein Angebot ab, gegen entsprechende Entlohnung die wissenschaftlichen Abschlussarbeiten ihrer Studenten und Doktoranden durch sein Computerprogramm laufen zu lassen.

Und genau das ist es, was Kritiker veranlasst, Kamenz’ Vermarktung in eigener Sache vorzuwerfen. "Kamenz betreibt die Plagiatsjagd unprofessionell und kommerziell und ist auf politische Skandale aus!", sagt der Politikwissenschaftler Claus Leggewie. "Er ist geltungssüchtig und versteht das Wesen von Software nicht", sagt die Berliner Professorin Debora Weber-Wulff, die mit VroniPlag die Dissertationen von Guttenberg, Koch-Mehrin und der Stoiber-Tochter Veronica Saß analysierte.

Drittmittel für seine Forschung

Kamenz scheint mit dieser Kritik gut leben zu können. Sie perlt an ihm ab. Er forsche, und wie andere Wissenschaftler versuche er lediglich, Drittmittel zu beschaffen. Ob er denn Unterstützer habe, andere Professoren etwa, die ihm sagten, dass er auf dem richtigen Weg sei? Da zögert er, blickt schweigend in den Raum. "Nein", sagt er, "da fällt mir jetzt keiner ein". Aber er bekomme manchmal positive Mails.

Und gegen Steinmeier, das sagt Uwe Kamenz beim Abschied, habe er auch gar nichts: "Den habe ich sogar mal gewählt!"