Ruhrgebiet. . Bis zu 20 000 Schweine können in einer modernen Fleischfabrik täglich getötet werden. Rund 60 Millionen sind es in Deutschland jährlich. Doch bei rund einer halben Million Schweinen versagt die Betäubung. Und bei Rindern sieht es nicht besser aus.

Am Ende seines Lebens braucht ein Schwein viel Glück. Um nicht bewusst mitzuerleben, wie es gestochen und entblutet wird; um schon tot zu sein, bevor es gebrüht und zerlegt wird. Doch bei rund einer halben Million der 60 Millionen Schweine, die jährlich in deutschen Schlachthöfen getötet werden, versagt die Betäubung offenbar.

Und bei einem von 100 Tieren findet sich nach dem Brühen Wasser in der Lunge: Das heißt, es lebte noch, als man es in das kochend heiße Dampfbad kippte. Beim Rindvieh sieht es nicht besser aus: Mit vier bis neun Prozent wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hier die „Fehlbetäubungsrate“ angegeben.

Nicht jeder Bolzenschuss sitzt

Anders als Schweine werden Rinder nicht im Kohlendioxid-Bad betäubt, sondern mittels Bolzenschuss. „Doch nicht jeder sitzt“, erklärt Marianne Wondrak, Fachreferentin der Akadamie für Tierschutz beim Tierschutzbund.

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Ihre Organisation kämpft seit Jahren für mehr Tierschutz in Schlachthöfen. 45 Sekunden habe der Schlachter, um ein Rind zu töten, fünf für den „Entblutestich“ beim Schwein; bis zu 900 Schweine würden in einer Stunde (!) geschlachtet. „Da kann nicht jedes Tier so beachtet werden, wie es es verdient hätte“, so Wondrak.

Problematisch sei zudem nicht nur die Betäubungsphase im Schleimhaut-reizenden CO2-Bad; folge die Entblutung nicht schnell genug darauf oder säße der Stich nicht richtig, wachten die Schweine oft genug auch wieder auf.Effektive Kontrollgeräte, die fehlerfrei den Tod des Tieres feststellten, gäbe es nicht. „Bleibt nur, in jedem Einzelfall über Nasen- oder Augenreflexe des Tiers zu prüfen, ob es wirklich tot ist, bevor es zerlegt wird“, so Wondrak. Doch das kostet Zeit . . .

Wüsste der Bürger um diese Dinge, wäre er gewillt, mehr für sein Fleisch zu zahlen, glaubt die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn, die gestern ein Verbot der Akkord-Schlachtungen in der industriellen Massenschlachtung forderte. Denn: „Auch Billigschnitzel haben ihren Preis.“ Viele wüssten nur zu wenig über Mästung und Schlachthof. „Darüber müssen wir mit dem Verbraucher reden.“

„Hier gibt es keine Gewalt“

Dem Bio-Schwein übrigens geht es an seinem letzten Tag nicht besser als jedem anderen. „Ab Schlachthof“, sagt Marianne Wondrak, „sind alle Schweine gleich!“

Der stellvertretende Landesinnungsmeister des Fleischerhandwerks, Adalbert Wolf, empfiehlt daher gleich die Ware seiner Zunft (Motto: „Aus der Region für die Region“). Seine verkauft er in Wachtberg-Pech bei Bad Godesberg. Er schlachtet nicht selbst, das täten nur noch sehr wenige Betriebe.

Auch Wolf lässt schlachten. Bei einem kleinem Privatschlachthof, 20 Minuten entfernt. Zwei bis 15 Tiere würden dort getötet, pro Woche. Kein Stress für die Tiere, alles gut. Der Verbraucher schmecke das im Übrigen auch. „Diese ganzen grausamen Geschichten“, sagt der Fleischer, „die sind nicht Handwerk, das ist Industrie!“

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Der Geschäftsführer der Schlachthof Bochum GmbH, Wolfgang Vieting, sieht das anders. 8000 Schweine und 1000 Rinder ließen an der Bochumer Freudenbergstraße wöchentlich ihr Leben, gewiss: Aber: „Bei uns“, sagt Vieting, „werden Schwein und Rind auf schonende Weise ins Jenseits befördert. Hier gibt es keine Gewalt gegen Tiere!“ Der Betrieb, in dem seit über 100 Jahren geschlachtet werde, beschäftige mehrere Tierschutzbeauftragte, die die ordnungsgemäße Tötung der Tiere penibel kontrollierten.

Auch der Verband der Fleischwirtschaft, der sich gestern nicht äußern mochte, wies in der Vergangenheit wiederholt darauf hin, dass man schon aus „Eigeninteresse“ modernste Betäubungs- und Entblutetechniken einsetze.

Nun, unter Umständen tut’s auch das Gegenteil: Den japanischen Wagyu-Rindern jedenfalls, die angeblich täglich mit Bier getränkt und von Geishas massiert werden, und die neuerdings auch in Deutschland gezüchtet werde, diesen Edelrindern gönnt man am Ende ihres Leben eine Art Gnadenschuss: Schon Wochen vor dem Schlachttermin bringt man sie auf den Hof, wo es passiert; dort dürfen sie sich noch einmal vollfressen; schließlich führt sie der Schlachter einzeln in die Tötebucht, wo er ihnen das Bolzenschussgerät sanft auf die Stirn setzt. Ein Kilo Wagyue-Rind kostet derzeit: 598 Euro.