Bottrop. . Die beiden Unternehmen RAG und Deutsche Bahn unterzeichnen in Bottrop einen Kooperationsvertrag. Das Schienenunternehmen übernimmt bis zu 1700 Kumpel. Warum? Das Unternehmen sucht 10.000 neue Leute allein NRW. Und die Kumpel bringen eine wichtige Grundvoraussetzung mit: Gute Ausbildung und Zuverlässigkeit.
Man erinnert sich unweigerlich an die ersten Bergleute, die in den 80er-Jahren bei Krankenhäusern anheuerten, um nicht ins Bergfreie zu fallen. Damals sollen Krankenschwestern befürchtet haben, dass ihre neue Kollegen mit Grubenlampen auf der Station auftauchen. Derart berufsfremd müssen die verbliebenen Kumpel nicht umsteigen, wenn die letzte Zeche dicht macht. Die Bahn bietet an, alle 1700 Bergleute zu übernehmen, die die RAG noch nicht untergebracht hat.
Symbolträchtig vor einer großen, roten Diesellok unterzeichneten Bahn und RAG-Vertreter auf dem Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop einen Vertrag. Und somit sieht es vor der Hacke der Kumpel unter Tage gar nicht mehr so duster aus, wie es lange Zeit den Anschein hatte.
Großes Job-Spektrum bei der Bahn
Inzwischen haben auch die letzten Bergbau-Funktionäre akzeptiert, dass es nach 2018 mit der Steinkohleförderung nicht mehr weitergeht. Außer: „Den Abschied vom Bergbau halte ich nach wie vor falsch“, bedauerte der RAG-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ludwig Ladzinski im Bottroper Lokschuppen – immer noch.
Jetzt wird es nicht so sein, dass Ex-Bergleute in Zügen der Bahn Karten kontrollieren oder Schokoriegel verkaufen. Aber auch nicht völlig anders. Das Spektrum der Jobs bei der Bahn sei immens, beteuerte DB-Personalvorstand Ulrich Weber, „von der Reinigung bis zur Gastronomie“. Vor allem im technischen Bereich aber sei der Bedarf an qualifizierten Leuten besonders groß. Und die gebe es im Bergbau reichlich. Wobei Weber seine Einschätzung „Wer unter Tage eine Lok bedient hat, der kann auch einen ICE steuern“, als nicht ganz ernsthaft verstanden wissen wollte.
Das Unternehmen sucht 10.000 neue Leute allein in NRW
Die Berufsbilder unter Tage und auf der Schiene sind sich jedenfalls ähnlicher als dieses alte Beispiel vom Hauer, der sich zum Hilfskrankenpfleger umschulen ließ. Elektroniker für Betriebstechnik, Industriemechaniker, Mechatroniker oder Industriekaufleute gibt es auf beiden Seiten dieser Freundschaft zwischen Bergbau und Bahn, die in diesem Falle aber ein Verfallsdatum trägt. Denn bis 2018 muss das Programm über die Bühne sein. Und so wird der Kartenknipser eher die Ausnahme bilden unter den umgeschulten Bergleuten, die alle relativ jung sein müssen, um in den Genuss – je nachdem wie man es sieht – einer langen Lebensarbeitszeit zu gelangen. Denn: Für alle Kumpel, die unter 50 sind und weniger als 25 Jahre auf der Zeche waren, ist der Vorruhestand abgehakt.
Die Zahlen der Bahn dürften auch Nicht-Bergleute hellhörig werden lassen: Bis 2020 sucht sie 10 000 neue Leute allein in NRW. Im 50-Kilometer-Umkreis von Bottrop werden bis 2018 zwischen 1000 und 1500 Bahnmitarbeiter benötigt. Und so könnte es tatsächlich passieren, dass kein Bergmann arbeitslos wird. Prosper-Haniel ist zusätzlich als Job-Anbieter behilflich. Für die Kumpel der Bergwerke West in Kamp-Lintfort, RAG Anthrazit in Ibbenbüren und der Auguste Viktoria in Marl. Denn hier fährt schrittweise in den kommenden Jahren der letzte Bergmann ein.
Kernkompetenz Zuverlässigkeit
Bei der Frage der Entlohnung haben die Umsattler – zynisch betrachtet – sogar Glück im Unglück. Sie brauchen sich nicht großartig umzustellen. „Der Bergmann steht längst nicht mehr an der Spitze der Lohnskala“, beschrieb der Vorsitzende des DB-Konzernbetriebsrates, Günther Kirchheim, die mäßigen Gehaltsaussichten.
Nicht umstellen, so hieß es bei den Vertragsunterzeichnern, müssten sich Umsteiger zudem in einem ganz wesentlichen Punkt: Zuverlässigkeit. Denn Zuverlässigkeit werde in beiden Unternehmen gebraucht.
Wo eigentlich nicht?