Dortmund. Dortmund tanzt! Während des Spiels gegen Bayern München zitterten die Fans in den Kneipen der Stadt, doch spätestens mit dem Tor von Robert Lewandowski löste sich die Anspannung. Als der Schiedsrichter das Spiel abpfiff, brach in der Ruhrgebietsstadt der Jubel aus.

In jeder normalen Saison fiele das Spiel des Jahres auf einen Samstag, und zwar den kommenden: Revierderby gegen Schalke! Aber was ist schon noch normal im Dortmunder Fußball (falls da je etwas normal gewesen ist) – diesmal fällt das Spiel der Spiele mitten in die Woche, und es geht gegen die Bayern. Um den Titel! Sagt man hier. Und die Bayern haben doch tatsächlich die Meisterschale mitgebracht.

Aus Pappe ist sie, etwas zerknittert, die der Dortmunder sieht aktueller aus, und die fremden Fans tragen sie zu Rot und Lederhose. Die heimischen sind deutlich aufgeregter an diesem Mittwoch; viele haben frei genommen, jeder hat getippt, und die Stimmung in der Stadt ist ein bisschen wie Weihnachten: VOR der Bescherung. Diese bange Erwartung, dieses Knistern in der Luft... „Und es begab sich aber zu der Zeit“, es ist gerade mal drei Uhr am Nachmittag, da stehen sie schon Schlange am Stadion, und vor ihre Füße äppelt ein Polizeipferd einen duftenden Haufen Glück. In einer Kneipe in Schussweite des Spielfelds stößt zur Kaffeestunde ein Pärchen an, er mit Weizen und bayerischem Dialekt, sie mit Pils: „Auf ein schönes Spiel!“

In der Straßenbahn fragen wildfremde Leute einander nach ihrem Gefühl, gut, schlecht, Hoffnung im Herzen oder Bangen im Bauch? Wessen Bauch das noch zulässt, isst eine Bratwurst, es ist, als müsse sich ganz Dortmund stärken für dieses Fußballspiel, das schon vor dem Anpfiff mehr ist als ein Duell: Nervenkrieg. Und nur für die Polizei „ein Spiel wie jedes andere“. Ha!

Samstag spielt der BVB gegen Schalke

„Wenn se heute gewinnen, dann sind se durch!“, sagen die optimistischen Männer. „Sie müssten aber auch gegen Schalke“, zweifeln die pessimistischeren Frauen, und in der Halbzeitpause kann das nun wirklich noch niemand wissen. „Dreizueins, ich schwör’“, lässt sich jemand vernehmen, während ein anderer sein schwarz-gelbes Haupt wiegt: „23 Spiele ohne Niederlage, einmal muss damit ja Schluss sein. Nur bitte nicht heute.“

Im Dortmunder Osten hat eine Frau die Fenster zu- und den Fernseher ausgemacht, sie wartet auf den Jubel der Nachbarn – der Blutdruck! Und man müsste ihn doch hören, so still ist es in der Stadt, die Straßen sind leer gefegt wie an einem Sonntag. Das Opernhaus hat für das Drama eigens die Hauptprobe vorverlegt, man gibt in Kürze ein Fußball(sing)spiel. Die Laiensänger tragen am Nachmittag schon Kluft, sie wollen ins Stadion, sogar den Autoren zieht’s in die Kneipe, und der Bariton ahnt da bereits, wie der Abend ausgeht: „Ich werde auf dem Boden liegen und trommeln.“ In der Pause erzählt auf der Bühne jemand Bayernwitze.

80 000 im Hexenkessel - das Westfalenstadion bebte

„Die können nix, die Bayern“, behauptet jemand in der Abendkälte eines Biergartens im gefühltem Stadionschatten, und das ist es ja beinah, was auch Beckenbauer 45 Minuten lang sagt im Fernsehen. „Fresse halten!“, schimpfen die Dortmunder, meinen aber den Kommentator, der einer der ihren nicht ist.

Die über 80 000 im Hexenkessel müssen das nicht hören, sie können auch nicht: „Mit gewohnt brutaler Gier nach Punkten“, so hatten Fanclubs aufgerufen, sollten sie ihre Mannschaft besingen so laut wie nie und den Gegner ebenso auspfeifen. „Einfach nur gewinnen, egal wie! Bayern weghauen!

„Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia!“ - Dortmund explodiert

Sie beten sich durch die erste Hälfte der zweiten Halbzeit, über den Fans im Kreuzviertel leuchtet das Kreuz einer Kirche – ist eigentlich je jemandem aufgefallen, dass dieses Gotteshaus, das dem Stadion am nächsten steht, weiß ist und blau wie das Bayernland? Der Fußballgott hat es selbst nicht gesehen, Dortmund explodiert mit dem Tor von Lewandowski und erst recht mit dem verhinderten bayerisch-holländischen Elfmeter.

Eine stille Stadt? Jetzt tanzt sie, fährt schon wieder Autokorso und schreit flehend um den Schlusspfiff. Und sie singt: „Oh, wie ist das schön!“ Das Lederhosenlied. Und: „Wer wird Deutscher Meister?“ Ach was, „Deutscher Meister ist nur der BVB“!

Man kann das zwar immer noch nicht ganz, ganz sicher wissen. Und das Spiel der Spiele – kommt normalerweise schließlich erst am Samstag.

Dortmund feiert BVB-Sieg

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