Dortmund. . Marco G. ist eine zentrale Figur in der rechtsextremen Szene Dortmunds. Nach Recherchen der WAZ soll er an der Gründung einer terroristischen Vereinigung beteiligt gewesen sein. Nur mit Glück ist der große Knall ausgeblieben.

Marco G. ist der dürre Nazi mit den großen Füßen. Er hasst Ausländer und trägt Springerstiefel. Auf dem Foto der Neonazi-Band „Weisse Wölfe“ zielt er mit einer Pistole in das Gesicht des Betrachters. Trotz Vermummung wollen ihn Verfassungsschützer an den Schuhkarton-großen Stiefeln erkennen. Die Band singt: „Am Tag der Rache wollen wir euch bluten sehn.“ Marco G. ist eine zentrale Figur in der rechtsextremen Szene Dortmunds. Er spielt in Nazi-Bands und hält die Kontakte in die internationale Szene. Doch damit nicht genug. Nach Recherchen der WAZ soll er an der Gründung einer terroristischen Vereinigung in Dortmund beteiligt gewesen sein. Nach Informationen aus dem Umfeld des Verfassungsschutzes hat sich die Gruppe Waffen beschafft und für den Kampf trainiert. Nur mit Glück ist der große Knall ausgeblieben.

Das ganze beginnt vor über zehn Jahren. In der rechtsextremen Szene Dortmunds verbreitete sich die Theorie der Turner-Tagebücher. Dabei handelt es sich um eine Ideologie des aggressiven Rassenhasses. Rechtsradikale Aktivisten des neonazistischen „Blood & Honour“- Netzwerkes in ganz Europa und den USA beziehen sich auf die Schrift. In den Turner-Tagebüchern wird der Untergrund-Kampf von Nazis verherrlicht. Sie sollen sich in Zellen zusammenschließen, um Terrorakte gegen Fremde zu verüben. Es wird empfohlen, keine Bekennerschreiben zu hinterlassen. Jede Zelle soll für sich lebensfähig sein und möglichst keinen direkten Kontakt zu anderen Zellen haben. „Die Idee hinter der Bildung von Terrorzellen ist die Idee vom führerlosen Widerstand“, berichtet ein V-Mann des Verfassungsschutzes in Düsseldorf. Auch wenn eine Zelle ausgeschaltet wird, können die anderen weiter machen.

Gruppe soll sich Waffen für Terrorkampf beschafft haben 

Der bewaffnete Arm der europäischen „Blood & Honour“-Szene sind die Combat 18 Gruppen. Die Ziffern 1 und 8 stehen dabei für die Anfangsbuchstaben der beiden Wörter: Adolf Hitler. In Dortmund gab es seit etwa 2003 Überlegungen eine Terrorzelle nach dem Vorbild von Combat 18 zu gründen. Die Idee entwickelte sich im Umfeld der Dortmunder Skinhead-Band „Oidoxie“ und deren Kameradschaft, die sich „Oidoxie Streetfighting Crew“ nennt. Marco G. ist Chef der Band „Oidoxie“. Die Hymne der „Streetfighting Crew“ heißt: „Terrormachine“. Hassmusik.

Nach einiger Zeit sollen sich fünf Männer zusammengefunden haben: Neben Marco G., Micha L. aus Frankfurt an der Oder sowie Robin S, Sebastian S. und Stephan G. aus Dortmund. Eine der ersten Aufgaben der Zelle sei es gewesen, Waffen für den Terrorkampf zu beschaffen.

Die Wege sind lang. Die „Oidoxie Streetfighting Crew“ unterhält damals Kontakte nach Belgien. Die Band Oidoxie trat bei Neonazi-Konzerten in Dendermonde auf. Hier werden Verbindungen zu Joeri van der P. geknüpft. Der Belgier ist führender Kopf der rechtsextremen Organisation „Bloed, Bodem, Eer & Trouw“. Gemeinsam veranstalten die Neonazis auf einem Gelände nahe Dendermonde Schießübungen.

Und mehr noch: Joeri Van der P. soll Waffen beschafft haben. Aus Kreisen des Verfassungsschutzes NRW heißt es, er sei nach Dortmund gefahren um Gewehre und Pistolen zu übergeben. Zeitweise verfügte die Gruppe über Pumpguns und eine Maschinenpistole, heißt es aus dem Verfassungsschutz.

Konzerte sollten Terrorzelle finanzieren

Die Dortmunder Combat 18-Gruppe soll sich damals regelmäßig im Partykeller von Marco G. getroffen haben. „Da wurde viel geredet“, heißt es aus dem Verfassungsschutz, „vor allem darüber, wie man die Kontakte ins Ausland aufbaut und pflegt.“ In einem Gewerbegebiet in Dortmund-Deusen soll die Gruppe Schießübungen mit scharfen Waffen veranstaltet haben.

Um die Zelle zu finanzieren, organisierte die Band Konzerte. Zu Ehren der rechtsradikalen Organisation „Blood & Honour“ kamen bis zu 2000 Nazis aus ganz Europa nach Holland und Belgien. In der Szene nannte man diese Konzerte auch Adolf Hitler Memorials. Gesichert wurden diese Feste unter anderem von bewaffneten Männern aus der Dortmunder Combat 18-Gruppe. Nach Informationen aus dem Umfeld des Verfassungsschutzes kamen bei diesen Konzerten bis zu 20 000 Euro Gewinn am Abend zusammen. Natürlich schwarz. Teilweise wurden damit andere rechtsradikale Gruppen in Dortmund unterstützt.

Überraschend soll die Dortmunder Combat 18-Gruppe ihre Aktivitäten im Frühjahr 2006 eingestellt haben. Aus Kreisen des Verfassungsschutzes heißt es, trotz aller Geheimnistuerei habe sich die Gruppe nicht aufeinander verlassen können. Ein Mann aus dem Umfeld von G. wollte Waffen vom Balkan besorgen. Daraus wurde aber nichts. Danach galt er als Schwätzer. Zudem erschien Marco G. den Kämpfern zu sehr als „Propaganda-Minister“, der sich nicht selbst „die Finger schmutzig machen will“. Die Gruppe habe ihre Pläne weitgehend aufgegeben. Die Waffen der Dortmunder C18-Zelle sind heute zu einem großen Teil verschwunden.

Gruppe plante Anschläge auf Ausländer und Politiker 

Im Herbst 2006 wurde die belgische Combat 18-Gruppe um Joeri van der P. zerschlagen. Die Polizei fand Sprengstoffe, Gewehre und Munition. Die Gruppe hatte mehrere Anschläge auf Ausländer und Politiker geplant. Hinweise, die zur Zerschlagung der Zelle führten, kamen angeblich aus dem Verfassungsschutz NRW.

Monate später wurden zwei Ex-Mitglieder der Dortmunder Zelle verhaftet. Robin S. hatte einen Tunesier in der Nordstadt niedergeschossen. Angeblich bei einem Raubüberfall. Sebastian S. hatte ihm die Tatwaffe besorgt. Beide erhielten langjährige Haftstrafen.

Die Vorwürfe aus dem Umfeld des Verfassungsschutzes sind schwierig zu überprüfen. Aktenkundig ist, dass einige der erwähnten Mitglieder der „Oidoxie Streetfighting Crew“ über Waffen verfügt haben. Auch der enge Zusammenhalt der erwähnten Männer in der Dortmunder Naziszene ist dokumentiert. Offiziell will sich aber niemand zu den Informationen über die Combat 18 Zelle äußern.

"Die Szene ist seit Jahren bekannt"

Die Polizei in Dortmund hält sich zurück. Einige der genannten Zusammenhänge seien Teil einer Ermittlung beim Generalbundesanwalt. Nur das könne gesagt werden: Die Gruppe um Marco G. war in der rechten Szene damals sehr aktiv.

Die Bundesanwaltschaft will sich derzeit nicht äußern, um den „Untersuchungszweck“ nicht zu gefährden. Der Verfassungsschutz sagt aus „rechtlichen Gründen“ nichts. Offiziell heißt es: „Die Szene ist seit Jahren bekannt.“

Oidoxie bezeichnet sich noch immer als „C18 Band“. Sie steht dem Turner-Gedankengut weiter nahe. Marco G. antwortete nicht auf eine schriftliche Anfrage.