Duisburg. Zum 500. Geburtstag von Duisburgs berühmten Sohn ruft die Stadt das Mercatorjahr aus. Der Kartograf, dessen Karten weltweit Bedeutung erlangten, kam aus Flamen in die Rheinstadt.

. Unser Bild der Welt ist neben den Gelben Tonnen des kaufmännischen Berufskollegs Duisburg-Mitte entstanden. Wer sich hier am Lehrerparkplatz in die Büsche schlägt, kann noch einen Hinweis auf den Mann finden, der uns die Welt zeigte. Hinter uns verwehte Pommesschalen, vor uns eine Plakette, lesen wir: „An dieser Stelle wohnte der Geograph Gerhard Mercator. 1558 bis 1594“. Mehr nicht.

Für eine Stadt, in der alles Mercator heißt, von der Halle bis zum Gymnasium, für die „Mercatorstadt“, die nun anlässlich seines 500. Geburtstages ein ganzes Mercatorjahr ausgerufen hat, ist dies nicht viel. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat man das Wohnhaus des berühmten Kartografen abgerissen zugunsten dieses Backstein-Klotzes. Es war stark beschädigt, es war eine andere Zeit.

Gebeine verbummelt

Aber auch die Gebeine des berühmtesten Einwohners hat Duisburg verbummelt. Nur wenige Meter entfernt in der Salvatorkirche gab es mal eine Familiengruft. Sie soll um 1905 zerstört worden sein, berichtet Werner Pöhling vom Kultur- und Stadthistorischen Museum, als die evangelische Gemeinde beschloss, eine Heizung in den Boden zu legen. Immerhin eine Andachtstafel aus Holz blieb erhalten. „Der Schnitzer muss Mercator gekannt haben“, sagt Pöhling. „Ein Augenlid hängt, eine Hand wirkt seltsam verkrampft. Er hatte wohl mehrere Schlaganfälle.“

Wer nun aber wirklich etwas über diesen zugewanderten Flamen erfahren will, der kommt am Museum nicht vorbei: Mercators Globen, seine Karten, sein Atlas. Sein Leben.

Der reiche Onkel hatte für den verwaisten Schusterjungen Gheert Kremer eine Kirchenkarriere vorgesehen. Er bezahlt auch den Lateinunterricht, ohne den Kremer, zu deutsch „Kaufmann“, sich kaum nach damaliger Mode in „Mercator“ umbenannt hätte. Doch der junge Mann aus Rupelmonde bei Antwerpen schreibt sich 1530 an der Universität Löwen für das Gegenteil von Theologie ein: Philosophie!

Heute bei Google

Es herrscht Aufbruchsstimmung, die Seefahrer versetzen eine Grenze nach der anderen. Der Humanismus hat Flamen auch gedanklich der plötzlich runden Welt geöffnet. Und der junge Mercator folgt fortan einer großen Idee: Diese Welt zu fassen! Sie zu beschreiben, ihre Informationen zu ordnen und darüber eine Ahnung ihres Wesens zu erhalten. Heute würde Mercator bei Google arbeiten.

Damals aber baut er Globen, zeichnet Karten, fertigt Instrumente. In der Hafenstadt Antwerpen sammelt er die Weltbeschreibungen der Seefahrer. Er eröffnet ein Geschäft, baut den größten Globus der Welt, 41 Zentimeter im Durchmesser, das wichtigste Stück des Duisburger Museums. Doch dann wird dieser erfolgreiche Gelehrte in den Kerker geworfen. Ketzerei!

Weltbekannte Werkstatt

Aber Mercator ist einflussreich, nach Monaten kommt er frei. „Es muss ein traumatisches Erlebnis gewesen sein“, sagt Pöhling. Sieben Jahre später, 1551, zieht er fort, wie Dutzende andere Intellektuelle aus den immer enger werdenden spanischen Niederlanden. Duisburg gehört damals zu den Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg, und deren Chef, Wilhelm der Reiche, will hier eine Universität gründen. Mercator soll Professor werden, doch die Pläne verschleppen sich, und so wird er Lehrer am heutigen Landferman-Gymnasium. Sein Hauptberuf aber bleibt die Kartografie. Sein Geschäft die weltbekannte Werkstatt.

Im mittelalterlichen Duisburg, wo er Garten an Garten mit anderen Exilanten wohnt, findet er den Frieden für den großen Wurf. Für seine berühmte Weltkarte, die das erste Werkzeug der Globalisierung werden soll. Mercator ist mit sechs Kindern und seiner Frau Barbara gekommen. Als sie stirbt, heiratet er Gertrude Virlings, die Witwe eines Uhrmachers. Sein spätes Glück. Bürger aber wird er nie. Erst als sein Sohn Bürgermeister werden soll, fällt der Lapsus auf – und man bürgert den Sohn am Abend zuvor rasch ein.

Er schuf den Atlas

Mercator wird 82 Jahre alt, überlebt einige Kinder und arbeitet bis zuletzt an seinem Hauptwerk, dem „Atlas“. Mit diesem Buch will er den ganzen Kosmos erklären. Doch die harten Informationen machen ihn zum Bestseller, die Karten. Geblieben ist auch der Begriff „Atlas“. Jahrhunder­te­lang glaubte man, Mercator habe den griechischen Titanen im Sinn gehabt, der die Welt auf seinen Schultern trägt.

Bis Wilhelm Krücken kam, Lateinlehrer am Mercator-Gymnasium, der vor fast 20 Jahren das Vorwort neu übersetzte. Atlas hieß auch ein mauretanischer König und Astronom. An ihn hatte Mercator gedacht.

Und so hat schon der entscheidende Satz in Mercators Andachtstafel einen falschen Bezug – und bleibt doch wahr: „Die ganze Erde ist diesem Manne leicht. . .“