Köln/Luxemburg. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes hat die Domstadt beim Bau der neuen Messehallen gegen europäisches Vergaberecht verstoßen. Nun müssen Stadt und Bundesregierung rechtliche Konsequenzen ziehen - andernfalls drohen empfindliche Strafen seitens der EU.

Die Stadt Köln muss sich auf viel Ärger und hohe finanzielle Forderungen einstellen. Denn sie hat am Donnerstag vor Gericht eine schwere Niederlage erlitten. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Köln beim Bau der Kölner Messehallen gegen EU-Recht verstoßen hat, weil es kein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren gab. Die Stadt hatte 2004 einen auf 30 Jahre angelegten Mietvertrag mit einer Investmentgesellschaft abgeschlossen, in der Mieten von insgesamt 600 Millionen Euro für die Nutzung der damals noch nicht gebauten Messehallen vereinbart wurden.

Im Urteil der EU-Richter werden zwar - wie bei solchen europäischen Verfahren üblich - keine konkreten Strafen oder Auflagen angeordnet. Die nicht mehr anfechtbare EU-Gerichtsentscheidung zwingt jedoch die Deutschen, von sich aus rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Der Ball liegt jetzt wieder im Spielfeld der Deutschen, heißt es bei der EU-Kommission. Denkbar ist zum Beispiel, dass die Voraussetzungen für Schadenersatzforderungen von Baufirmen oder Investoren geschaffen werden, die bei der Auftragsvergabe vor fünf Jahren nicht zum Zuge kamen. „Es ist nun Sache des deutschen Rechtssystems, die Regeln für Klagen und Schäden festzulegen“, erläutert der Sprecher von EU-Kommissar Charlie McCreevy, der für den Binnenmarkt zuständig ist.

Möglich ist auch, dass die laufenden Verträge aufgehoben werden, die noch für viele Jahre millionenschwere Monatsmieten für die Messehallen vorsehen, was allerdings Rechtsstreitigkeiten der Stadt mit ihren derzeitigen Vertragspartnern auslösen dürfte. Eine komplette Rückabwicklung des Verfahrens scheidet hingegen aus - schließlich wäre es grober Unfug, würde man die gebauten Messehallen wieder abreißen, nur weil die Auftragsvergabe gegen EU-Recht verstößt.

Sobald feststeht, welche praktischen Konsequenzen gezogen werden, kommt wieder die EU-Kommission ins Spiel. Die EU-Behörde wird dann nämlich prüfen, ob sie die Maßnahmen für ausreichend hält. Wenn nicht, zieht sie erneut vor das EU-Gericht und klagt – so, wie sie es in der Vergangenheit bereits oft getan hat. In einem ähnlich gelagerten Fall in Braunschweig, in dem es um die Auftragsvergabe für die Müllversorgung ging, haben die EU-Beamten auf diese Weise die Auflösung der Verträge erzwungen.

Für die Stadt Köln beziehungsweise für die Bundesregierung, die traditionell alle deutschen Kommunen oder Länder bei EU-Vertragsverletzungen vor Gericht vertritt, wäre es riskant, es auf ein zweites Verfahren ankommen zu lassen. Denn dann drohen Pauschalstrafen oder Zwangsgelder, also täglich oder wöchentlich zu entrichtende Geldbußen, mit denen das EU-Gericht verhindern will, dass ein beklagtes Land auf Zeit spielt. „Das kann richtig teuer werden“, behaupten hinter vorgehaltener Hand EU-Beamte, auch wenn niemand eine solide Schätzung über die Höhe möglicher Zwangsgelder abgeben kann.

Derzeit ist schwer einzuschätzen, womit die Kölner die Kommission werden zufrieden stellen können. Einiges spricht dafür, dass - wie im Fall des schottischen Parlamentsgebäudes vor einigen Jahren - die EU-Beamten zumindest darauf drängen werden, dass der Weg für Schadenersatzklagen geebnet wird. Womöglich wird die EU zudem auf Aufhebung der laufenden Verträge bestehen, zumal die EU-Richter im Urteil ausdrücklich vermerken, dass „nicht alle Wirkungen des betreffenden Vertrags dadurch erschöpft sind, dass die zu errichtenden Bauwerke fertiggestellt waren.“

Deutschlands Anwälte hatten versucht, den EU-Gerichtshof davon zu überzeugen, dass es sich im Falle der Kölner Messehallen um einen Mietvertrag und nicht um einen Bauauftrag gehandelt habe. Auf dieses Argument lassen sich aber die Luxemburger Richter nicht ein. Sie halten dagegen, dass die Vermietung von Hallen, die bei Abschluss des Mietvertrags noch gar nicht existierten, „denknotwendig“ eine Errichtung dieser Hallen zum Ziel haben müssen und daher einem Bauauftrag gleichzustellen sind.