Dortmund. . Für den Rettungshubschrauber Christoph Dortmund und seine Besatzung gibt es immer mehr zu tun. Weil es unten am Boden an Notärzten mangelt. Der am Dortmunder Flughafen stationierte Helikopter wird von der Feuerwehrleitstelle in Dortmund in den Notfall-Bedarfsplan mit eingebunden.

Andreas Borgmann, der Notarzt, schiebt die Tür des Hubschraubers schon auf, da ruckelt der noch bedrohlich nah über die Dächer dieses Firmengeländes. Rettungseinsatz in Schwerte. Keine zehn Minuten ist es her, dass der Notruf in der Station von Christoph Dortmund einging, nun lehnt sich Borgmann raus, um das Terrain zu sondieren und dem Piloten zu helfen, einen Landeplatz zu finden. Deutschlands Rettungsflieger sind gefragt wie nie zuvor. Weil es unten, am Boden, an Notärzten mangelt, kommt die Hilfe immer häufiger vom Himmel.

Da stehen sie nun und staunen, wie sich der rot-weiße Hubschrauber mit Getöse und viel Wirbel gen Boden drückt. Ihr Kollege hatte plötzlich einen Anfall, krampfte minutenlang und rutschte vor ihren Augen vom Lastwagen. Ein Notfall, keine Frage. Aber dieser spektakuläre Einsatz, der überrascht sie schon. Und während der Bruder des Patienten noch schockiert berichtet, dieser sei eigentlich völlig gesund, nehme auch keine Medikamente, hat Borgmann den Mann schon erstversorgt. Auf schnellstem Weg solle der nun in die Neurologie des Unnaer Krankenhaus transportiert werden.

Im Osten Dortmunds, auf dessen Flughafen, ist dieser Christoph stationiert und täglich von acht Uhr morgens bis Sonnenuntergang im Einsatz. Einer von 50 Rettungs- und Intensivtransporthubschraubern der Deutschen Rettungsflugwacht in Deutschland, Österreich und Dänemark. Gemeinsam mit den Rettungsfliegern des ADAC absolviert die in Deutschland die meisten Flüge dieser Art. In Dortmund stiegen die Piloten, Notärzte und Rettungsassistenten im vergangenen Jahr fast 700mal in die Luft.

Verlegung von Intensiv-Patienten

Und immer öfter geht es dabei nicht um die eigentliche Aufgabe von Christoph Dortmund, um die Verlegung von Intensiv-Patienten aus dem Ruhrgebiet in Spezialkliniken irgendwo in Deutschland.

So wie an diesem Morgen. Es ist 10.03 Uhr, als der erste Notruf eintrifft, als Pilot Fred Rosenkranz die Turbinen anlässt, während Rettungsassistent Tobias Lütke-Uphues noch kurz im Computer den Einsatzort checkt. In einer Tierarztpraxis in Lüdenscheid ist ein älterer Mann zusammengebrochen.

Die fliegenden Ärzte sind schnell einsatzbereit

Ein eingespieltes Team: Die Handgriffe sitzen, die Aufgaben sind klar verteilt. Helme auf, Gurte angelegt, der Rotor schraubt sich auf Touren. Ein kurzer Kontakt noch zum Dortmunder Tower, schon hebt Christoph mit eleganter Kurve ab.

Fast eine Stunde wird ihr Einsatz dauern. Der ältere Mann ist kollabiert, blutet stark, weil er sich im Sturz am Kopf verletzt hat. Christoph Dortmund bringt ihn ins Lüdenscheider Klinikum. Wieder war kein Notarzt am Boden so schnell einsatzbereit wie die fliegenden Ärzte. „Man spürt, dass die Standorte am Boden stark ausgedünnt worden sind. Eine Folge des Ärztemangels“, erklärt Andreas Borgmann.

Waldarbeiter geborgen

Borgmann, 45, ist eigentlich Anästhesist in einem Soester Krankenhaus, arbeitet nebenberuflich bei den Rettungsfliegern. Er liebt den Job im Hubschrauber. „Die Arbeit ist abwechslungsreich und anspruchsvoll. Obendrein macht die Fliegerei Spaß“, sagt er. 20 Jahre war er für die Bundeswehr tätig, oft in Krisengebieten. Nun hat er seine Arbeit im Krankenhaus reduziert, um zwei Tage im Monat den Dienst in Christoph Dortmund zu absolvieren. Abwechslungsreich tatsächlich, das ist diese Aufgabe. Beim Unglück auf der Loveparade waren die Flieger ebenso im Einsatz wie bei vielen Unfällen auf der nahen A 2.

Vor allem aber werden die Dortmunder angefordert, wenn es um den Transport von Intensiv-Patienten in Spezialkliniken geht. Babys, die zu Herzoperationen geflogen werden müssen. Unfallopfer, bei denen Minuten über Leben und Tod entscheiden. „Wir müssen damit leben, dass unsere Einsätze oft negativ ausgehen“, sagt auch Rettungsassistent Tobias Lütke-Uphues und: „Man darf das nicht so nah an sich rankommen lassen“.

Schwerverletztes Baby

Nicht immer gelingt das. Besonders dann, wenn kleine Kinder verunglücken. Vor Monaten erst flog Lütke-Uphues ein Baby in eine Spezialklinik nach Köln. Es war bei einem Autounfall in seinem Sitz durch die Frontscheibe geschleudert worden. „Ich war kurz zuvor selbst Vater geworden“, sagt der Rettungsassistent und erzählt, wie sehr es ihn mitgenommen hat, am Tag darauf zu erfahren, dass das Baby nicht überlebt hatte.

Aber es gibt auch glückliche Ausgänge. Kürzlich entdeckten sie im Sauerländischen nach langer Suche aus der Luft einen Waldarbeiter, der sich ins Bein gesägt hat. Lütke-Uphues: „Da gab es keine Straße und keine Hausnummer, stattdessen einen Landeplatz im Morast. Ein Rettungswagen wäre da nie hingekommen“.