Leverkusen. . Das Leverkusener Modell könnte Schule machen. Denn seitdem die Stadt ihre Flüchtlinge in Privatwohnungen unterbringt, fühlen sich alle Beteiligten wohler. Die Flüchtlinge, die sich integrieren wollen. Und die Einheimischen. Aufmärsche von Neonazis gehören in Leverkusen der Vergangenheit an.

In Berlin-Hellersdorf werden Flüchtlinge mit dem Hitlergruß empfangen. In Leverkusen mit offenen Armen. Zumindest bemüht sich die Stadt im Bergischen Land um die Integration der Menschen. Das Leverkusener Modell macht’s möglich: Statt Asylbewerber zu Hunderten in einer ausgemusterten Schule oder einem Containerpark unterzubringen, werden die Menschen in private Wohnungen vermittelt. In Leverkusen wurde das Getto in der Stadt vor 13 Jahren abgeschafft.

„Die vorhandenen Heime waren damals marode, schon allein aus humanitären Gründen hätten wir dort keinen Menschen mehr unterbringen können“, sagt Frank Stein, Sozialdezernent der Stadt Leverkusen. Allerdings, räumt er ein, „gab es auch massive Widerstände aus der Bevölkerung, eine neue Massenunterkunft zu bauen“.

Und so entschied sich die Kommune, Flüchtlinge in normalen Wohnungen, in normalen Siedlungen, über das gesamte Stadtgebiet verteilt, unterzubringen. Der Beschluss im Rat wurde damals einstimmig gefasst. Auch Kirchen, Caritas, Flüchtlings- und Integrationsrat waren überzeugt. Acht Sammelunterkünfte wurden seitdem geschlossen, eine blieb geöffnet für alle die, die Leverkusen als Flüchtlinge zugeteilt werden.

In einer Sammelunterkunft ist es laut, es gibt keine Privatsphäre

Doch wie schaffen es von Bürgerkriegen traumatisierte Menschen, einen deutschen Vermieter davon zu überzeugen, dass sie die neuen Mieter sein könnten? Dass sie die Flurwoche übernehmen und nach 22 Uhr leise sind? Die Hilfestellung setzt genau an dem Tag ein, an dem die Menschen aus Afghanistan, Mazedonien oder auch Syrien in Leverkusen einen Asylantrag stellen.

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Dann können die Erwachsenen Deutschkurse besuchen, während die Kinder zur Schule gehen. Asylbewerber und Menschen mit Duldungsstatus dürfen bereits nach wenigen Monaten in eine Wohnung ziehen. „Vorausgesetzt sie haben ihre Wohntauglichkeit bewiesen“, sagt Monika Flossbach vom Caritasverband, der für die Wohnungsvermittlung zuständig ist. Als wohntauglich gilt derjenige, der sich auf Deutsch verständigen kann und gezeigt hat, dass er sich in der Sammelunterkunft gut benommen hat.

„Das ist nicht leicht. In einer Sammelunterkunft ist es laut, es gibt keine Privatsphäre. Nicht mal auf den Toiletten“, sagt Monika Flossbach. Der erste telefonische Kontakt zu einem Vermieter findet immer mit Unterstützung der Caritas statt. „Manche Vermieter sagen sofort: ,Ich will keine Ausländer’. Aber die Mehrheit ist nicht so“, sagt Monika Flossbach. Willigt ein Vermieter ein, garantiert die Stadt die Mieterstattung.

In all’ den Jahren, in denen das Leverkusener Modell praktiziert wird, hat es laut Caritas nicht eine einzige Beschwerde eines Vermieters gegeben, und niemand ist ins Übergangswohnheim zurückgekehrt. Für Monika Flossbach der Beweis dafür, „dass die Wohnungsoption die Integration fördert“. Die eigenen vier Wände in einem normalen Haus ermöglichten Kontakte zu deutschen Familien.

Caritas empfiehlt: bitte nachahmen

Doch bei aller Menschenfreundlichkeit, die man den Leverkusenern unterstellen darf, spielte auch der Spareffekt eine Rolle für den Abschied von der gängigen Unterbringung von Flüchtlingen. Der Spareffekt betrug 1 Mio. Euro. Ein weiterer Effekt: Aufmärsche von Neonazis vor Asylbewerberheimen sind Vergangenheit. „Man darf eine Stadtgesellschaft nicht überfordern. Es liegt in der Natur des Menschen, alles Fremde abzulehnen. Wo das Fremde geballt vorkommt, ist der Unmut programmiert“, sagt Frank Stein.

Wird das von der Caritas empfohlene Modell kopiert? Teilweise. So werden in Dortmund laut Sozialamt Menschen, die in Deutschland bleiben dürfen, verstärkt in Privatwohnungen untergebracht. In Essen sollen Asylbewerber, die voraussichtlich nicht abgelehnt werden, aus den zehn Sammelunterkünften ebenfalls verstärkt in Wohnungen vermittelt werden. Grund: Die Stadt rechnet mit einer neuen Flüchtlingswelle.