Essen. . Der frühere Leiter des Anatomischen Instituts der Uni Köln nahm sich nach dem Skandal um vergessene Tote das Leben. Sezierte Leichen hätten unnötig wochenlang in den Kühlräumen gelegen, anstatt bestattet zu werden.
So beliebt wie er waren nur wenige Professoren der Universität Köln. Als er emeritierte und seine letzte Vorlesung hielt, im Januar 2011 war das, da platzte der Hörsaal Anatomie I aus allen Nähten. Umso größer ist gestern der Schock, als bekannt wird, dass der frühere Leiter der Anatomie sich offenbar nach dem Leichen-Skandal an seinem Institut das Leben genommen hat. Chaotisch sei es dort zugegangen: Sezierte Leichen hätten unnötig wochenlang in den Kühlräumen gelegen, anstatt bestattet zu werden.
Was genau sich in den vergangenen Monaten im Anatomischen Institut der Uni Köln abgespielt hat, ist letztlich noch nicht geklärt. Für Jürgen K. jedoch waren die Vorwürfe so schwerwiegend, so belastend, dass er am Wochenende verschwand und später von Suchhunden des DRK tot auf einer Lichtung in einem Kölner Stadtteil entdeckt wurde. Es heißt, der 66-Jährige habe einen Abschiedsbrief an seine Frau und die vier Töchter hinterlassen.
Schock für Studenten
Gestern nun legen Studenten Blumen vor seinem ehemaligen Institut nieder, zünden Kerzen an. „Die Nachricht von seinem Tod hat Mitarbeiter und Studierende schockiert. Der Professor war ein ausgesprochen beliebter Wissenschaftler“, sagt Universitäts-Sprecher Patrick Honecker. Die Universität arbeite auch an diesem Tag noch an der Aufklärung dessen, was sich im Anatomischen Institut zugetragen habe.
Schon im Herbst sei die Hochschulleitung von K.s Nachfolger über die Missstände informiert worden. Es gebe einen Stau von 80 nicht bestatteten Leichen. Man habe sich seitdem bemüht, „die Dinge aufzuarbeiten“. Die Probleme hatten bereits zu einer Zeit begonnen, als K. noch als geschäftsführender Direktor die Verantwortung im Institut trug. Über die genauen Hintergründe wollte sich der Rektor der Universität, Axel Freimuth, gestern nicht äußern. Laut Kölner Express hatte eine zuständige Mitarbeiterin private Probleme, auf die der Institutsleiter anfangs Rücksicht genommen habe. Später soll er jedoch angeordnet haben, wöchentlich mindestens fünf Bestattungen durchführen zu lassen.
Keine Störung der Totenruhe
Wie wichtig es für Medizinstudenten ist, während ihrer Ausbildung an einem menschlichen Körper zu arbeiten, das erklärt das Kölner Institut auf seiner Internetseite. Und weist darauf hin, wie „außerordentlich dankbar“ man denjenigen Menschen sei, die bereit seien, ihren Körper nach dem Tod dafür zur Verfügung zu stellen. Das Institut verspricht auch absolute Anonymität und „einen angemessenen und würdevollen Umgang mit den uns zur Verfügung gestellten Körpern“.
Ganz so ist es dort offenbar in der letzten Zeit nicht mehr zugegangen. Auch wenn Studenten betonen, K. sei im Umgang mit „den Leichen, an denen wir lernen durften, immer sehr korrekt gewesen“. Nach Professor K. wurde das Institut von zwei Professoren geleitet. Der direkte Nachfolger erkrankte bald, der spätere informierte zuerst die Hochschulleitung und erklärte dann vor knapp zwei Wochen, drei Leichen ließen sich nicht mehr zuordnen. Heißt: Es ließ sich auch mit Hilfe der Akten nicht mehr klären, um wen es sich bei den Toten handelt.
„Wir hatten schon im Herbst Professor Rothschild, einen renommierten Rechtsmediziner, hinzugezogen. Als sich die drei Leichen nicht mehr zuordnen ließen, haben wir die Staatsanwaltschaft informiert“, erklärte Rektor Freimuth gestern gegenüber dieser Zeitung. Die Staatsanwaltschaft Köln sieht jedoch keinen Anhaltspunkt für eine Straftat wie etwa für eine Störung der Totenruhe.
Schuldzuweisungen und Vorwürfe
Rektor Freimuth betonte gestern, dass die Universität zu keinem Zeitpunkt einzelnen Personen die Schuld an den Missständen gegeben habe. „Professor K. ist nicht allein verantwortlich gewesen, es gab neben ihm auch andere. Zudem gab es fehlerhafte Abläufe und technische Probleme“, sagte Freimuth. So sei die TÜV-Zulassung für einen Kran abgelaufen gewesen, mit dem schwere Behälter für Leichen transportiert werden.
Der Schock tatsächlich an der Universität Köln ist groß. Es gibt Schuldzuweisungen, Vorwürfe. Gerade jetzt, wo der frühere Leiter des Instituts sich das Leben genommen hat. „Ich kann nicht begreifen, warum Herr K. so reagiert hat. Schließlich hat die Staatsanwaltschaft keinerlei Straftat erkannt. Auch die Universität hat nie Namen genannt, hat Herrn K. keine Schuld gegeben“, betonte Rektor Freimuth, der auch deshalb gestern zu einer Pressekonferenz in die Universität geladen hatte. Freimuth: „Es ist eine Tragödie, ganz schrecklich!“