Düsseldorf. Wer in einem ärmeren Stadtviertel wohnt, hat ein höheres Risiko für Arterienverkalkung im Herzen. Und das unabhängig vom eigenen sozialen Status. Das ist das jüngste Ergebnis einer Bevölkerungsstudie mit mehr als 4000 Menschen aus dem Ruhrgebiet.

Für Dr. Nico Dragano ist das Ruhrgebiet ein riesiges Labor. „Die Region ist so spannend für uns, weil wir hier viele verschiedene Lebensräume finden - vom Villenviertel in Mülheim bis zum Problembezirk in Essen“, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Düsseldorf.

Im Rahmen der „Heinz Nixdorf Recall Studie“ begleiten Wissenschaftler verschiedener Universitäten aus NRW seit dem Jahr 2000 mehr als 4000 Menschen aus Bochum, Mülheim und Essen. Foto: privat
Im Rahmen der „Heinz Nixdorf Recall Studie“ begleiten Wissenschaftler verschiedener Universitäten aus NRW seit dem Jahr 2000 mehr als 4000 Menschen aus Bochum, Mülheim und Essen. Foto: privat

Er ist Mitglied der Forschergruppe, die seit acht Jahren in einer Bevölkerungsstudie Risikofaktoren für Herz-/Kreislauferkrankungen untersucht. Im Rahmen der „Heinz Nixdorf Recall Studie“ begleiten Wissenschaftler verschiedener Universitäten aus NRW seit dem Jahr 2000 mehr als 4000 Menschen aus Bochum, Mülheim und Essen. Das Forscherteam analysiert dabei nicht nur der Gesundheitszustand der 45- bis 75-jährige Probanden, sondern auch das soziale Umfeld und die Lebensumstände der Teilnehmer. „Wir können quasi live in die Entstehung von Krankheiten schauen. Das ist sehr spannend“, sagt Studiensprecher Prof. Raimund Erbel vom Deutschen Herzzentrum.

Das Umfeld prägt die Menschen

Aktuelles Forschungsergebnis: Wer in einem benachteiligtem Stadtviertel wohnt, hat ein höheres Risiko für eine Verkalkung der Herzkranzgefäße. Und das unabhängig vom individuellen sozialen Status. Koronare Verkalkungen gelten als einer der Haupt-Risiko-Faktoren für einen Herzinfarkt. Sprich: In Problembezirken leidet die Herzgesundheit.

„In Vierteln mit einer hohen Arbeitslosen-Quote haben wir bei den Teilnehmern bis zu 40 Prozent höhere Kalkwerte festgestellt. Unabhängig davon, ob die Menschen selbst arbeitslos sind“, erläutert Dr. Dragano. „In der Regel wohnen die Leute beengter, rauchen mehr, treiben weniger Sport, und die Infrastruktur ist schlecht.“

Das ist eine der ersten Studien, die Hinweise gibt auf einen Zusammenhang zwischen sozialen Merkmalen der Wohnumgebung und Frühstadien der koronaren Herzkrankheit. Also: Das Umfeld prägt die Menschen.

Wenn die Stadt krank macht

Das Projekt „Wenn die Stadt krank macht“ wird von der Volkswagenstiftung mit 111.600 Euro gefördert.

Verantwortlich zeichnen Professor Dr. Karl-Heinz Jöckel vom Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikums Essen - in Zusammenarbeit mit Dr. Barbara Heidi Hoffmann, und Dr. Nico Dragano vom Institut für Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Düsseldorf.

Ein anderes Ergebnis der Bevölkerungsstudie: Wer nahe an einer Autobahn oder Bundesstraße wohnt, hat ein bis zu 63 Prozent höheres Risiko, dass seine Herzkranzgefäße verkalken. Und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Aktuelles Projekt: „Wenn die Stadt krank macht“

Aktuell untersuchen die Forscher der Universitätskliniken Essen und Düsseldorf im Rahmen der Studie Depressionen und Herz-/Kreislauferkrankungen älterer Menschen in Großstädten. Welche Auswirkungen haben zum Beispiel Lärm und Feinstaub oder ein niedriges Einkommen und Belastung durch Kriminalität auf die Gesundheit? Bislang wurden die sozialen Umstände überwiegend getrennt von den physikalisch-chemischen Faktoren der Wohnumgebung betrachtet.

Mit den Ergebnissen des Projekts „Wenn die Stadt krank macht“ möchten die Wissenschaftler Empfehlungen für die Stadt- und Sozialplanung geben. Mit ersten Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler im kommenden Jahr.

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