NRW-Grüne sehen Prozess beschleunigt. In Gewerkschaftskreisen wird dagegen spekuliert, ob die Zechen im Ruhrgebiet nach dem endgültigen Aus für das Saar-Bergwerk dessen Fördermenge übernehmen müssen
Essen. Eigentlich mag man über ein endgültiges Aus für das Bergwerk Saar gar nicht reden. Offiziell zumindest. Nicht bei der Zechebetreiberin, der RAG, nicht bei der Gewerkschaft der Bergleute. Und so betont RAG-Vorstandschef Bernd Tönjes gestern auf der Betriebsversammlung vor sichtlich aufgewühlten Saar-Kumpeln abermals vehement, alles daran zu setzen, "das Bergwerk wieder ans Laufen zu bringen!" Doch danach sieht es so gar nicht aus . . .
Denn Saarlands Wirtschaftsminister Rippel (CDU) spricht längst von der großen Herausforderung, vor der das Land stehe, verspricht den Bergleuten rasche Hilfe. Und auch im Ruhrgebiet rumort es heftig. Intern spekuliert man auch bei der IGBCE bereits darüber, ob ein Teil der saarländischen Bergleute nun in den Zechen des Ruhrgebiets untergebracht wird und dass die an der Saar geförderten 3,5 Mio Tonnen Kohle pro Jahr durch zusätzlichen Abbau in NRW ausgeglichen werden müssen.
"Am 2. April will der RAG-Aufsichtsrat eigentlich darüber entscheiden, welche zwei Bergwerke nach Walsum und Lippe dicht gemacht werden. Möglicherweise sorgen die Ereignisse an der Saar jetzt dafür, dass eine andere Zeche, also eine im Ruhrgebiet, doch noch nicht stillgelegt wird", heißt es in Kreisen der IGBCE.
Tatsächlich sieht der Kohlekompromiss bis 2012 eine Halbierung der jährlichen Förderung von zurzeit 25 Mio Tonnen Kohle vor und bis 2018 die Schließung der letzten Zeche. Das Bergwerk Saar wäre 2014 dran.
Das schwere Grubenbeben vom Samstag scheint diese Pläne nun durcheinander zu wirbeln. Doch was bei den einen Hoffnungen auf Produktionsverlagerungen ins Ruhrgebiet weckt, ist für den Kohleexperten der NRW-Grünen, Reiner Priggen, einfach nur "Quatsch!. Das Saarland steht jetzt tatsächlich vor einem riesigen Problem, weil es so viele Leute in Beschäftigung bringen muss. Wir reden schließlich über zweimal Nokia. Aber ich glaube, letztendlich wird der Prozess des Ausstiegs dadurch beschleunigt", sagt Priggen. Die im Saarland beschäftigten Bergleute könnten nicht alle ins Ruhrgebiet pendeln, um dort zu arbeiten.
Der Fraktionsvize der Grünen im NRW-Landtag geht davon aus, dass der Bund und das Saarland jetzt mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um die rund 4700 Bergleute und weitere 4000 Beschäftigte bei Zulieferern, die eigentlich bis 2014 Arbeit hätten, zu beschäftigen. "Vermutlich wird das den Kohleausstieg sogar um ein, zwei Jahre beschleunigen. Aber wenn man bedenkt, dass es allein in diesem Jahr 35 Erdbeben an der Saar gegeben hat, ist der Ausstieg in der Sache richtig. Ein Glück, dass bislang niemand zu Schaden gekommen ist", so Priggen. Nach dem Erdbeben sind bislang 1000 Schadensmeldungen bei der RAG eingegangen.
RAG-Chef Bernd Tönjes kündigte gestern an, in den kommenden Wochen müsse der Aufsichtsrat des Konzerns zusammentreten und die neue Situation zu diskutieren. Tönjes: "Mein Eindruck ist, dass den Bergleuten der Wind entgegen weht!"