Ruhrgebiet. . Wie geht es weiter mit den Raucherkneipen in Nordrhein-Westfalen? Wirte in NRW befürchten: Kommt das Rauchverbot wie von der Landesregierung geplant auch für die kleinen Gaststätten, dann geben viele auf.

Eigentlich sollte man annehmen, ein scharfes Rauchverbot wäre Theodor Becker auf den 162-Kilo-Leib geschrieben: mit dem schweren Herzinfarkt, den er hatte, mit den fünf Reanimationen und den 28 Tagen im Koma. „Mein Kardiologe hat gesagt, so einen Fall hatte er noch nie“, sagt Becker (45): „Und der geht schon bald in Rente.“ Nach diesem Beinahtod 2010 hat der kräftige Schrotthändler aufgehört zu rauchen, aber nie aufgehört, in die Raucherkneipe zu gehen. Sitzt also an der Theke, bedient linker Hand das Geldspielgerät und sagt zum angesagten Rauchverbot: „Uns Bürgern wird immer mehr genommen.“

Weihnachten naht in der „Friesenstube“, einer holzgetäfelten Einraumkneipe am Rande der Gelsenkirchener Fußgängerzone; eine dieser lakonischen Kneipen, wo Menschen sich gut verstehen nach solchen Gesprächen: „Und, wie geht’s?“ – „Mensch lebt.“ – „Hauptsache!“ Lustige Nikoläuse und elektrische Schneemänner blinken von den Wänden, und fast kann man sagen, dass sie die einzigen hier sind, die nicht rauchen; abgesehen jetzt von Becker und vom Wirt, Ulf Timmermann.

Timmermann hat in den letzten fünf Jahren fast alles mitgemacht, was die konfuse Düsseldorfer Nikotinpolitik den Kneipen abverlangte: Raucherclub gegründet, Verkauf von Essen eingestellt, Raucherclub wieder abgeschafft, Jugendliche ausgesperrt, mit dem Ordnungsamt verhandelt, Weg gefunden . . . „Das geht jetzt so lange Zeit, man stumpft ab“, sagt der 61-Jährige, ist aber sicher: Kommt das Rauchverbot auch für die kleinen Kneipen, dann geben viele auf oder müssen schließen. „Die leben von 60 älteren Stammgästen, von denen rauchen 80 Prozent, und wenn man ihnen sagt, hier wird nicht mehr geraucht, dann sagen die: Ulf, dann trink’ ich auch dein Bier nicht mehr.“

Nächstes Jahr im Herbst könnte es soweit sein in NRW: dass ein neues Nichtraucherschutzgesetz (NiSchG) keine gastronomischen Ausnahmen mehr kennt. Dahin steuert die Landesregierung, doch dann rechnet der NRW-Gaststättenverband mit bis zu 3000 Schließungen; und fragt man sich durchs Ruhrgebiet, dann sehen viele Wirte klassischer Kneipen tatsächlich schwarz. Oder rot. Wie man will.

„Wir werden wohl bald dicht machen müssen“ (Martin Gräwer vom „All In“, Hattingen). „Wenn das durchgesetzt wird, mach’ ich eine Wohnung aus meiner Kneipe und geh’ in Rente“ (Klaus Molitor von „Molly’s Pinte“, Herne). „Sechs Monate habe ich das Rauchverbot eingehalten, dann war ich nicht mehr in der Lage, die Miete zu bezahlen“ (Fayyaz Sahi aus der „Brasserie“, Unna). Viel Streit um NiSchG? Die Bottroper Kneipennacht 2011 ist dem jedenfalls schon zum Opfer gefallen, die Gemeinschaft der Wirte dahin, weil manche befürchteten, zu später Stunde würden die Gäste nur noch den Raucherkneipen zuströmen.

Rauchende Bedienung bekommt Probleme

Das scheint auch gar nicht aus der Luft gegriffen, wenn man hört, was die Menschen in der „Friesenstube“ prinzipiell sagen übers Rauchen in Kneipen. „Dass soll man den Menschen überlassen, sind wir denn alle Kleinkriminelle oder mündige Bürger?“ sagen sie, oder: „Jeder entscheidet selbst, ob er in so eine Kneipe geht.“ Und die Kellnerin Janet Prißon sieht die gröbsten Schwierigkeiten auf sich zukommen, wenn sie nicht mehr an der Theke rauchen darf: Das Bedienen zu unterbrechen, um eben draußen eine zu rauchen, geht auch wirklich nicht. Und dann sitzt da noch Hans-Joachim Dieckmann, 55 Jahre alt, Fernfahrer international, er trinkt einen Kaffee und nimmt Tabak aus einer Packung, auf der steht „Rauchen kann tödlich sein“. Was sagt er dazu? „Mein einer Opa hat täglich sechs Brasil geraucht, der ist mit 99 Jahren beim Holzhacken tot umgefallen“, sagt er. Sein anderer Großvater hat nicht geraucht.

Er wurde dann auch nur 98.