Essen. Durch Bergbau bebt der Boden: "Am schlimmsten ist es nachts, wenn man aus dem Schlaf hochschreckt und alles wackelt", sagt ein Dorstener. Ein Musterprozess im Saarland lässt nun auch Bergbaugeschädigte im Ruhrgebiet hoffen. Die RAG sieht keine entschädigungspflichtigen Fälle.

"Der Puls steigt auf 200, man fühlt sich völlig hilflos und kommt danach lange Zeit nicht wieder zur Ruhe": So beschreibt Klaus Wagner die Gefühle bei einem Bergschlag. "Am schlimmsten ist das nachts, wenn man aus dem Schlaf hochschreckt und alles wackelt", sagt der 62-jährige Dorstener.

Durch den Bergbau des Bergwerks Lippe bebte der Boden im Dorstener Ortsteil Altendorf-Ulfkotte von 2005 bis zum ersten Quartal 2008 regelmäßig. "Statistisch waren das 3,8 Ereignisse pro Tag." Da die Schachtanlage zum Ende des Jahres stillgelegt wird, haben die Erschütterungen nachgelassen. Aber: "Drei Jahre meines Lebens hat man mir genommen", klagt Wagner. Vor allem durch die psychische Belastung und die Angst vor neuen Beben sei die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt worden.

2005 rief der 62-Jährige eine Bürgerinitiative ins Leben, die mittlerweile 560 Mitglieder hat. Durch den Musterprozess im Saarland haben die Berggeschädigten neue Hoffnung geschöpft. Sollte das Landgericht Saarbrücken dem Kläger Recht geben, verklagen die Dorstener die Deutsche Steinkohle AG (RAG) auf Schadensersatz. "Wir wollen einen Flächenbrand", so Wagner.

Die RAG sieht die aktuellen Entwicklungen im Saarland gelassen. "Entschädigungspflichtige Sachverhalte liegen nach unseren bisherigen Erkenntnissen in NRW nicht vor, da die Erschütterungen nicht die Stärke wie im Saarland erreichen", sagte Christof Beiske, Mitarbeiter der Presseabteilung, der WAZ. "Wir werden uns aber in unserer Bergschadensregulierung darauf einstellen."

"Den Einzelfall im Saarland kann man sicherlich aufs Ruhrgebiet übertragen", meint Johannes Schürken, geschäftsführendes Mitglied des Verbands bergbaugeschädigter Haus- und Grundeigentümer (VBHG). "Das ist ein einmaliges Urteil", sagt Michael Terwiesche, Anwalt und Experte für Bergbaurecht in Düsseldorf. "Der Bundesgerichtshof hat endlich mal im Sinne der Betroffenen entschieden."

Der energiepolitische Sprecher der Grünen im NRW-Landtag, Reiner Priggen, fordert: "Der auslaufende Bergbau muss darauf hinarbeiten, keine Kohle mehr unter Siedlungsgebieten abzubauen."